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Wenn die Hamas-Propaganda auffliegt

epa10915216 A Houthi fighter holds up a Palestinian flag during a military parade in solidarity with Palestinians in the Gaza Strip, in Sana'a, Yemen, 12 October 2023. The top leader of the Houth ...
Welches Video ist authentisch? Welches gefälscht? Die Grenzen verschwimmen zunehmend.Bild: keystone

Wenn die Hamas-Propaganda auffliegt

Eine Fussballparty als Brandbombe und Raketen aus einem Computerspiel – im medialen Kampf ist der Terror-Organisation Hamas jedes Mittel Recht, um Israel zu diskreditieren.
16.10.2023, 14:3431.10.2023, 09:11
Malte Bollmeier / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Nach ihrem Terrorangriff auf Israel versucht die islamistische Hamas mittels Propagandavideos möglichst viel politisches Kapital aus ihren Attacken zu schlagen. Neben echten Videos von israelischen Gegenschlägen verbreitet die Terrororganisation dabei auch diverse Propagandastücke und Fake News im Netz. t-online zeigt einige prägnante Beispiele.

Besonders grosses Aufsehen erregen in Kriegen Bilder von getöteten Zivilisten, vor allem von Kindern. Auf der Plattform X (vormals Twitter) behauptet die Hamas, Israel habe im Gazastreifen mehrere Hundert Kinder ermordet und liefert als Beleg ein entsprechendes Foto – bei dem es sich allerdings um eine Aufnahme aus dem syrischen Bürgerkrieg handelt, die Opfer einer Gasattacke des syrischen Machthabers Baschar al-Assad zeigt.

Die Plattform X dient Propagandisten vermehrt zur Verbreitung ihres Materials, seit Elon Musk als Geschäftsführer einen grossen Teil der Mitarbeiter der Qualitätskontrolle entlassen hat. Da kaum noch jemand die Inhalte kontrolliert, lässt sich nur sehr schwer nachvollziehen, was wahr und was falsch ist.

«Die Propaganda ist Teil der Legitimierungsstrategie»

So berichtet etwa der US-amerikanische Nachrichtensender CNN von einem Video, in dem algerische Fussballfans mit Bengalos feiern, wobei zahlreiche Gebäude und sehr viel Feuer zu sehen ist. Propagandisten der Hamas verdrehen diese Aufnahmen und machen daraus einen israelischen Angriff mit Brandbomben.

Hinweis: An dieser Stelle befand sich ein Verweis auf ein Video, in dem angeblich eine Plastikpuppe als totes Kind ausgegeben wird. Es spricht aber sehr vieles dafür, dass es authentisch ist, wie ein Faktencheck der indischen Non-Profit-Organisation «Alt News» und andere Medienberichte zeigen. Wir haben den Absatz entfernt und bitten für den Fehler um Entschuldigung.

Kerstin Eppert vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung sagte dem Radiosender Deutschlandfunk Kultur, die Propaganda richte sich an verschiedene Adressaten. Zum einen ziele sie auf den inneren Kreis, die eigenen Verbündeten. Zum anderen richte sich die Propaganda nach aussen an den politischen Gegner, wie ausländische Regierungen, aber auch deren Bürger.

«Die Propaganda ist Teil der Legitimierungsstrategie», sagt Eppert. Die Hamas erzähle eine Geschichte mit diesen Bildern und behaupte, sie übe Rache für das Leid der Palästinenser und zeige Stärke.

Auch die Geschichte wird verfälscht

So sind die Aufrufe der Hamas an die Bewohner des Gazastreifens zu verstehen. Sie sollten israelischen Warnungen vor einer Bodenoffensive im Norden des Gebiets keinen Glauben schenken und nicht nach Süden fliehen. Dennoch sind bereits Zehntausende Menschen auf der Flucht.

Die Propaganda befasst sich allerdings nicht nur mit dem Hier und Jetzt, sondern bedient sich auch vermeintlicher historischer Wahrheiten. Eine gefälschte Karte soll zeigen, dass Israel bis 1946 palästinensisches Gebiet gewesen sei. Ein User auf X zeigt anhand verschiedener historischer Karten, warum die Hamas-Darstellung, unten rechts im Bild, falsch ist. Diese falsche Karte kursiert schon seit etlichen Jahren im Netz, 2019 fiel sogar eine finnische Schule darauf herein und nutze sie für ihre Abschlussprüfungen, schreibt die «Jerusalem Post».

Um Stärke und vermeintliche militärische Aktionen und Erfolge auch nach aussen darzustellen, produziert die Hamas bisweilen aufwendigere Videos. In einem Clip zeigt die Terrortruppe, wie sie mit kleinen Fluggeräten in den Häuserkampf übergeht und das Ganze wie einen Actionfilm inszeniert. Das Video erschien bereits direkt nach dem Angriff auf Israel, die Hamas hatte es also schon im Vorhinein gedreht.

Für Szenen mit grossem Kampfgerät nutzen die Islamisten Aufnahmen aus Computerspielen. Szenen aus Militärsimulationen wie «Arma 3» sollen zeigen, wie die Terrororganisation sich erfolgreich gegen die israelische Armee schlägt. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die «Kämpfer» sich doch reichlich ungelenk bewegen und nur aus Pixeln bestehen.

An solchen vergleichsweise leicht zu enttarnenden Fälschungen zeigt sich das Kalkül der Propagandisten. Die Fake News müssen nicht jeden Betrachter und schon gar nicht Experten überzeugen, sondern der breiten Masse der Zuschauer einen ganz allgemeinen Eindruck vermitteln: dass die Hamas im Recht und erfolgreich ist.

Das Problem: Die Mehrheit der Zuschauer schaut die Videos nicht zweimal und hält sie bei einmaliger und oberflächlicher Betrachtung für echt. Die falschen Videos erreichen so Millionen Zuschauer.

Faktenprüfer geraten ins Hintertreffen

Das liegt auch daran, dass die Fake News schier unzählig sind. Professionelle Faktenprüfer von etablierten Medienhäusern können die Falschnachrichten gar nicht so schnell entlarven, wie die Hamas sie nachproduziert. Zudem dürften Nutzer, die hauptsächlich oder ausschliesslich soziale Medien nutzen, die Faktenchecks nur selten zu Gesicht bekommen.

Ironischerweise hat die Hamas auch eigene Faktenchecks im Repertoire. Die Checks sind aber ihrerseits gefälscht. Beispielsweise soll ein Video zeigen, wie Israel ein Massaker an seiner Zivilbevölkerung inszeniert. Tatsächlich zeigt der Clip aber Dreharbeiten eines palästinensischen Kurzfilms namens «Empty Place».

An anderer Stelle bearbeiteten die Terror-Propagandisten ein CNN-Video nach, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Das Video zeigt ein Kamerateam, das bei einer Attacke der Hamas auf Israel zu Boden geht. Im gefälschten Faktencheck tauschte die Hamas die Tonspur des Films aus. Eine Hintergrundstimme kommentiert die Szene nun: «Schaut euch um, als wärt ihr in Gefahr. Versucht nett und verängstigt auszusehen.»

Propaganda wird Bewertung des Krieges beeinflussen

Die Hamas verbreitet aber auch klassischere Propagandastücke im Netz. Sie hat etwa ein Dokument aus dem Weissen Haus gefälscht, in dem es heisst, die USA würden Israel mehrere Milliarden Dollar Hilfe zur Verfügung stellen – eine Lüge, die nicht einmal ansatzweise Bezug zur Realität hat.

Beobachter und Experten halten derlei Dinge bei aller Hysterie aber nicht nur für Begleitgeräusche, sondern für eine gefährliche Dimension des Konflikts. Denn die Propaganda wird massgeblich beeinflussen, wie die Menschen den Krieg und die Taten beider Seiten künftig einordnen und bewerten werden.

Verwendete Quellen:

  • Nachrichtenagenturen AFP und Reuters
  • deutschlandfunkkultur.de: "Wie die Hamas das Internet für Propaganda nutzt"
  • cnn.com: "Fake video of the Israel-Hamas conflict is spreading" (englisch)
  • jpost.com: "Finnish matriculation exam used debunked Palestinian propaganda map" (englisch)
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108 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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mille_plateaux
16.10.2023 15:29registriert Juni 2017
Solche Artikel wären halt auch hilfreicher, wenn statt Karten «basierend auf dem Buch Josua» tatsächlich historische Karten verlinkt würden. Es gibt ja genug fundierte Information da draussen, die die Geschichte des Landstrichs zwischen Mittelmeer und Jordan erhellen.
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Bob Dalyn
16.10.2023 15:41registriert März 2017
Hamas der neue IS. Die Mittel sind die gleichen.
Das Vorgehen gegen diese Terroristen sollte folglich ebenfalls das gleiche sein wie gegen den IS.
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lumpensammlerin
16.10.2023 14:53registriert Mai 2019
Das erste, das im Krieg stirbt, ist die Wahrheit. Heute umso mehr, als dass die Leute das Gefühl haben, sie können sich immer und überall und leider auch auf allen Plattformen korrekt informieren.

Logischerweise bauen alle Seiten die entsprechenden "Informationen" aus und senden Fake-News überall hin. Die Leichtgläubigen erwischt es leider.
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