Persönliche Begegnungen zwischen Spitzenpolitikern sind während der Corona-Pandemie selten geworden, Gipfeltreffen wie nun der G7 in Grossbritannien umso mehr. Doch der britische Premier Boris Johnson, der in diesem Jahr den G7-Vorsitz inne hat, wollte unbedingt einen «echten» Gipfel – und nicht nur einen virtuellen. Dank des erfolgreichen Impfprogramms und enormer Schutzmassnahmen geht dieser Wunsch nun in Erfüllung.
Gesperrte Strassen, Patrouillenfahrten eines Kriegsschiffs und meterhohe Zäune: Vor dem G7-Gipfel der Staats- und Regierungschefs der führenden westlichen Industrienationen haben Polizei und Militär in Grossbritannien massive Sicherheitsvorkehrungen getroffen.
Dies hat auch personelle Folgen: So können etwa deutlich weniger Journalisten anreisen als sonst und die, die da sind, müssen sich täglich auf das Virus testen – ohne tagesaktuelles, negatives Ergebnis darf kein Reporter ins Pressezentrum.
Ähnliches gilt allerdings auch für die Spitzenpolitiker und ihre Entourage: «Alle Delegationsmitglieder müssen sich einem strengen täglichen Testregime im Vorfeld und während der Reise unterziehen, zudem gelten durchgehend die Abstands- und Hygieneregeln», teilte ein Sprecher der Bundesregierung mit. Gastgeber Grossbritannien setze höchste Massstäbe an die pandemiegerechte Durchführung des Gipfels an.
Für den Trip nach Cornwall und danach zum Nato-Gipfel nach Brüssel gelten für die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Delegation deshalb scharfe Vorsichtsmassnahmen. Weil Grossbritannien als Gebiet eingestuft ist, in dem eine hochaggressive Virusvariante grassiert, wird am Freitag eine deutlich verkleinerte Delegation mit ihr nach Cornwall fliegen. Auf eine Begleitung durch Journalisten im Regierungs-Airbus verzichtet sie diesmal anders als sonst ganz.
Merkel gilt als extrem vorsichtig im Umgang mit Corona – und das nicht nur, weil sie Ende März 2020 in der ersten Pandemiewelle in Quarantäne musste. Damals hatte sie Kontakt zu einem Arzt, der anschliessend positiv auf das Virus getestet worden war. Vor allem sieht sich die Kanzlerin als Vorbild: Nachdem sie immer auf harte Corona-Beschränkungen bestanden hat, um die Pandemie einzudämmen, will sie sich nicht nachsagen lassen, es mit den Vorschriften selbst nicht so genau zu nehmen. Zudem ist Merkel erst einmal gegen Corona geimpft – am 16. April hatte sie sich das Mittel von Astrazeneca spritzen lassen.
Und warum müssen Merkel und die Mitglieder ihrer Delegation nicht wie sonst in Deutschland für Privatreisende vorgeschrieben 14 Tage lang in Quarantäne, wenn sie aus einem Virusvariantengebiet wie Grossbritannien kommen? Ein Regierungssprecher nennt gleich drei Gründe: Die Rahmenbedingungen der Reise, die Kürze des Aufenthalts – der Gipfel dauert nur zwei Tage. Am wichtigsten dürfte aber eine Ausnahmevorschrift in der deutschen Coronavirus-Einreise-Verordnung sein.
In Paragraf 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 heisst es dort, die Quarantänepflicht gelte nicht für Personen, die «als Teil von offiziellen Delegationen über das Regierungsterminal des Flughafens Berlin Brandenburg (...) nach Deutschland zurückreisen und sich weniger als 72 Stunden in einem Risikogebiet aufgehalten haben».
Etwa 6500 Polizisten und Hunderte Soldaten sind im Einsatz, um Teilnehmer und Journalisten bei der Konferenz in Carbis Bay und anderen Orten in der Grafschaft am äussersten Zipfel im Südwesten Englands von Freitag bis Sonntag zu schützen. Die Kosten der gigantischen Sicherheitsoperation sollen sich nach Schätzungen auf etwa 70 Millionen Pfund (rund 81 Millionen Euro) belaufen, wie der «Guardian» berichtete.
Wegen der Coronavirus-Pandemie wird jedoch mit weniger Teilnehmern von Protesten gerechnet als bei früheren G7-Gipfeln. Zu den G7-Ländern gehören USA, Deutschland, Grossbritannien, Kanada, Frankreich, Italien und Japan. Auch EU-Vertreter nehmen an dem Gipfel teil. Zudem hat Gastgeber Grossbritannien auch Südkorea, Südafrika, Australien und Indien eingeladen. Die indische Delegation nimmt jedoch wegen der starken Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus in dem Land nur virtuell teil.
Für die Konferenz mussten nach einem Bericht des Blatts unter Berufung auf eine Hilfsorganisation auch einige Obdachlose ihre Zimmer in Hotels verlassen. In Grossbritannien hatten viele Menschen ohne Wohnsitz in leerstehenden Hotels Unterschlupf gefunden. (sda/dpa)