Wissen
USA

Grabschändung & Leichenhandel in New Orleans – was ist dran?

«Hallo, braucht jemand Menschenknochen?»: Wie ein angeblicher Leichen-Online-Handel viral ging

Der bizarre Fall angeblicher Grabschändung und vermeintlichen Leichen-Handels im Hexenkessel von New Orleans.
31.03.2016, 14:3101.04.2016, 14:12
Oliver Baroni
Folge mir
Mehr «Wissen»

«Die Polizei fiel auf uns herein. Sie glaubte, Menschenkörper und Eingeweide vorzufinden, die ich und meine Mitbewohner auf dem Schwarzmarkt verkaufen.» Das sagt Ender Darling aus New Orleans. Und weiter: «Stellt euch mal deren Enttäuschung vor, als sie lediglich einen Haufen schlafender Hippies vorfanden!»

Aber erst mal von vorne.

Da wäre der Hauptprotagonist Ender Darling – beziehungsweise die Hauptprotagonistin, denn Ender beschreibt sich als Queer Trans* Non Binary [sic!] und weigert sich, zu nur einem Geschlecht zu gehören.

Was man sonst noch wissen muss: Er/sie ist als Hexe tätig und trägt den bürgerlichen Namen Devon Marie Machuca (weshalb wir uns hier in der deutschsprachigen Berichterstattung erlauben, fortan das weibliche Geschlecht zu benutzen. Auf Englisch kann man geschlechtsneutraler navigieren, auf Deutsch weniger … aber wir schweifen ab).

Ende 2015 postete Darling folgendes auf Facebook:

Darin erläutert Darling, dass sie neben einem «sogenannten Armenfriedhof» wohne. Da New Orleans zum Teil unter dem Meeresspiegel liegt, spült es die Knochen-Überreste im Holt Cemetery oft an die Oberfläche.

Diese pflegt Darling zu sammeln, um für ihre Hexen-Rituale zu benutzen («Ich habe festgestellt, dass ich besser mit Menschenknochen als mit Tierknochen arbeiten kann – ich kann mich besser auf deren menschliche Energie beziehen»). Und so fragt sie mal ganz unverbindlich die Öffentlichkeit, ob da Interesse bestünde an einem Versandhandel.

Und prompt geht ein Shitstorm los:

Desier Deja Galjour, ebenfalls Bewohnerin von New Orleans, etwa, rief auf Facebook dazu auf «diesen verdammten Kultur-GEIER», zu stoppen.

Auf Tumblr ging die Meldung ebenfalls viral (Darling betrieb dort den Feed «littlefuckingmonster»), artete bald mal zu einem Meme aus:

Derweil wurden lokale Newsmedien auf die Story aufmerksam und alsbald schaltete sich die örtliche Staatsanwaltschaft ein, die Ende Januar eine frühmorgendliche Razzia auf die WG Darlings vom Stapel liess.

Inzwischen sind Details vom Fall publik geworden. Darlings Kommentar zum überraschenden Besuch schwerstbewaffneter Polizeigrenadiere steht eingangs in diesem Artikel. Die Razzia sei eine «aufgeblasene Zeitverschwendung» gewesen, so Darling gegenüber der Lokalzeitung «The New Orleans Advocate».

Zunächst hiess es, lediglich ein Smartphone und ein Laptop seien beschlagnahmt worden, während Darling und weitere WG-Mitbewohner Vorladungen wegen des Besitzes von Marihuana bekommen hätten. Doch nun wird berichtet, dass zumindest kleinere Knochenreste gefunden wurden; 11 davon an der Zahl, sowie vier Zähne.

«Ich hatte sie auf einem Altar», so Darling im Interview am Dienstag, «es waren eine Handvoll Knochensplitter, die ich auf dem Friedhofsboden vorgefunden hatte. Ich sagte den Beamten ‹Bedient euch. Vielleicht sind dort Menschenknochen dabei, aber das verrate ich euch jetzt besser nicht.›»

Holt Cemetery, New Orleans.
Bild: WikiCommons

Was Darling da lakonisch beschreibt, wird von den Behörden als arger Fall von Grabschändung behandelt, allerdings als einen, der offenbar nicht unüblich für New Orleans ist mit seiner Voodoo- und Hexerei-Subkultur.

Dazu Adam Stevenson, Präsident der Friedhofs-Vereinigung Save Our Cemeteries: «Leider ist Vandalismus Gang und Gäbe. […] Wir reden hier über das Klauen von Onkel Joe’s Oberschenkelknochen und es ist eine Obszönität!»

Knochenreste im Holt Cemetery.
Knochenreste im Holt Cemetery.
Bild: asergeev.com

Die Untersuchung hat bisher 12’000 Seiten an Akten zur Folge, bislang aber keine eindeutige Anzeige gegen Darling. Der Online-Shitstorm gegen sie hatte ebenfalls erhebliche Folgen, nicht zuletzt für die Mitbewohner Darlings.

Doch die selbsternannte Hexe nimmt die Vandalismus-Vorwürfe auf die leichte Schulter. Der zuweilen desolate Zustand vieler Friedhöfe in New Orleans seien der wahre Skandal: «Es tut mir leid, dass ich mich mehr als ihr alle um eure Toten sorge», sagt Darling.

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

10 Jahre nach dem Jahrhundertsturm: Ein Fotograf reist mit den Bildern von damals zurück nach New Orleans

1 / 11
10 Jahre nach dem Jahrhundertsturm: Ein Fotograf reist mit den Bildern von damals zurück nach New Orleans
Der Fotograf Carlos Barria war nach dem verheerenden Hurrikan Katrina 2005 in New Orleans vor Ort und hat mit seiner Kamera Menschen, Orte und Momente festgehalten. 10 Jahre später ist er an exakt jene Orte zurückgekehrt, die er fotografiert hatte – mit seinen Bildern von damals in der Hand.
quelle: x90035 / carlos barria
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
8 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
so wie so
31.03.2016 20:28registriert Juli 2015
....
«Hallo, braucht jemand Menschenknochen?»: Wie ein angeblicher Leichen-Online-Handel viral ging
....
310
Melden
Zum Kommentar
8
«Wenn das ein Experiment wäre, hätte ich zuerst an einen Messfehler geglaubt»
2023 war ein Rekordjahr fürs Klima – bei den Temperaturen an Land, vor allem aber bei den Weltmeeren, die sich auch in diesem Jahr nicht abkühlen. Die Rekorde sind so hoch, dass es die Wissenschaft noch immer vor ein Rätsel stellt. Wir fragen den Klimaforscher Reto Knutti, inwieweit dieses schon gelöst ist.

Wir starten das Gespräch mit dem ETH-Professor gleich anhand dieser Grafik:

Zur Story