Das Hockey-Fabelwesen an der Ilfis – und warum den Lakers der Gegenpart fehlt
Monatelang hatten wir nicht so recht gewusst, wie wir diese Langnauer einschätzen sollen. Sie dominierten die NLB nach Belieben, standen schon im Oktober praktisch als Qualifikationssieger fest und sind erst im NLB-Final von einem starken Olten erstmals in dieser Saison echt gefordert worden. Aber nach dem Final-Triumph über die famosen Oltner wissen wir endlich, was diese Langnauer sind. Chimären.
Chimären? Dieses Wesen ist nicht etwa mit einer Mähre zu verwechseln. Der im Emmental gebräuchlichen Bezeichnung für eine Stute oder ein weibliches Kaninchen. Eine Chimäre ist ein Fabelwesen aus der griechischen Mythologie. Ein Link zu dieser Mythologie passt ja gut zum anstehenden grossen Drama um Triumph oder Untergang gegen die Lakers.
Die Chimäre ist ein feuerspeiendes Ungeheuer mit dem furchterregenden Kopf eines Löwen und dem zerbrechlichen Hinterleib einer Ziege. Besser könnten wir die Langnauer gar nicht charakterisieren. Vorne ist diese Mannschaft ein feuerspeiendes offensives Ungeheuer. Rollende Angriffe mit vier Linien haben diese Saison in der zweithöchsten Liga jeden Gegner zermürbt. Im siebten NLB-Finalspiel auch noch die tapferen Oltner.
Fast wie das Tika-Taka des FC Barcelona
Diese Hockey-Fabelwesen von der Ilfis mahnen an eine «Lite-Version» der ZSC Lions. Der Schlüssel zu Langnaus Spiel ist der Puckbesitz. Eine Hockey-Variante des Tiki-Taka des FC Barcelona. Dieser Spielstil basiert auf einem hohen Ballbesitzanteil der angreifenden Mannschaft. Dabei befindet sich fast die gesamte Mannschaft fortwährend in Bewegung und lässt den Ball durch ihre Reihen zirkulieren. Genau das tun die Langnauer mit dem Puck und dominieren so den Gegner.
Gesteuert wird dieses Spiel nicht von Lionel Messi, sondern vom grossen Steuermann Kevin Hecquefeuille. So wie erst die Bassgeige Struktur in die Örgelimusik bringt, so strukturiert der Franzose das Offensivspektakel. Mit einem Passspiel, das in seiner Genauigkeit an einen Landvermesser aus Hans Grunders Büro gemahnt.
Selbst mit grösster taktischer Klugheit und Disziplin und hartem Einsteigen war es den tapferen Oltnern nicht möglich, die Emmentaler in einem hochstehenden letzten Finalspiel aufzuhalten und den feuerköpfigen Leitwolf Chris DiDomenico zu neutralisieren und zu provozieren. Der Kanadier fädelte das 1:0 ein und zog fortan immer wieder so viele Gegner auf sich, dass der von hinten aufrückende Spielgestalter Kevin Hecquefeuille gleich dreimal ins Netz traf.
Seine erste Strafe kassierte Langnaus Topskorer erst im Schlussdrittel. Als beim Stande von 5:2 alles schon entschieden war. Wahrlich, diese feuerspeiende Offensive müssen auch die Lakers in der Liga-Qualifikation fürchten. Lakers, hütet euch an der Ilfis!
Hält Torhüter Ciaccio dem Druck stand?
Aber eben: Es gibt auch Schwächen. Michel Zeiter, Vize-Bandengeneral bei den Lakers, wohnte dem finalen Schauspiel als Beobachter bei. Eine seiner Schlussfolgerungen: «Hinten sind die Langnauer verwundbar.» Man werde deshalb am Donnerstag wohl mit zwei ausländischen Stürmern antreten. «Es wäre ein Fehlentscheid, als A-Klub zu Hause gegen Langnau hinten reinzustehen.» Ein vorwitziger Zaungast konterte diese Analyse mit der Feststellung, die defensive Verwundbarkeit treffe wohl auch auf die Lakers zu – und Zeiter mochte nicht widersprechen.
Aber wo der ehemalige ZSC-Kultstürmer Recht hat, da hat er Recht. Die grosse Schwäche der Langnauer ist die Defensive. Das feuerspeiende offensive Löwenhaupt hat nur den defensiven Leib einer mageren Ziege. Eher schwach auf den Beinen und beim Verteidigen des Tores existenziell auf die Mithilfe der Stürmer angewiesen.
Und der unkonventionelle Torhüter-Stilist Damiano Ciaccio kann zwar die unmöglichsten Dinger halten. Aber er ist nicht gegen haltbare Treffer gefeit. Immerhin hat er im siebten Spiel unter maximalem Erwartungsdruck nicht versagt. Vielleicht doch ein Hinweis, dass er mental robust genug ist, um die Langnauer in die NLA zu bringen.
Zeiters Respekt ist gross
Und dann ist ja auch noch die kurze Zündschnur von Chris DiDomenico. Frage deshalb an Michel Zeiter: Welcher Spieler der Lakers wird am Donnerstag den Auftrag haben, den Kanadier zu provozieren? Seine Antwort, kurz und bündig. «Alle.»
Die Frage ist allerdings: Werden wir am Donnerstag zum Auftakt in der Diners Club Arena böse, einschüchternde oder eher verzweifelte Lakers sehen? Michel Zeiter ist sich seiner Sache nicht ganz sicher. Er sagt: «Wir müssen viel disziplinierter spielen als in den Playouts gegen Ambri.» Es dürfe nicht mehr vorkommen, dass einer so ausraste wie Nicklas Danielsson im letzten Spiel. Er lasse auch keine Kritik an den Schiedsrichtern gelten. «Es mag sein, dass dieses oder jenes Foul von Ambri nicht gepfiffen worden ist. Aber alle Strafen gegen uns waren korrekt. Wir sind selber schuld.»
Michel Zeiter ist nach seiner Entlassung als Cheftrainer in Visp am 9. Dezember 2013 bei den Lakers Assistent von Anders Eldebrink geworden. Er kennt die NLB bestens und ahnt, dass es schwierig wird. «Als NLA-Team sind wir schneller und robuster. Aber das Niveau dieses NLB-Finals war gut und die NLB-Spitzenteams spielen inzwischen mit einer höheren Intensität als noch vor zwei, drei Jahren.»
Lahme Gäule statt Pegasus bei den Lakers
Eine wichtige Frage auch: Gelingt es den Langauern bis zur ersten Partie am Donnerstag in Rapperswil-Jona wieder «nachzuladen»? Die Spannung wieder aufzubauen? Der NLB-Titel ist ein grosser Triumph und doch nur ein Etappenziel auf dem Weg zurück in die höchste Liga. Sandro Moggi sagt, das sei möglich: «Wir sind uns bewusst, dass es weitergeht und haben uns auf diese Situation eingestellt. Wir gönnen uns nicht mehr als eine halbe Stunde zum Feiern und dann beginnt bereits die Konzentration auf das Spiel am Donnerstag.»
Wenn wir schon die Langnauer mit dem Fabelwesen Chimäre vergleichen, so wollen wir doch nachsehen, ob wir in der griechischen Sagenwelt auch die Antwort auf die Frage finden, wie die Chimäre besiegt werden kann.
Es ist nur möglich, die Chimäre mit Hilfe des fliegenden Pferdes Pegasus zu besiegen. Also ist es hilfreich, die Kaderliste der Lakers hervorzukramen und nachzusehen, ob wir darauf einen Flügel oder Center finden, der uns spontan an ein fliegendes Pferd denken lässt. Aber die Schweizer Stürmer mahnen irgendwie eher an, na ja, lahme Gäule.
