Musig im Pflegidach

Kolumbianische Klänge von Hand erzählt

Marta Gómez & Antonio Mazzei @ «Musig im Pflegidach» Muri
bild: marin valentin wolf

Kolumbianische Klänge von Hand erzählt

Marta Gómez übertraf mit Pianist Antonio Mazzei am Sonntagabend im Pflegidach jegliche Erwartungen des Publikums mit der selbst für die Musiker unerwarteten Kreation einer romantischen Atmosphäre.
11.11.2021, 15:08
Melia Casutt
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Der Abend neigt sich dem Ende zu. Die Zuschauer sind berührt von den vorgängig gespielten Liedern der zweifachen Latin Grammy-Gewinnerin. Vor dem letzten Stück greift Marta Gómez zur Gitarre und beginnt sie zu stimmen. Ein erster Akkord erklingt, doch die Musikerin scheint verunsichert. Darauf folgt ein zweiter. Die Stirn in Falten gelegt schaut sie zu Antonio Mazzei, der spielbereit am Flügel sitzt, und sucht konzentriert nach dem richtigen Dreiklang.

Hinweis
Die Autorin ist Schülerin an der Kanti Wohlen. Im Rahmen ihres Deutschunterrichts verfassen die Schüler auch Konzertberichte, die in die Note einfliessen.

Das Publikum schaut gespannt zu. Dann, nach dem darauffolgenden Versuch, beginnt die Sängerin plötzlich laut zu lachen, wirft dabei den Kopf in den Nacken und lässt den Akkord erneut erklingen. Mit einem zufriedenen Schmunzeln und Nicken schaut sie in die Zuschauermenge und fragt, ob das Publikum beim nächsten Lied «Para la guerra nada» mitsingen wolle. Darauf steigt der Pianist harmonisch in die Klänge mit ein und der Raum füllt sich mit den Stimmen eines riesigen Chors aus Zuschauern.

Stimmen über Stimmen

Bereits zu Beginn des Konzertes fasziniert Marta Gómez mit ihrem selbstsicheren Auftreten. Vielsagend ist ihre Kleidung, welche aus einem schwarzen langen Kleid mit einer knallig roten Schürze besteht. Dazu eine ebenfalls rote Kette und den auffallenden Haarschmuck in passender Farbe. Das Klatschen der Zuschauer wird leiser, die Sängerin beim Mikrofon angelangt, in den Händen haltend ein Aufnahmegerät. Stille hat sich im Raum ausgebreitet und alle Blicke sind auf den Apparat gerichtet. Was geschieht nun?

Marta Gómez hebt den Kopf, grinst in die Menge und holt tief Luft. Sie beginnt kurz zu singen, lässt das Aufnahmegerät dann spielen und übersingt es direkt mit einer zweiten, höheren Stimme. Dies wiederholt die gebürtige Kolumbianerin mit vielen Tonlagen, sodass man mit der Zeit ihre Lippenbewegungen nicht mehr mit der aktuellen Stimme identifizieren kann. Das Publikum ist begeistert.

Marta Gómez & Antonio Mazzei – «Por Hoy» @ «Musig im Pflegidach», Muri

Tanzende Hände

Mit einem Einstieg von meist hohen und ruhigen Tönen kreiert Antonio Mazzei eine heimelige Stimmung, die laut Gómez in einem späteren Interview das Publikum den Musikern sehr nahebrachte. Immerzu formt die Komponistin verschiedene Gesten mit ihren Händen. Bei dem Lied «Mira me» breitet sie in der sanften Melodie ihre Arme aus und umarmt sich darauf selbst. Dabei sind die Augen geschlossen, nur der Kopf schwenkt langsam im Rhythmus mit. Auch in den übrigen Stücken lässt die Sängerin keine Gelegenheit aus, um ihre Finger in der Luft taktvoll zu bewegen oder die Hände in Richtung des Zuschauers auszustrecken. Die Musik und die damit verbundene Körpersprache begeistert das Publikum so sehr, dass Einzelne ihr dies nachahmen.

Marta Gómez erzählt ihre spanischen Jazzsongs mit den Händen, denn trotz der Sprachdifferenzen scheint es, als verstünden die Zuschauer, was sie im Lied ausdrücken möchte.

«Alles heute Abend war unerwartet»

Dieses Jahr feiert nicht nur das «Pflegidach» das zwanzigjährige Jubiläum. So lange ist es auch bei Marta Gómez her seit dem Veröffentlichen ihres ersten Albums. Von da an hat sie zwanzig Alben aufgenommen. Die Jazzsängerin hat Antonio Mazzei im Laufe dieser Jahre in Barcelona, ihrem derzeitigen Wohnort, durch gemeinsame Freunde kennengelernt und sich direkt in seine Musik verliebt.

«We are looking for unexplored places in our music» (Wir suchen nach noch nicht entdeckten Orten in unserer Musik), meint der Klavierkünstler und fügt mit Begeisterung hinzu, dass alles an diesem Abend unerwartet und überraschend gewesen sei. Auch das Publikum war beeindruckt von der Leichtigkeit und Qualität der Improvisation. Bei den Soli des Pianisten faltet Gómez oftmals die Hände und legt sie unter den schief zur Seite gelegten Kopf. Sie hört ihm aufmerksam und breitlächelnd zu und summt leise mit. Dann steigt sie mit ihrer kräftigen Stimme und einer perfekten Harmonie in die Akustik mit ein. Die spontane, gegenseitige Anpassung in noch unentdeckte Richtungen machen das Musizieren mit Marta Gómez zu etwas ganz Besonderem, so Antonio Mazzei.

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