Ab heute leben wir auf Pump: Am 13. August hat die Menschheit die Ressourcen für 2015 verbraucht. Von diesem Tag an – das sagen das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und Umweltorganisationen wie der WWF – zehren wir von den bereits knappen Reserven unseres Planeten.
Dieser Tag, «World Overshoot Day» oder «Earth Overshoot Day» genannt, fällt jedes Jahr etwas früher an: Erstmals habe die Weltbevölkerung Anfang der 70er Jahre mehr Ressourcen verbraucht, als die Erde im gleichen Zeitraum produzieren konnte, schreibt der WWF. In den Achtzigerjahren lag der «World Overshoot Day» noch im Dezember, im Jahr 2000 war es bereits der 1. Oktober.
Um den weltweiten Ressourcenhunger zu befriedigen, bräuchte es mittlerweile 1,5 Erden. Schuld daran sind vor allem wir, die Bewohner der Industrieländer, denn wir leben über unsere Verhältnisse. «Würden alle Länder so viele Ressourcen verbrauchen wie wir, bräuchte es gar drei Erden», schreibt das BAFU.
Die Warnungen der Umweltschützer sind löblich. Sie weisen zu Recht darauf hin, dass zahlreiche Produkte viel mehr Ressourcen verbrauchen, als man denken würde. Und besorgniserregende Entwicklungen wie die Überfischung der Meere oder die Klimaerwärmung lassen die Alarmglocken schrillen.
Doch ist der Alarm auch gerechtfertigt, wenn es um nicht erneuerbare Ressourcen wie Erdöl oder Metalle geht? So stecken in unseren Handys, wie der WWF aufzählt, «Edelmetalle wie Kupfer, Silber und Gold und viele exotische Metalle wie Tantal, Palladium, Gallium und Indium, die nicht unendlich in der Natur vorkommen.» Wenn wir solche und andere Rohstoffe gewissenlos verbrauchen, so die Annahme, werden sie dereinst unseren Enkeln fehlen.
Diese Überlegung ist so plausibel wie falsch. Sie geht davon aus, dass die Rohstoff-Bedürfnisse der künftigen Generationen die gleichen sind wie unsere. Und sie nimmt an, dass deren technische Fähigkeiten ebenfalls die gleichen sind wie unsere. Beides ist unwahrscheinlich, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt.
Speisesalz ist heute ein billiges Massenprodukt, das sich in den unteren Regalen der Supermärkte befindet. Dies war früher nicht so: Im Mittelalter war Salz knapp und teuer. Die damalige Technik des Salzabbaus konnte diese lebenswichtige Ressource nur ungenügend erschliessen; das Angebot war begrenzt, die Nachfrage hoch. Wo das wertvolle Salz gewonnen werden konnte, blühten Städte auf und herrschte Wohlstand.
Doch schon in der frühen Neuzeit begann man Pumpsysteme für Sole zu entwickeln und es entstanden erste protoindustrielle Herstellungsmethoden. Heute gewinnt man Salz industriell aus Salzstöcken in grosser Tiefe. Hätten die Menschen im Mittelalter Salz für künftige Generationen gespart, wäre dies für uns vollkommen unerheblich – das Mittelalter hatte nicht die geringste Ahnung von unseren technischen Möglichkeiten.
Ein anderes Beispiel: Gegen Ende des Mittelalters war der Langbogen eine gefürchtete Waffe, die den Ritterheeren schwere Verluste beibrachte. Die Bögen fertigte man aus Eibenholz, das sich dafür besonders eignet. Der hohe Bedarf an dieser Holzart führte trotz harscher Schutzgesetze zu einer starken Übernutzung, so dass die Eibenbestände in Europa stark zurückgingen.
Als Eibenholz immer knapper wurde, setzten sich die Feuerwaffen durch. 1595 ordnete die englische Königin Elisabeth I. die Umstellung des englischen Heeres von Langbögen auf Musketen an – obwohl es Hinweise gibt, dass die Muskete dem Langbogen damals noch weit unterlegen war. Auf jeden Fall machte die neue Technologie die Eibe obsolet. Die Restbestände, die den Raubbau überlebten, werden von uns nicht mehr als Ressource benötigt, da wir andere Bedürfnisse haben.
Die Angst vor dem Versiegen dringend benötigter Ressourcen ist zwar verständlich, aber nicht immer gerechtfertigt. Eine Ressource, mit der man immer rechnen solte, ist nämlich die menschliche Kreativität und ihre Fähigkeit, immer wieder neue Lösungen zu finden.