International
Italien

Meloni kommt mit Albanien-Plan nicht voran

epa11702413 Italian Prime Minister Giorgia Meloni waits to welcome NATO Secretary-General Mark Rutte (not pictured) at the Chigi Palace in Rome, Italy, 05 November 2024. Rutte took office as the North ...
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni droht bei ihren grossen Plänen für Abschiebungen von Mittelmeer-Flüchtlingen ausserhalb der EU das Aus.Bild: keystone

Leere Lager und Musk mischt sich ein – Meloni kommt mit Albanien-Plan nicht voran

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni droht bei ihren grossen Plänen für Abschiebungen von Mittelmeer-Flüchtlingen ausserhalb der EU das Aus. Auf Beschluss eines Gerichts in Rom musste Italien abermals Migranten aus einem eigens gebauten Lager in Albanien aufnehmen.
12.11.2024, 14:21
Mehr «International»

Sieben Männer aus Bangladesch und Ägypten, die bei der Flucht nach Europa gestoppt worden waren, wurden mit einem Schiff der Küstenwache über die Adria in die Hafenstadt Brindisi gebracht. Zuvor hatte die Justiz entschieden, dass eine Internierung der Migranten ausserhalb Italiens nicht rechtens sei.

Für die Pläne der rechten Koalition in Rom bedeutet dies eine neue schwere Niederlage. Meloni war vor zwei Jahren mit dem Versprechen an die Macht gekommen, die irreguläre Migration übers Mittelmeer massiv einzudämmen. Für die Vorsitzende der Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) wiegt der Rückschlag sogar noch schwerer als ein erstes Urteil aus dem vergangenen Monat. Damals durften bereits 16 Männer aus dem Lager in Albanien weiter nach Italien. Die Richter setzten sich nun auch über einen neuen Erlass hinweg, mit dem die Regierung versucht hatte, ihr Vorhaben zu retten.

Teure Lager stehen leer

Bis aufs Personal stehen die zwei neuen Lager im Nicht-EU-Land auf der anderen Seite der Adria nun wieder völlig leer. Unklar ist, ob die teuren Einrichtungen – geschätzte Betriebskosten bis 2029: mehr als 500 Millionen Euro – überhaupt geöffnet bleiben. In anderen europäischen Hauptstädten wird das alles aufmerksam verfolgt: Auch andere Regierungen erwägen, Asylverfahren in Länder ausserhalb der EU zu verlagern. Grossbritannien war unter der früheren konservativen Regierung bereits mit der Idee gescheitert, nach Ruanda auszuweichen. Nun könnte es in Italien ähnlich ausgehen.

Die Entscheidung liegt jetzt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Zuvor wird vermutlich Anfang Dezember Italiens oberstes Gericht, der Kassationsgerichtshof, ein Urteil fällen. Im Kern geht es darum, welche Staaten in Asylverfahren als sogenannte sichere Herkunftsländer eingestuft werden – und wer darüber entscheidet. Gilt nationales Recht oder europäisches Recht? Meloni vertritt die Auffassung, dass die Festlegung von Listen sicherer Herkunftsländer hoheitliche Aufgabe ihrer Regierung sei – nicht der Justiz. Die italienischen Gerichte verweisen bislang auf ein anderslautendes Urteil des EuGH.

Einst hochgelobte Justiz schwer in der Kritik

Aus der Auseinandersetzung hat sich ein heftiger Streit zwischen der Regierung und der Justiz entwickelt. Aus der rechten Dreier-Koalition wird die Justiz – einst wegen ihres Kampfes gegen die Mafia und die Korruption in Italien hoch angesehen – als Handlanger der linken Opposition beschimpft. Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini sagte: «Das ist ein weiteres politisches Urteil – nicht gegen die Regierung, sondern gegen die Italiener und ihre Sicherheit.» Salvini läuft Gefahr, wegen seines rabiaten Umgangs mit Flüchtlingen in früheren Jahren nächsten Monat selbst zu einer Haftstrafe verurteilt zu werden.

epa11663846 The Federal Secretary of Italy's Lega Nord party, Matteo Salvini, arrives at a meeting of Patriots for Europe in Brussels, Belgium, 17 October 2024. Patriots for Europe is the third l ...
Salvini läuft Gefahr, wegen seines rabiaten Umgangs mit Flüchtlingen in früheren Jahren nächsten Monat selbst zu einer Haftstrafe verurteilt zu werden.Bild: keystone

Aussenminister Antonio Tajani von der gemässigteren Partei Forza Italia sagte ebenfalls: «Das sind ein paar Richter, die der Regierung ihre politische Linie aufdrücken wollen.» Allerdings haben über Rom hinaus auch Gerichte in anderen Städten entsprechend geurteilt. Meloni blieb nach der abermaligen Niederlage zunächst auffallend still. Aus dem Regierungssitz, dem Palazzo Chigi, hiess es lediglich: «Für uns hat sich nichts geändert. Wir machen weiter.»

Meloni bekommt Zuspruch von Elon Musk

Unterstützung erhielt Meloni vom milliardenschweren Tech-Unternehmer Elon Musk, der sich nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA zunehmend auch in die europäische Politik einmischt. Auf seiner Plattform X schrieb Musk: «Diese Richter müssen gehen.» Der Tech-Milliardär und die rechte Regierungschefin pflegen enge Kontakte.

Elon Musk speaks at Life Center Church in Harrisburg, Pa., Saturday, Oct. 19, 2024. (Sean Simmers/The Patriot-News via AP)
Unterstützung erhielt Meloni vom milliardenschweren Tech-Unternehmer Elon Musk.Bild: keystone

Die sieben Migranten waren vergangene Woche in einem Boot nahe der Insel Lampedusa gestoppt und dann sorgfältig ausgewählt worden. Insbesondere wurde darauf geachtet, dass es sich ausschliesslich um gesunde, erwachsene Männer aus – nach italienischer Auffassung – sicheren Herkunftsstaaten handelt. All dies waren Bedingungen, damit sie überhaupt nach Albanien gebracht werden konnten. Daraus erklärt sich auch die niedrige Zahl. In Schnellverfahren wurden fünf Anträge bereits abgelehnt, sodass die Männer eigentlich zurückgeschickt werden sollten – was die Justiz aber verhinderte.

Italien gehört zu den Ländern, die von der Fluchtbewegung nach Europa besonders betroffen sind. Trotz eines deutlichen Rückgangs landeten dort auch dieses Jahr bislang wieder mehr als 50'000 Menschen. Nach Melonis Plänen soll in Albanien pro Jahr eigentlich über bis zu 36'000 Asylanträge entschieden werden. Menschenrechtler und Opposition halten das Vorhaben auch für völlig überteuert. Inzwischen prüft der italienische Rechnungshof, ob die Kosten angemessen sind. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
21 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Mat_BL
12.11.2024 15:27registriert April 2019
Und genau das ist der Sinn der Gewaltentrennung! Die Politik kann und darf nicht einfach machen was sie gerade will, sondern hat sich ebenfalls an die geltenden Gesetze zuhalten. Mir ist schon klar, dass das Musk nicht gefällt!
7211
Melden
Zum Kommentar
avatar
D.Enk-Zettel
12.11.2024 18:21registriert Oktober 2021
Musk hier, Musk da...wer zum Teufel glaubt er eigentlich zu sein. Nur weil er Kohle ohne Ende besitzt, hat er noch lange kein Recht sich überall einzumischen. Besser wäre es, er würde sich um seine eigenen Müllhalden kümmern, denn davon scheint er ja auch genügend zu haben.
390
Melden
Zum Kommentar
avatar
Chuchichäschtli
12.11.2024 14:36registriert März 2022
Da Italien den Albanern nun einen überteuerten Hochsicherheitsknast gebaut hat, könnten diese der italienischen Regierung ein paar Lek anbieten um diese leerstehende Fehlinvestition abzukaufen um sie für eigene Zwecke zu benützen.
Italien betreibt Entwicklungshilfe auf dem Balkan während dem die eigene Infrastruktur vor die Hunde geht.
Aber Hauptsache man setzt bei den Postfaschisten Prioritäten.
3413
Melden
Zum Kommentar
21
    Erdbeben erschüttert Inseln vor Sizilien

    Im Mittelmeer sind mehrere italienische Inseln von einem Erdbeben erschüttert worden. Das Beben der Stärke 4,8 war insbesondere auf den beiden kleinen Inseln Alicudi und Filicudi zu spüren, die zu den Liparischen Inseln im Tyrrhenischen Meer vor der Nordküste Siziliens gehören. In verschiedenen Gemeinden liefen Menschen auf die Strasse. Grössere Sachschäden gab es nach ersten Angaben der Behörden keine.

    Zur Story