Madame Douce, wieso haben die Franzosen aus der dunklen Schokolade eigentlich so einen Fetisch gemacht? «Oh», sagt Sylvie Douce, die wirklich so heisst und vor 20 Jahren in Paris den Salon du chocolat erfunden hat, «die Franzosen fetischisieren das Produkt. Wir wollen Reinheit, für uns ist eine Kakaobohne wie eine Weintraube. Wir wollen die Herkunft schmecken, eine Gegend, ganz unverfälscht. Ein Kakaobohnenzüchter hat in Frankreich den Stellenwert eines Weinbauern.» Und die Schweizer? «Die haben Kühe. Die lieben Milch. Japaner haben übrigens die gleiche Einstellung wie wir Franzosen. Russen hingegen lieben den Reichtum, auch bei der Schokolade, alles ist verziert und vergoldet.»
Sylvie Douce ist erschöpft, Zürich ist die letzte Station auf der Welttournee des Salon du chocolat, sie hat im Oktober begonnen und endet jetzt in Oerlikon, im Messegebäude hinter dem Hallenstadion, sie führte in sieben japanische und viele französische Städte, nach Seoul und Brüssel. In 20 Jahren zogen die Schokoladenmessen der Sylvie Douce sieben Millionen Menschen an.
Es ist eine typische Publikumsmesse, «spielerisch und didaktisch» soll sie sein, sagt Sylvie Douce, es geht dabei ein bisschen um die Aussteller – es sind in Zürich um die 90, das ist verglichen mit anderen Gastro-Messen nicht wahnsinnig viele – und sehr viel um die Vermittlung, um Workshops und Vorträge für alle Altersklassen. Es wird da etwa nach einer möglichst kultivierten Beziehung von Schokolade und Single Malt Whisky gesucht oder von Schokolade und Wein, es wird über Couverturen und andere Kreaturen referiert, über Rindsfilet, Blumenkohl und Riesencrevetten mit Schokolade – und es gibt eine Modeschau.
Unter den Menschen, die am Donnerstagabend zur Eröffnungsschau geladen sind, befinden sich keine erkennbaren Promis, nur eine Dame sieht aus, als wäre Carmen Geiss gerade in Sankt Moritz aus einem Privatjet gestiegen und fühlt sich auch so. Und dann betritt Patty Boser den Laufsteg und sagt mit einer grippal beeinträchtigten Stimme, wie sehr sie sich jetzt auf die «Girls» mit ihrem «Schoggijob» freue: «Jetzt schmelzed si dahii, uff em Laufschtäg.»
Tun sie natürlich nicht. Denn die Kleider (oder auch nur einzelne Applikationen) sind versiegelt, die schmelzen nicht einfach, sagt Sylvie Douce, die müssen auch nicht in einen Kühlschrank über Nacht. Und nein, sie werden nach dem Zürcher Salon nicht eingeschmolzen und zu Militärschokolade verarbeitet, sie werden weiterwandern und nach dem heissen Sommer in Paris ausgestellt. Die Kleider sind halt vor allem braun. Und steif. Sie sehen ein bisschen böse aus, wie aus einem Science-Fiction-Film. Dabei stecken bis zu hundert Stunden Arbeit in ihnen. Und hübsche Mädchen.
Beim Modell «Madame d'étoile» (beziehungsweise holde Fee in Strapsen) von der Genfer Chocolaterie Favarger geht ein haltloses Kichern durchs Publikum, das Oberteil, nun ja, es ist irgendwie nicht gerade jugendfrei. Und so sehr Sylvie Douce zweck ihres Namens gar nicht anders kann, als sich ein Leben lang der Schokolade hinzugeben – Aussteller wie «Confiserie Speck» und «Bäckerei Fleischli» stehen trotz ihrer delikaten Ware leicht schief in der Landschaft.
Das Schoggi-Magazin «Choco» zitiert übrigens eine kanadische Umfrage, die irgendwann zum Resultat gekommen sein soll: «Frauen können länger ohne Männer leben als ohne Schokolade.» Was heisst das jetzt auf die Schweiz umgemünzt, dieses schokoladensüchtigste aller Länder mit seinem 12-Kilo-pro-Jahr-und-Kopf-Konsum? Gibt es in der Schweiz etwa mehr Single-Frauen als anderswo? Oder verweigern sich die Schweizerinnen gar den Männern zugunsten der Schokolade? Vielleicht sollte man das an Ostern mal genauer beobachten. Ob da Frauen plötzlich mit ihren Osterhasen verschwinden.