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Vor fünf Jahren scheiterte YB erst in der Finalissima – das wurde aus den Fast-Meistern

Täglich grüsst das Murmeltier: YB am Boden zerstört, Basel feiert.
Täglich grüsst das Murmeltier: YB am Boden zerstört, Basel feiert.Bild: KEYSTONE

Vor fünf Jahren scheiterte YB erst in der Finalissima – das wurde aus den Fast-Meistern

In einer losen Sommerserie blickt watson zurück auf legendäre Schweizer Fussball-Mannschaften der jüngeren Vergangenheit. Heute: Die Berner Young Boys, welche den ersten Meistertitel seit 1986 erst im Endspurt verpassten.
27.07.2015, 16:1928.07.2015, 09:58
Ralf Meile
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Das Spiel

In der zweitletzten Super-League-Runde der Saison 2009/10 geht Leader YB in Luzern mit 1:5 unter, während der FC Basel gegen Xamax 3:0 siegt und die Berner von Platz 1 verdrängt. Dennoch kann YB in der letzten Runde noch Meister werden: Es muss dazu «nur» das letzte Spiel der Saison zuhause gegen den FCB gewinnen.

Doch aus dem schönen Traum von einer gelb-schwarzen Meisterfeier wird nichts. Zu abgeklärt tritt der FC Basel auf. Valentin Stocker bringt sein Team kurz vor der Pause mit einer artistischen Direktabnahme in Führung, Scott Chipperfield legt nach einer Stunde per Kopf nach. Beim 0:2 bleibt's, YB muss sich mit der Vizemeisterschaft begnügen.

Die Zusammenfassung der Finalissima.YouTube/wankdorf1898

Die Aufstellung

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Die Wege der Spieler

Marco Wölfli (heute 32)

Der Goalie war die ewige Nummer 1 bei YB und ist immer noch beim Klub – aber nur noch als Ersatztorhüter. 2013 setzt ihn Trainer Uli Forte als Captain ab, wenige Monate später reisst Wölflis Achillessehne. Anstatt mit der Nationalmannschaft an die WM in Brasilien zu reisen, schuftet er für ein Comeback, das es nicht gibt. Denn während der Absenz spielt sein 20-jähriger Ersatz Yvon Mvogo so gut, dass Forte ihn zum neuen Stammgoalie bestimmt.

Wölfli hadert nicht, lehnt Angebote anderer Klubs ab und bleibt in Bern. Er erhält einige Einsätze, darunter ist auch das peinliche 0:1 im Cup gegen Buochs aus der 2. Liga Interregional. Marco Wölfli hat bei YB noch einen Vertrag bis 2019 – der Grenchner darf also noch ein Weilchen davon träumen, mit YB vielleicht doch noch einen Titel zu gewinnen.

Wölfli nach der Finalissima: Das Warten auf einen Titel hält an.
Wölfli nach der Finalissima: Das Warten auf einen Titel hält an.Bild: KEYSTONE

Emiliano Dudar (33)

Die Karriere des Argentiniers gerät wenige Monate nach der Finalissima nach einem Unfall ins Stocken. Er prallt – bei einem erneuten Vergleich mit dem FC Basel – mit Mitspieler François Affolter zusammen und verletzt sich so schwer am Kopf, dass er in ein künstliches Koma versetzt wird.

Zwar kann er fünf Monate später sein Comeback geben, doch an alte Leistungen kann er nie mehr ganz anknüpfen. Eine Wechsel-Odyssee beginnt: Dudar spielt bei DC United, geht zum FC Chiasso und kehrt als Sion-Spieler in die Super League zurück. Dort wird er allerdings nie eingesetzt, nach einem halben Jahr löst er seinen Vertrag im Wallis anfangs 2014 auf und kehrt nach Argentinien zurück. Dort spielt er mittlerweile in der dritten Liga beim Club Deportivo Merlo.

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Der Unfall von YB-Spieler Emiliano Dudar
Dudar stösst mit Teamkollege Affolter zusammen.
quelle: keystone / peter klaunzer
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Scott Sutter (29)

Die grosse Karriere, die ihm viele vorhergesagt haben und von der er selber selbstredlich träumte, erlebt der Verteidiger nicht. Im Sommer 2010, kurz nach der Finalissima, darf er zwei Länderspiele bestreiten – für die Schweiz. Für sie spielte Scott Sutter schon im Nachwuchs, doch als 20-Jähriger gibt der Doppelbürger bekannt, künftig für England spielen zu wollen …

Sutter wird 2012 an den FC Zürich ausgeliehen, wo er aber nur ein halbes Jahr bleibt. Seither verteidigt Scott Sutter wieder für die Young Boys.

Sutter im Zweikampf mit Stocker, der in der Finalissima die Führung für den FCB erzielt.
Sutter im Zweikampf mit Stocker, der in der Finalissima die Führung für den FCB erzielt.Bild: KEYSTONE

François Affolter (24)

Der Bieler gilt als riesiges Versprechen für die Zukunft. Er mausert sich in Bern zur festen Grösse und wird auch fürs Ausland interessant. Anfangs 2014 leiht Werder Bremen Affolter aus, in der Bundesliga gelangt er gleich zu 13 Einsätzen in der Innenverteidigung. Doch als zu Beginn der folgenden Saison verletzte Konkurrenten wieder fit sind, hat es keinen Platz mehr für den Schweizer, er wird in den Nachwuchs abgeschoben und Ende Jahr wieder an YB zurückgegeben.

Auf dem – frühen, ersten oder einzigen? – Höhepunkt seiner Karriere gelangt François Affolter auch zu fünf Länderspieleinsätzen. Doch die vielleicht zu grossen Hoffnungen, die in ihn gesetzt wurden, kann er nicht erfüllen. Nach exakt 100 Spielen für YB wechselt er 2014 zum FC Luzern.

Luftduell zwischen Affolter und Basels Jacques Zoua.
Luftduell zwischen Affolter und Basels Jacques Zoua.Bild: KEYSTONE

Marc Schneider (35)

Der Abwehrspieler, zuvor schon Meister mit dem FC Zürich, stösst 2008 vom FC St.Gallen zu YB. In der Hauptstadt erhält Schneider jedoch nicht die Einsatzzeiten, die er sich erwünscht. So wechselt er schliesslich im Sommer 2010 zum FC Thun, seinem Heimatklub. 2012 beendet er seine Karriere, heute ist er im Berner Oberland Assistenztrainer.

Schneider: Fleissig, aber eher selten im Fokus.
Schneider: Fleissig, aber eher selten im Fokus.Bild: KEYSTONE

Thierry Doubaï (27)

Der Ivorer etabliert sich als junger Spieler rasch im defensiven Mittelfeld von YB, der Wechsel ins Ausland ist die logische Folge. 2011 unterschreibt Doubaï einen Fünfjahresvertrag bei Udinese. Dort gelangt er aber bloss ein einziges Mal zum Einsatz, er wird nach Frankreich zu Sochaux ausgeliehen – und kehrt 2014 in die Schweiz zurück. Beim FC Luzern ist er seither eine unbestrittene Stammkraft.

Arbeiter Doubaï setzt sich gegen den Grasshopper Cabanas durch.
Arbeiter Doubaï setzt sich gegen den Grasshopper Cabanas durch.Bild: KEYSTONE

David Degen (32)

Zu YB stösst die eine Hälfte der berüchtigten Degen-Zwillinge 2008. Voran ging ein Bundesliga-Engagement, das bei Mönchengladbach aber mit der Verbannung zu den Amateuren endet. Bei den Young Boys kann der Flügel jedoch wieder an seine guten Leistungen zuvor bei Basel anknüpfen.

Im Sommer 2014 hat David Degen dann genug vom Profifussball: Nach einer bewegten Karriere erklärt er im Alter von erst 31 Jahren seinen Rücktritt. Ausgebrannt war er, hatte keine Lust mehr aufs Spielen. Auch weil er zuletzt beim FC Basel kaum mehr spielen durfte.

Seither ist David Degen als Geschäftsmann tätig. Erst kürzlich hat der 17-fache Nationalspieler das Portal «Goalgetter TV» lanciert, das eine Mischung aus YouTube und Instagram sein soll. Wer die App hat, soll Einblicke ins Fussballgeschäft erhalten, die andere nicht haben.

Adios: Degen hat sich vom Rasen zurückgezogen.
Adios: Degen hat sich vom Rasen zurückgezogen.Bild: KEYSTONE

Xavier Hochstrasser (27)

Gewissermassen ein «Zwilling» von François Affolter: Früh hoch gelobt, aber die Erwartungen nie wirklich erfüllt. Der Genfer spielt im YB-Mittelfeld stark und wechselt 2011 als 23-Jähriger zu Padova. Aber in der Serie B kommt er nur zu wenigen Einsätzen, so ist Hochstrasser rasch zurück in der Schweiz.

Der ehemalige Junioren-Internationale geht zu Luzern, wo er im Sommer 2014 nicht mehr erwünscht ist. Also wechselt Hochstrasser zurück an den Genfersee, zu Lausanne. Dort bleibt er nur eine Saison – seit diesem Sommer ist der Challenge-League-Klub Le Mont sein Arbeitgeber.

Kurz vor der Finalissima: Hochstrasser feiert seinen Treffer beim YB-Sieg in Zürich.
Kurz vor der Finalissima: Hochstrasser feiert seinen Treffer beim YB-Sieg in Zürich.Bild: KEYSTONE

Alberto Regazzoni (32)

Es ist eine merkwürdige Karriere, die der Offensivspieler erlebt hat. Und man wird das Gefühl nicht los, dass mehr drin gelegen wäre als der Cupsieg mit Sion 2006, wenn dem Tessiner nicht sein aufbrausendes Temperament zu oft in die Quere gekommen wäre.

In der Saison 2009/10, in der YB erst in der Finalissima scheitert, gehört Regazzoni zu den Stammspielern im offensiven 3-4-3-System. Doch in der folgenden Saison wird er nicht mehr so oft eingesetzt, also wechselt er in der Winterpause zum FC St.Gallen. Er steigt ab, mit den Ostschweizern umgehend wieder auf und kehrt anfangs 2013 zum FC Sion zurück. Sein zweites Gastspiel im Wallis endet ein Jahr später, seit Anfang 2014 geht der dreifache Nationalspieler für den FC Chiasso auf Torejagd.

Regazzoni muss sich gegen Safari wehren.
Regazzoni muss sich gegen Safari wehren.Bild: KEYSTONE

Seydou Doumbia (27)

Kein YB-Fan, der nicht feuchte Augen kriegt, wenn er den Namen des Wunderstürmers hört. Was waren das für zwei Jahre mit «Doumbia, my Lord»! Der Ivorer stösst 2008 aus Japan kommend zu den Bernern. Obwohl er in seiner ersten Saison meist nur Joker ist, wird er mit 20 Treffern Torschützenkönig und zum «Spieler der Saison» gewählt. Diese beiden individuellen Titel erhält der Stürmer auch 2009/10, in der er sogar 30 Tore erzielt. Doumbia trifft nach Belieben und es ist klar, dass einer mit dieser Bilanz nicht zu halten ist. 

Schliesslich macht ZSKA Moskau das Rennen. Viereinhalb Jahre lang schiesst Doumbia auch dort Tore am Fliessband, spielt Champions League, wird Liga-Topskorer und auch in Russland zum «Fussballer des Jahres» gewählt. Seit Beginn dieses Jahres stürmt Seydou Doumbia für einen dritten Hauptstadtklub, für die AS Roma. Dort hat der Angreifer mit einem Marktwert von 15 Millionen Euro einen Vertrag bis 2019.

Doumbia heute: Ein Topstar der AS Roma.
Doumbia heute: Ein Topstar der AS Roma.Bild: Andrea Staccioli/freshfocus

Henri Bienvenu (27)

Die YB-Bilanz des Wandervogels ist nicht schlecht: 21 Tore in 55 Spielen, eineinhalb Jahre lang ist Bienvenu in Bern. Im Herbst 2011 sagt er «au revoir» und unterschreibt bei Fenerbahce, vier Millionen Euro soll YB erhalten haben. In Istanbul spielt er zunächst überzeugend und oft, danach immer weniger.

Bienvenu wird an Real Saragossa ausgeliehen, kehrt 2013 in die Türkei zurück, ist bei Eskisehirspor aber nicht mehr so treffsicher wie einst. Seit dem Herbst 2014 stürmt er nun für Troyes in Frankreichs zweithöchster Liga.

Bienvenu dreht ab, um ein Tor gegen den FCZ zu bejubeln.
Bienvenu dreht ab, um ein Tor gegen den FCZ zu bejubeln.Bild: KEYSTONE

Der Trainer

Vladimir Petkovic (51)

Unter dem ehemaligen Profifussballer und Sozialarbeiter ist YB so erfolgreich wie lange nicht mehr: Zwei Vizemeisterschaften und eine Cupfinalteilnahme. Das bedeutet aber auch: Keine Titel. Und deshalb wird Vladimir Petkovic im Mai 2008 entlassen.

Ein sieben Monate langer Abstecher zu Samsunspor in die Türkei darf als eher misslungen bezeichnet werden, anschliessend rettet Petkovic als Feuerwehrmann den FC Sion vor dem Abstieg in die Challenge League. Im Sommer 2012 unterschreibt er einen Vertrag als Trainer von Lazio Rom – und holt gleich in der ersten Saison den italienischen Cup. Als er sich anfangs 2014 entscheidet, bei der Schweizer Nati Nachfolger von Ottmar Hitzfeld zu werden, entlässt ihn Lazio.

Petkovic liess offensiv spielen und führte YB nahe an einen Pokal.
Petkovic liess offensiv spielen und führte YB nahe an einen Pokal.Bild: KEYSTONE

Die Torschützenkönige in der Schweiz seit 1990

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Die Torschützenkönige in der Schweiz seit 1990
1989/90: Ivan Zamorano, FC St.Gallen, 23 Tore.
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ZSC-Verteidiger Yannick Weber selbstkritisch: «So wirst du definitiv nicht Meister»
Die ZSC Lions schaffen es nicht, dem Playoff-Final gegen Lausanne als Favorit den Stempel aufzudrücken. Nach der 2:5-Auswärtsniederlage am Dienstag zeigen sich die Spieler selbstkritisch und suchen nach Erklärungen.

Noch liegen die Vorteile bei den ZSC Lions. Sie können Meister werden, wenn sie zuhause ungeschlagen bleiben, haben drei Spiele weniger in den Beinen als die Lausanner und verfügen objektiv über das bessere und breitere Kader. Der blasse Auftritt am Dienstagabend in Lausanne, der bisher schlechteste in den laufenden Playoffs, lässt aber Fragen offen. Während Coach Marc Crawford die Niederlage schönredet, sprechen die Spieler Klartext.

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