Wirtschaft

Starker Dollar, schwache Welt-Wirtschaft: Das Gespenst der Deflation ist zurück

Kupfermine in Indonesien. Fallende Kupferpreise setzen vor allem den Schwellenländern zu.
Kupfermine in Indonesien. Fallende Kupferpreise setzen vor allem den Schwellenländern zu.
Bild: ANTARA FOTO/REUTERS

Starker Dollar, schwache Welt-Wirtschaft: Das Gespenst der Deflation ist zurück

2007/2008 brachte die amerikanische Immobilienkrise die Weltwirtschaft ins Wanken, 2011/2012 war es die Eurokrise. Stürzen uns jetzt China, Brasilien & Co. in die Krise?
06.10.2015, 07:0406.10.2015, 07:43
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Am kommenden Wochenende trifft sich die Elite der Weltwirtschaft in der peruanischen Hauptstadt Lima zum Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. Es wird keine fröhliche Party werden. IWF-Direktorin Christine Lagarde hat bereits im Vorfeld erklärt, das Wachstum der Weltwirtschaft sei «enttäuschend und ungleichmässig». Gleichzeitig haben sich die Ungleichgewichte massiv verstärkt.

Auch 2015 wird deshalb ein Wirtschaftsjahr werden, das erfolgsversprechend begonnen hat und in Tränen endet. Diesmal sind die Schwellenländer die Spielverderber. Die sogenannten Brics-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) sind mittlerweile ein wichtiger Player auf der globalen Bühne geworden, doch mit Ausnahme von Indien leiden sie alle unter einer akuten Formschwäche.

Warnt vor Ungleichgewichten: IWF-Direktorin Christine Lagarde.
Warnt vor Ungleichgewichten: IWF-Direktorin Christine Lagarde.
Bild: X02858

Chinas Rohstoff-Hunger ist gestillt

Grund dafür ist primär das Ende des sogenannten Superzyklus bei den Rohstoffen. Ob Erdöl, Kupfer oder Kohle, alle Preise sind im Keller. Die Folgen für die Schwellenländer sind verheerend: In Brasilien wird die Wirtschaft im laufenden Jahr um rund zwei Prozent schrumpfen. Malaysia und Indonesien befinden sich in grossen Schwierigkeiten, und die Hoffnung, dass sich der afrikanische Kontinent langsam auf einen nachhaltigen Wachstumspfad finden könnte, sind einmal mehr geknickt worden.

Hauptursache dafür ist die Entwicklung im China. Die zweitgrösste Volkswirtschaft befindet sich im Umbau. Weg vom rein auf Export basierten Wachstum und hin zu einem stärkeren Binnenmarkt, lautet die Devise. Das heisst auch: Mehr Dienstleistungen und weniger Industrie. Für die Rohstoff exportierenden Länder sind dies schlechte Nachrichten. China drosselt seine Rohstoffimporte und stürzt damit die Schwellenländer in Nöte.

Die Spekulanten hauen ab

Die Schwierigkeiten werden durch den starken Dollar noch verstärkt. Die meisten der Schwellenländer haben sich in den letzten Jahren massiv verschuldet. Gemäss Angabe des IWF haben sich die Schulden der Unternehmen in den Schwellenländern in den letzten zehn Jahren vervierfacht. Ende 2014 betrugen sie rund 14'000 Milliarden Dollar. Jetzt bekommen die Geldgeber kalte Füsse. Seit Beginn dieses Jahres sind bereits 540 Milliarden Dollar aus den Schwellenländern abgezogen worden. Die Kapitalpuffer der Notenbanken dieser Länder schmelzen derzeit wie Schnee in der Sonne.

Der starke Dollar schwächt auch die amerikanische Exportwirtschaft und die Gewinne der US-Konzerne. Sollte die US-Notenbank, die Fed, ihre längst angekündigte Erhöhung der Leitzinsen tatsächlich auch durchführen, dann würde der Greenback noch stärker werden und damit die Schwierigkeiten noch vergrössern. Es ist daher immer unwahrscheinlicher, dass diese Zinserhöhung noch dieses Jahr erfolgen wird.  

Die Notenbanken haben ihr Pulver verschossen

Die Zeiten, in denen die Zentralbanken die Wirtschaft mit der Geldpolitik über Wasser halten konnten, scheinen ohnehin vorbei zu sein. Vor allem die Fed steht vor heiklen Problemen. Immer mehr Dollar zirkulieren nämlich nicht mehr in den USA, sondern rund um den Globus. Die Fed wird so unfreiwillig zur globalen Zentralbank, eine Rolle, die sie nicht ausführen will und kann. Das heisst aber auch, dass das internationale Finanzsystem wieder sehr anfällig geworden ist für Schocks.

Sitzt in der Klemme: Fed-Präsidentin Janet Yellen.
Sitzt in der Klemme: Fed-Präsidentin Janet Yellen.
Bild: Getty Images North America

Ein Gespenst ist wieder zurück, das Gespenst der Deflation. In der Eurozone sind die Preise im September wieder um 0,1 Prozent gesunken, und das, obwohl die Europäische Zentralbank die Märkte nach wie vor mit billigem Geld flutet.

Am schlimmsten ist die Deflation in Asien

In Asien ist die Situation noch dramatischer. Überkapazität, mangelnde Nachfrage und schwächelnde Produktivität haben eine gefährliche Deflationsspirale in Gang gesetzt. In China fallen die Preise der Produzenten seit 42 Monaten und sind mittlerweile rund zehn Prozent unter dem Niveau von 2011. Japan kämpft seit Jahrzehnten ohne Erfolg gegen die Deflation, und selbst Indien – sonst die erfreuliche Ausnahme – kämpft gegen fallende Preise bei den Herstellern.  

Deflation wird von vielen Ökonomen als noch gefährlicher betrachtet als die Inflation. Sinkende Preise bestrafen das Unternehmertum, weil die Schuldenlast immer stärker drückt. Merke: In den 30er-Jahren war's nicht – wie fälschlicherweise geglaubt wird – die Inflation, welche die Grosse Depression verursacht hat, sondern die Deflation.

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