Leidensweg einer jungen Ägypterin
11.02.2015, 12:3912.02.2015, 09:53
Ihr Bild ging um die Welt.

Bild: REUTERS
Hend Nafea demonstrierte im Dezember 2011 am Tahrir-Platz in Kairo gegen die Diktatur der Militärs. Bei den Zusammenstössen mit der Armee wurde sie brutal misshandelt.
Soldaten traten auf sie ein, schleiften sie durch die Strasse und rissen ihr die Kleider vom Leib, um sie zu demütigen. Das schockierende Bild der «Frau im blauen BH» wurde weltweit abgedruckt und erschien sogar auf der Titelseite der «New York Times».

bild: nytimes.com
Hends Leidensweg war damit nicht zu Ende, im Gegenteil: Sie wurde an jenem Samstag 16. Dezember zusammen mit anderen Demonstranten in ein nahe gelegenes Regierungsgebäude gebracht und mit Elektroschocks und Schlägen gefoltert. Aufgrund der internationalen Kritik besuchte sie Feldmarschall Hussein Tantawi im Spital, der Chef der Militärjunta. Sie weigerte sich, mit ihm zu sprechen.
Durch ihre Misshandlung wurde Hend zwar zur Protest-Ikone, doch in einem TV-Interview äusserte sie sich einmal sehr pessimistisch über die Aussagekraft des berühmten Bilds. «Über die Frauen haben sie die Gesellschaft entzweit», sagte sie. Konservative Ägpyter kritisierten nicht die prügelnden Soldaten, sondern die weiblichen Demonstranten. Denn die hätten auf dem Tahrir-Platz nichts verloren, sondern gehörten an den Herd. Hend erlebte es am eigenen Leib: Als sie endlich in ihr Dorf zurückkehren konnte, schlug ihr nichts als Verachtung entgegen. Sie habe Schande über die Familie gebracht, musste sie sich anhören.

Anti-Regierungsproteste mit einem Comic Hend Nafeas. bild: epa
Die junge Frau wurde von ihrer Familie eingesperrt und von der Aussenwelt isoliert, worauf sie in einen Hungerstreik trat. Als sie das erste Mal in Ohnmacht fiel, gab ihre Familie nach und liess sie frei. Seither engagiert sie sich in einer Kampagne «Nation ohne Folter»: Zusammen mit anderen Folteropfern versucht sie, die Verbrechen der vergangenen vier Jahre zu dokumentieren und die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen.
Damit war es eine Frage der Zeit, bis sie wieder ins Visier der Behörden geriet. Denn die Verantwortlichen von damals sind heute entweder an der Macht, juristisch rehabilitiert oder unantastbar: Armeechef Abdel Fattah el-Sisi ist Präsident, Mubarak freigesprochen und Tantawi in vergoldeter Rente.

Der berüchtigte Richter Mohammed Nagi Schehata.Bild: Mohammed El-Raaei/AP/KEYSTONE
Am 4. Februar schrieb Hend auf Facebook, dass sie für ihre Teilnahme an den Protesten 2011 zu lebenslanger Haft (25 Jahre) verurteilt worden ist. Der zuständige Richter Mohammed Nagi Schehata ist berüchtigt für seine harten Urteile, darunter lange Haftstrafen für «Al-Jazeera»-Journalisten und die Todesstrafe für 183 Islamisten.
Doch Hend lässt sich nicht unterkriegen. Am Tag des skandalösen Urteils schrieb sie auf ihrem Facebook-Profil: «Ich will euch einmal etwas sagen: Was auch immer wir gemacht haben, es war gar nichts im Vergleich zu jenen, die ihr Leben für die Revolution gegeben haben. Mir fallen die Worte meiner Kollegin Mahienour El-Massry ein: ‹Wir mögen die Gefängnisse nicht, aber wir haben keine Angst vor ihnen›»:-)
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