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Biden erhöht den Druck auf Netanjahu – dieser lässt sich aber nicht beeindrucken

epa09166681 US President Joe Biden addresses a joint session of Congress, with Vice President Kamala Harris and House Speaker Nancy Pelosi (D-Calif.) sitting behind him, at the Capitol in Washington,  ...
US-Präsident Joe Biden während einer Rede im April (Symbolbild).Bild: keystone

Biden erhöht den Druck auf Netanjahu – dieser lässt sich aber nicht beeindrucken

Der amerikanische Präsident sei im Nahostkonflikt zu still, wird kritisiert. Nun hat er sich gemeldet – Netanjahu weist Bidens Aufruf aber zurück.
19.05.2021, 22:2819.05.2021, 22:29
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Was sagt Biden?

Der US-Präsident blieb bislang auffällig ruhig, wenn es um den Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinensern geht. Gestern wich er beispielsweise einer entsprechenden Frage einer Journalistin mit einem martialischen Witz aus. Er könne nicht auf die Frage antworten, ausser «wenn Sie sich vor das Auto stellen, während ich Gas gebe.»

Die Journalisten antworteten mit einem Lachen, die Kritik bleibt aber: Zu still ist es vonseiten des Weissen Hauses, wenn es um den Nahostkonflikt geht. Das hat sich nun geändert.

Angesichts der zugespitzten Lage in Nahost wirkt US-Präsident Joe Biden jetzt stärker auf Israel ein, um die Situation zu deeskalieren. Das Weisse Haus teilte am Mittwoch mit, Biden habe erneut mit Netanjahu telefoniert. Der US-Präsident habe Netanjahu mitgeteilt, dass er noch im Laufe des Tages eine «deutliche Deeskalation (...) auf dem Weg zu einer Waffenruhe» erwarte. Damit änderte Biden seine Tonlage. Zuletzt hatte Biden in einem Gespräch mit dem israelischen Ministerpräsidenten am Montag seine Unterstützung für eine Waffenruhe zum Ausdruck gebracht.

Das Weisse Haus hatte das eigene Vorgehen am Montag gegen Kritik verteidigt und betont, die Regierung sei der Ansicht, mit «stiller intensiver Diplomatie» aktuell am meisten erreichen zu können. Eine Sprecherin der US-Regierungszentrale betonte auch am Mittwoch, man halte dies weiter für den richtigen Ansatz.

So reagiert Netanjahu

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den Aufruf von US-Präsident Biden umgehend zurückgewiesen. «Ich bin entschlossen, diese Operation fortzusetzen, bis ihr Ziel erreicht ist», teilte der Politiker am Mittwoch über Twitter mit.

Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu gestures as he speaks during a briefing to ambassadors to Israel at the Hakirya military base in Tel Aviv, Israel, Wednesday, May 19, 2021. (AP Photo/Sebastia ...
Benjamin Netanjahu.Bild: keystone

Ziel des Militäreinsatzes gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen sei es, den Bürgern Israels Sicherheit und Ruhe zu verschaffen, schrieb Netanjahu auf Twitter. Auf die von Biden geäusserte Erwartung nach Deeskalation ging er nicht direkt ein. Er dankte dem US-Präsidenten lediglich, dass er sich für das Selbstverteidigungsrecht Israels aussprach.

Das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen nimmt indes dramatische Ausmasse an. In dem von israelischen Bombardierungen besonders hart betroffenen Stadtviertel Rimal würden die Bewohner ihre Häuser nur für dringende Besorgungen verlassen, berichtete ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur in Gaza.

Angesichts der ausgebombten Häuser, von denen oft nicht mehr als Schutthalden übrig blieben, und der Leichname, die häufig darunter begraben seien, sei der Tod förmlich zu riechen. Das Summen israelischer Drohnen und die Explosionen israelischer Geschosse würden einer schlaflosen Bevölkerung rund um die Uhr in den Ohren hallen.

Rimal gilt als eines der besser situierten Viertel in dem ansonsten von Armut geprägten Gazastreifen, wo etwas mehr als zwei Millionen Menschen leben. Die israelische Armee begründet die Angriffe auf das Viertel damit, dass dort auch viele hochrangige Hamas-Kommandeure ihre Häuser hätten. Diese würden sie als Kommandozentralen und Waffenlager nutzen. Auch das ausgedehnte Tunnelsystem der Hamas-Kämpfer – die sogenannte «Metro» – erstrecke sich weithin im Untergrund unter Rimal, heisst es.

Kriegsverbrechen wohl auf beiden Seiten

UN-Menschenrechtsexperten sehen Anzeichen für Kriegsverbrechen auf beiden Seiten, die vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag untersucht werden sollten. Sie werfen Israel vor, Raketen und Granaten in dicht besiedelte Gebiete im Gazastreifen zu feuern, während bewaffnete palästinensische Gruppen ähnlich «absichtlich oder rücksichtslos» Raketen auf israelische Stadtgebiete schiessen würden. Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW forderte einen sofortigen Stopp aller militärischen Angriffe.

Seit Beginn einer neuen Eskalation vor neun Tagen haben militante Palästinenser im Gazastreifen nach Armeeangaben mehr als 3700 Raketen auf israelische Ortschaften abgefeuert. Israels Luftwaffe beschoss daraufhin nach Militärangaben rund 1000 Ziele im Gazastreifen.

Das palästinensische Gesundheitsministerium bezifferte die Zahl der Toten mit 219 und die der Verwundeten mit 1530. Nach Angaben der israelischen Armee waren mindestens 160 der Getöteten militante Kämpfer. In Israel starben nach offiziellen Angaben zwölf Menschen durch Beschuss aus dem Gazastreifen, Hunderte erlitten Verletzungen.

(jaw/sda/dpa)

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Die Israel-Palästina-Eskalation im Mai 2021 in Bildern
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Die Israel-Palästina-Eskalation im Mai 2021 in Bildern
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quelle: keystone / mohammed saber
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