Strawinskys «L'Histoire du Soldat» vor 100 Jahren uraufgeführt

Strawinskys «L'Histoire du Soldat» vor 100 Jahren uraufgeführt

28.09.2018, 09:04

Das Kammerspiel «L'Histoire du Soldat» von Igor Strawinsky wird heute 100-jährig. Am 28. September 1918 fand im Stadttheater Lausanne die Uraufführung statt.

Ernest Ansermet dirigierte das Orchester, Charles Ferdinand Ramuz schrieb das Libretto, René Auberjonois schuf die Bühnenbilder und Figurinen. «Im Sog der Arbeit waren die vier zu Freunden, zu Wahlverwandten, zu Brüdern geworden», schreibt der Theaterhistoriker Peter Loeffler in seinem Büchlein «Die Geschichte vom Soldaten» (1994). Die Strahlkraft des Theaterabends habe weit in die Zukunft gewirkt.

Igor Stranwinsky (1882-1971) liess sich 1914, wenige Tag nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, mit seiner Familie in Clarens VD am Genfersee nieder. Er gehörte zu den vielen Exilanten, die damals in die Schweiz kamen. Mit seinem Ballett «L'Oiseau de feu» (1910) hatte sich der russische Komponist einen Namen gemacht. «Le Sacre du Printemps» (1913), sein nächstes Ballett, «bestimmte wie nur wenige andere den Kanon der modernen Musik» (Loeffler).

Huldigung an den Jazz

1917 zog Strawinsky in eine prächtige Villa in Morges VD um und begann mit der Arbeit an seinem Werk «L'Histoire du Soldat». Er entschied sich für eine Kleinform, in der jede Instrumentengruppe - Streicher, Holzbläser, Blechbläser und Schlagzeug - vorkam. Zu den elf Musiknummern, die von sieben Instrumentalisten bestritten werden, kommen nur ein Sprecher und vier Akteure dazu.

Vertreten waren verschiedenste Formen und Arten der Musik. Loeffler: «Der strenge gregorianische Choral schien ihm genauso verlockend wie die blechern gespielte Zirkusnummer, das höfische Menuett so betörend wie der derbe Bauerntanz.» Ein Wiener Walzer erklingt, ein gravitätischer Marsch. Und dem Tanz des Teufels folgt ein feierlicher Choral. Am bekanntesten geworden aber ist der Ragtime, Strawinskys liebevolle Huldigung an den Jazz.

Eng arbeitete Strawinsky mit dem Schweizer Schriftsteller Charles Ferdinand Ramuz (1878-1947) zusammen. Der Komponist und der Autor hatten sich 1915 durch die Vermittlung des Dirigenten Ernest Ansermet (1883-1969) kennengelernt. Strawinsky bezeichnete «L'Histoire du Soldat» immer wieder als Doppelwerk, an dem Ramuz einen grossen Anteil gehabt habe.

Basis des Librettos bildet ein russisches Märchen mit zahlreichen verwobenen Themen und Motiven. Auch die Geschichte von Faust spielt hinein. Aus dieser Figur der russischen Vorlage machte Ramuz einen waadtländischen Mephistofeles, wie Peter Loeffler schreibt.

Im Mittelpunkt der Handlung steht aber, der kriegerischen Zeit entsprechend, ein Soldat. Mit seiner Gegenwart beherrscht er jede Szene, das ganze Stück. Um die Geschichte zusammenzuhalten, erfand Ramuz zudem die Figur des Erzählers. Er ist, so Loeffler, «das Herz der Fabel».

Lesen, spielen, tanzen

Ist «L'Histoire du Soldat» eine Oper, ein Konzert, ein Schauspiel? Strawinsky und Ramuz wussten nur: Sie hatten etwas Neues geschaffen. Ihr Werk nannten sie bewusst mehrdeutig «Die Geschichte vom Soldaten / gelesen / gespielt / getanzt», so die deutsche Übersetzung.

Neben dem Text brauchte Strawinsky einen szenischen Bühnenbildner und entschied sich für den Maler René Auberjonois (1872-1957), der sich mit grosser Begeisterung an der Gestaltung des Werks beteiligte.

Für die Uraufführung in Lausanne konnte schliesslich der Dirigent Ernest Ansermet (1883-1969) gewonnen werden. Oft hat sich Ansermet an diesen Abend von 1918 erinnert, wenn auch zwiespältig. Der Dirigent bedauerte, dass der Zeitdruck zu Hastigkeit geführt habe und damit notwendigerweise zu jener klanglichen Unschärfe, die er als Dirigent vermeiden wollte. «Wir waren gut; wir hätten besser sein können», so sein Fazit gemäss Loeffler.

Beim Publikum und bei der Kritik fand die Uraufführung, die nur dank der Unterstützung des Winterthurer Mäzens Werner Reinhart schon am 28. September 1918 über die Bühne gehen konnte, begeisterte Zustimmung. «L'Histoire du Soldat» hat - so Loeffler abschliessend - «ihre Strahlkraft, als Teil der jüngeren Schweizer Theatergeschichte, bis heute bewahrt.»

Verfasser: Karl Wüst, ch-intercultur (sda)

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