
Tobias Kuster ist auf der Flucht.
bild: kantonspolizei zürich
Im Seefeld in Zürich ist am 30. Juni ein 42-jähriger Mann auf offener Strasse umgebracht worden. Am selben Tag nahm die Polizei einen Verdächtigen fest. Sie geht aber davon aus, dass Tobias Kuster, der an diesem Tag in Hafturlaub war, auch etwas mit der Tat zu tun hat.
04.07.2016, 15:5604.07.2016, 18:15
Die Polizei sucht noch immer nach dem 23-jährigen Tobias Kuster. Der Mann wird verdächtigt, am Tötungsdelikt, das letzten Donnerstag im Zürcher Seefeld begangen wurde, beteiligt gewesen zu sein. Am Montagnachmittag haben die Behörden zum Fall kurzfristig eine Medienkonferenz einberufen. Sie blieben einige Antworten schuldig.

Jacqueline Fehr von der SP.
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Man dürfe nicht auf die Lockerungen im Strafvollzug bei endlichen Strafen verzichten, sagte die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP). Zusammen mit Verantwortlichen des Amtes für Justizvollzugs informierte sie über den Fall des nicht mehr in die Strafanstalt Pöschwies zurückgekehrten Häftlings Tobias Kuster. «Wir müssen bei Menschen, die keine lebenslange Strafe absitzen, an diesen Lockerungen festhalten», sagte Fehr. «Auch wenn wir wissen, dass wir damit ein Risiko eingehen - es ist ein deutlich kleineres, als wenn man jemanden ohne Vorbereitung auf das Leben in Freiheit frei lässt.» Eine der wichtigsten Aufgaben des Justizvollzugs sei es, Häftlinge auf ein deliktfreies Leben in Freiheit vorzubereiten, sagte Fehr.
«Rückblickend müssen wir nun aber feststellen, dass wir mit der Einschätzung falsch lagen.»
Thomas Manhart, Leiter Amt für Justizvollzug Zürich
Pro Jahr werden im Kanton Zürich rund 500 Personen aus dem Strafvollzug in die Freiheit entlassen, pro Tag sind dies zwei bis drei Entlassungen. Der Häftling habe alle Voraussetzungen für einen unbegleiteten Urlaub erfüllt, sagte der Leiter des Zürcher Amtes für Justizvollzug, Thomas Manhart. Als man ihm diesen gewährt habe, sei man weder von Flucht- noch von einer anderen Gefahr ausgegangen. Der Mann habe auch schon mehrere begleitete Urlaube vertrauensvoll absolviert.

Thomas Manhart.
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Rückblickend müssen wir nun aber feststellen, dass wir mit der Einschätzung falsch lagen», sagte Manhart.
Kuster hat sich mehr als eine Woche nicht gemeldet
Der 23-Jährige Kuster war am Donnerstag, 23. Juni, nicht wie vereinbart aus seinem ersten unbegleiteten, eintägigen Hafturlaub in die Justizvollzugsanstalt Pöschwies zurückgekehrt. Er wird verdächtigt, am Tötungsdelikt im Zürcher Seefeld vom 30. Juni beteiligt gewesen zu sein. Nachdem Ermittlungen der Polizei am Tatort einen dringenden Tatverdacht ergeben hatten, wurde er öffentlich zur Fahndung ausgeschrieben. «Vorher hatten wir keinen Anlass zu glauben, dass von dem Mann eine Gefährlichkeit ausgehe», sagte Manhart.
Ein 25-Jähriger, der ebenfalls mit dem Tötungsdelikt in Zusammenhang steht, befindet sich seit Donnerstag in Untersuchungshaft. In welcher Beziehung er und Kuster zueinander stehen, wollte der zuständige Staatsanwalt, Adrian Kägi, vor den Medien nicht sagen. Auch bezüglich Hintergrund der Tat, Tatablauf und Motiv ist noch nichts bekannt.
Kuster befahl Opfer, Grab zu schaufeln
Kuster wurde ursprünglich zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt; wegen Freiheitsberaubung, versuchter räuberischer Erpressung, Diebstahl, Hausfriedensbruch, Wiederhandlung gegen das Waffengesetz, Drogendelikten und vielem mehr.
Der Hauptvorwurf an ihn ist, dass er als Boss einer Bande mit vier Komplizen die Entführung eines Dealers einfädelte. Sie wollten ihm Geld abknüpfen und zerrten ihn in einen Wald in Winterthur. Unter anderem befahlen sie ihm, mit einem Spaten sein eigenes Grab zu schaufeln. Sie liessen ihn gefesselt zurück mit der Drohung, bei Nichtbezahlung würde das Spiel weitergehen. (feb/sda).
Hier kannst du den Ticker zur Medienkonferenz nachlesen:
«Jeder solche Fall ist ein Fall zu viel», sagt Manhart, bevor Fehr noch einmal zusammenfasst. Sie erwähnt, es gebe keine Hinweise für Fehler des Systems. 98,5 Prozent sei die Quote bei den Hafturlauben. Das bedeutet, nur in 1.5 Prozent der Fälle kommt es zu Ungereimtheiten. Darunter gehen bereits Verspätungen ab 5 Minuten. Damit ist die Pressekonferenz beendet.

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Manhart wird gefragt, ob es nun Sofortmassnahmen gebe was die Hafturlaube betreffe, ob es Änderungen gebe. «Wir werden alles ganz genau anschauen», sagt Manhart. Erst danach könne er mehr sagen.
Ob die Tat im Seefeld eine Abrechnung oder eine «Zufallstat» war, kann und will Kaegi nicht sagen.
Was für eine Waffe die Tatwaffe ist und wo man sie vermutet, können die Verantwortlichen nicht sagen.
Zurück zur Tat im Seefeld. Staatsanwalt Kaegi sagt, es gebe viele Hinweise. Zum Motiv will er nichts sagen, auch nicht zu den möglichen Beziehungen zwischen dem Festgenommenen und Kuster. Genau dies aufzuschlüsseln sei jetzt die Arbeit der Spezialisten.
Kuster hat sich während dem Urlaub lange nicht gemeldet. Weshalb? Immerhin ist er ein Täter mit einem langen Strafen-Katalog. Manhart sagt, genau das werde nun abgeklärt. Er könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, ob ein Fehler gemacht wurde.
Staatsanwalt Kaegi kann aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen, wie Kuster in das Seefeld-Tötungsdelikt verstrickt ist. Auch nicht, ob es eine Verbindung zum Opfer oder zum Verhafteten gibt.

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Nun steht die Frage im Raum, warum man nicht früher eine öffentliche Fahndung machte. Fehr und Manhart sagen, vor dem Urlaub sei man nicht davon ausgegangen, dass Kuster gefährlich sei. Mit dem Zusammenhang zur Tat im Seefeld habe sich dann alles geändert und man ging an die Öffentlichkeit. Ob man dies mache oder nicht sei auch immer eine Frage der Verhältnismässigkeit.
Die Behörden gingen davon aus, dass Kuster nicht gefährlich ist und dass keine Fluchtgefahr bestanden habe. Deshalb wartet man auch zu mit einer öffentlichen Fahndung.
Kuster wurde Urlaub gewährt wegen guter Führung. Er war aber kein Engel während der Haft. Manhart räumt ein, dass er einmal Cannabis konsumierte, in einem anderen Fall war er im Gefängnis in ein Handgemenge verwickelt.

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Thomas Manhart, Chef des Amtes für Justizvollzug
Manhart, Chef des Amtes für Justizvollzug, wird gefragt, wie oft es vorkomme, dass Häftlinge nicht zurückkehren aus dem Urlaub. «Sehr selten», sagt dieser. In den letzten Jahren sei dies nicht vorgekommen. Es gebe jedoch immer wieder Verspätungen.
Fehr betont, das jetzige System funktioniere. Aber: «Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.»

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Jetzt spricht wieder Fehr. Sie sagt erneut, erste Priorität habe die Sicherheit Bevölkerung. Sie wolle aber von ihren Fachleute detailliert wissen, wie sie vorgegangen seien und ob man Lehren daraus ziehen kann.
Am 22. April 2016 kam es zu einem ersten begleiteten Urlaub. Im Juni gab es ein erster unbegleiteter Urlaub für Kuster. Am Donnerstag dann kam er nicht zurück.
Was muss gegeben sein, damit ein Gefangener Urlaub bekommt? Manhart: Keine Hinweise für konkrete Fluchtgefahr. Soziale Bindungen. Gute Führung. Bekannte und Verwandte in der Schweiz. Diese und weitere Punkte habe Kuster erfüllt. Der Vollzugsverlauf sei gut gewesen.
Manhart weisst darauf hin, dass es wichtig sei, Häftlinge stufenweise auf die Freiheit vorzubereiten. Dies habe sich bewährt.
Thomas Manhart zählt all die Delikte auf, für welche Kuster verurteilt wurde. Es sind viele und schwere Delikte. Seit August 2014 habe sich Kuster im vorzeitigen Strafvollzug befunden.
Jetzt redet Jacqueline Fehr. Sie spricht über Gefangene. Dass es die Hauptaufgabe des Justizvollzuges sei, Häftlinge auf die Freiheit vorzubereiten. Dass im Jahr rund 500 Gefangene in die Freiheit entlassen werden.

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Kaegi führt aus, dass er nicht zu viele Details verrate, da man dem Flüchtigen nicht in die Karten spielen wolle.
Kaegi erwähnt, dass Kuster etwas mit dem Tötungsdelikt vom Seefeld zu tun hat. Er sei weiter auf der Flucht. Die Fahndung laufe auf Hochtouren.

Kaegi erklärt erneut die Tat vom Seefeld. Der Mann, der über die Gleise flüchten konnte und festgenommen wurde, sei dringend tatverdächtig.

Kaegi nimmt schon vorweg, dass es keine grossen Neuigkeiten seit der letzten Mitteilung am Samstag gibt.
Fehr stellt weitere anwesende Personen vor. Es sind dies Frank Urbaniok, Andreas Naegeli und Hans-Jürg Patzen.
Fehr spricht den Angehörigen ihr Beileid aus. Dann sagt sie, die Sicherheit der Bevölkerung sei das Wichtigste.
Fehr eröffnet zu dieser kurzfristig einberufenen Konferenz. Sie spricht von einer schwierigen Situation. Und dass ihre Gedanken beim Opfer der schweren Straftat sind.
Pünktlich betreten Fehr, Manhart und Kaegi den Saal.

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Alles ist bereit für die Pressekonferenz. Der Raum ist voll. Das Interesse gross.

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Regierungsrätin Jacqueline Fehr, Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern, der verfahrensleitende Staatsanwalt Adrian Kaegi und der Chef des Amtes für Justizvollzug, Thomas Manhart, beantworten heute an einem Point de Presse Fragen rund um den Fall Seefeld.

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