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Bolsonaro-Anhänger stürmen Kongressgelände in der Hauptstadt Brasilia

Video: twitter/davidrkadler, OxfordDiplomat, reporterenato

Bolsonaro-Anhänger stürmen Kongressgelände in der Hauptstadt Brasilia

08.01.2023, 21:2908.01.2023, 22:59
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Eine Woche nach dem Ende der Amtszeit des früheren brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro haben radikale Anhänger des rechten Ex-Militärs das Regierungsviertel in der Hauptstadt Brasilia gestürmt. Sie drangen am Sonntag in den Kongress, den Obersten Gerichtshof und den Regierungssitz Palacio do Planalto ein, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Präsident Luiz Inacio Lula da Silva hielt sich zum Zeitpunkt des Angriffs nicht in Brasilia auf.

Die Demonstranten schlugen die Scheiben der Fassade des Kongressgebäudes ein und drangen in die Eingangshalle vor. Auf Videos war zu sehen, wie Menschen im Plenarsaal des Senats auf Tische und Bänke kletterten. Zuvor waren bereits Hunderte Demonstranten auf das Gelände des Parlaments vorgedrungen und auf das Dach des Gebäudes gelangt. Die Polizei setzte Pfefferspray und Blendgranaten ein, konnte die Unterstützer des früheren rechten Staatschefs Bolsonaro aber nicht aufhalten.

Die Szenen im Video:

Video: twitter/davidrkadler, OxfordDiplomat, reporterenato

«Ich verurteile diese antidemokratischen Handlungen, die dringend mit der Härte des Gesetzes geahndet werden müssen», schrieb Senatspräsident Rodrigo Pacheco auf Twitter. «Ich habe mit dem Gouverneur des Bundesdistrikts, Ibaneis Rocha, telefoniert, mit dem ich in ständigem Kontakt stehe. Der Gouverneur teilte mir mit, dass der gesamte Polizeiapparat sich darauf konzentriert, die Situation unter Kontrolle zu bringen.»

Die Szenen erinnerten an die Ausschreitungen am Sitz des US-Kapitol in Washington am 6. Januar 2021. Damals hatten Anhänger von Donald Trump das Kapitol gestürmt, in dem die Wahlniederlage des Republikaners gegen Joe Biden beglaubigt werden sollte. Die Menge drang gewaltsam in das Gebäude ein, fünf Menschen starben.

Nach dem Angriff auf den Kongress zogen Bolsonaro-Anhänger auch zum Obersten Gerichtshof. Sie hätten dort Scheiben eingeworfen und seien in die Lobby vorgedrungen, berichtete das Nachrichtenportal G1. Die Richter hatten während der Amtszeit von Bolsonaro den rechten Staatschef immer wieder in die Schranken gewiesen und werden von seinen Unterstützern deshalb verachtet.

Die Bilder zum Sturm:

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Bolsonaro-Anhänger stürmen Kongressgelände in der Hauptstadt
Anhänger des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro haben den Kongress in der Hauptstadt Brasilia gestürmt.
quelle: keystone / eraldo peres
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Später zog die Menge auch zum Regierungssitz Palacio do Planalto. Männer mit Brasilienflaggen liefen durch Flure und Büros, wie im Fernsehsender TV Globo zu sehen war. Staatschef Luiz Inacio Lula da Silva war zu diesem Zeitpunkt nicht in Brasilia. Er war in die Stadt Araraquara im Bundesstaat São Paulo gereist, um sich über die Folgen der schweren Unwetter in der Region zu informieren.

Die Chefin der regierenden Arbeiterpartei (PT) erhob schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen in Brasilia. «Die Regierung des Bundesbezirks war unverantwortlich angesichts der Invasion in Brasilia und im Nationalkongress», schrieb Gleisi Hoffmann auf Twitter. «Das war ein angekündigtes Verbrechen gegen die Demokratie, gegen den Willen der Wähler und für andere Interessen. Der Gouverneur und sein Sicherheitsminister, ein Anhänger von Bolsonaro, sind für alles verantwortlich, was passiert.»

Brasiliens Präsident Lula verurteilt Sturm auf Regierungsviertel
Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva hat den Angriff von radikalen Anhängern seines Vorgängers Jair Bolsonaro auf Regierungsgebäude in der Hauptstadt Brasília verurteilt. «Alle Vandalen werden gefunden und bestraft», sagte der Staatschef am Sonntag. «Wir werden auch herausfinden, wer sie finanziert hat.» Per Dekret ordnete Lula an, dass die Bundesregierung die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit in Brasilia übernimmt.

Der Sicherheitschef der Hauptstadt Brasilia, Anderson Torres, wurde umgehend entlassen. «Ich habe die Entlassung des Sicherheitsministers des Bundesdistrikts beschlossen und gleichzeitig alle Sicherheitskräfte auf die Strasse geschickt, um die Verantwortlichen festzunehmen und zu bestrafen», schrieb der Gouverneur des Bundesbezirks, Ibaneis Rocha, auf Twitter. «Ich bin in Brasilia, um die Demonstrationen zu beobachten und alle Massnahmen zu ergreifen, um die antidemokratischen Ausschreitungen im Regierungsviertel einzudämmen.»

Protesters, supporters of Brazil's former President Jair Bolsonaro, are confronted by police in riot gear after they stormed the Planalto Palace in Brasilia, Brazil, Sunday, Jan. 8, 2023. Planalt ...
Die Bildern erinnern an den Sturm auf das Kapitol in den USA.Bild: keystone

Der rechte Präsident Bolsonaro war im vergangenen Oktober dem Linkspolitiker Lula in der Stichwahl unterlegen und zum Jahreswechsel aus dem Amt geschieden. Ausdrücklich erkannte er seine Niederlage nie an. Radikale Anhänger des Ex-Militärs hatten bereits nach der Wahl immer wieder gegen Lulas Sieg protestiert und die Streitkräfte des Landes zu einem Militärputsch aufgerufen.

Entgegen den Gepflogenheiten hatte Bolsonaro nicht an der Amtseinführung seines Nachfolgers Lula am Neujahrstag teilgenommen und war mit seiner Familie in die USA geflogen. (rst/sda/dpa)

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70 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Firefly
08.01.2023 20:13registriert April 2016
Diese Rechtspolitiker sind einfach Feinde der Demokratie.
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Varanasi
08.01.2023 20:20registriert August 2017
Rechtsextremismus ist und bleibt die grösste Gefahr für die Demokratie. Hoffe das geht glimpflich aus. Dass es für Lula nicht einfach wird, war von vornherein klar. Hatte nicht Banon zu einem Staatsstreich in Brasilien aufgerufen?
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000005.a2238ea2@apple
08.01.2023 20:21registriert November 2022
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