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Spontanes Spiel als Kampf – ausser groben Unflätigkeiten ist alles erlaubt 

Das Team «Trutwahn», hier in der Rolle zweier Eichhörnchen, liegt flach.
Das Team «Trutwahn», hier in der Rolle zweier Eichhörnchen, liegt flach.Bild: watson
Theatersport-Turnier in Zürich

Spontanes Spiel als Kampf – ausser groben Unflätigkeiten ist alles erlaubt 

Ein Theatersport-Turnier ist ein K.o.-Kampf: Acht Teams treten an, um sich gegenseitig mit viel Humor und absurden Einfällen aus dem Rennen zu werfen, während das Publikum die Schauspieler mit Ideen füttert und die strenge Jury beschimpft. watson war dabei.
13.09.2014, 15:4515.09.2014, 10:58
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«Die Jury bitte traditionsgemäss mit einem kräftigen ‹Buh› begrüssen, wenn Sie die Bühne betritt», ruft die charmante Moderatorin im Rockabilly-Kleidchen ins Publikum. Die Zuschauer sitzen im Boulevard Theater nicht andächtig lauschend auf ihren Plätzen. Sie sind laut und trinken Bier. 

Pretty in Pink: die Moderatorin, die das Publikum durch den wilden Abend führt. 
Pretty in Pink: die Moderatorin, die das Publikum durch den wilden Abend führt. Bild: watson

Hier muss aber auch niemand kleinlaut sein. Im Gegenteil: Wer es mag, seinen Senf zum Bühnengeschehen dazuzugeben, die Teams mit Ideen für die Szenen zu inspirieren, gute schauspielerische Leistungen mit einer Welle zu goutieren und die strengen Entscheide der Jury ordentlich anzufeinden, ist beim Theatersport goldrichtig. 

Die «unliebsame» Jury vergibt die Punkte an die Teams.
Die «unliebsame» Jury vergibt die Punkte an die Teams.Bild: watson
Team «Eiertütsch» mit «Team Klaus» in der Fünfer-Pyramide. Hier verlieben sich zwei.
Team «Eiertütsch» mit «Team Klaus» in der Fünfer-Pyramide. Hier verlieben sich zwei.Bild: watson

Das Team «Eiertütsch» tritt gegen das «Team Klaus» an: Die Fünfer-Pyramide soll gespielt werden. Einer beginnt, der zweite kommt hinzu, bis alle fünf in die Szene eingebettet sind. Dann müssen sie die Bühne nacheinander mit triftigen Gründen jeweils wieder verlassen, bis abermals nur der Erste übrig bleibt. Und wie sieht das dann praktisch aus?

Der Erste hält einen Vortrag. Das Thema: Die Schwimmweste (ein grandioser Publikumsvorschlag). Der zweite Schauspieler kommt hinzu und berichtet dem Vortragenden, dass er endlich dessen Bruder gefunden habe. Der sei mittlerweile allerdings eine Schwester. Das verwirrt, doch dann verlieben sich die beiden Herren urplötzlich und sehr intensiv ineinander, was die dritte Schauspielerin in eine Krise stürzt. Die Vierte kommt hinzu, sie sieht schuldig aus und meint: «Es tuet mir leid. I ha eifach so Hunger gha.» Dann wird sie von den anderen zünftig zurechtgewiesen: Niemals hätte sie den Apfel essen dürfen. Ihr spinne es wohl. 

Das Team «Eiertütsch» in der Szene, in der das Thema «Entscheidungsstärke» abgehandelt wird. Das sieht man ja.  
Das Team «Eiertütsch» in der Szene, in der das Thema «Entscheidungsstärke» abgehandelt wird. Das sieht man ja.  Bild: watson

Plötzlich befinden sich die Protagonisten in einem Motivationskurs wieder, geleitet von einem schmierigen Motivationstrainer, dem fünften Schauspieler. Er formuliert vorab die unmotivierende Bitte, ihm schleunigst das Kursgeld auszuhändigen. Der verloren geglaubte Bruder, der jetzt eine Schwester ist, wird umarmt, es wird dunkel, die Schwester wird zur Schwimmweste. Schnitt.

Eine Blume aus dem Team «Eiertütsch». Sie gewann für ihre ausserordentliche Schönheit einen goldenen Stern, was sich zwar nicht auf den Punktestand auswirkt, aber dennoch eine nicht zu verachtende Ehrung ihrer Darbietung darstellt. Bild: watson

Im Reich des Absurden und der wilden Assoziationen scheint man hier gelandet zu sein. Alles ist erlaubt. Nein, das stimmt nicht ganz. Nur fast alles. Unflätigkeiten werden nämlich von der strengen Jury nicht geduldet. Wer schmierige Sachen tut oder sagt, muss für zwei Minuten «den Korb der Schande» über dem Kopf tragen. Schliesslich sind auch ein paar Kinder anwesend. 

«Si sitzed uf mine Nüssli!», sagt das empörte Eichhörnchen aus dem Team «Trutwahn».
«Si sitzed uf mine Nüssli!», sagt das empörte Eichhörnchen aus dem Team «Trutwahn».Bild: watson

Die Teams fordern sich gegenseitig heraus und formulieren dabei die Herausforderungen selbst:« Spielt eine Szene, in der Tiere eine sehr grosse Rolle spielen», oder: «Tanzen sollt ihr!». Manchmal reicht auch schon ein Gegenstand aus dem Publikum, aus dem dann eine heitere Geschichte entwickelt wird. 

Der Elefanten-Tanz vom «Team Klaus». Damit inspirieren sich die beiden Männer, die in der Freizeit gerne Tiere ausstopfen. 
Der Elefanten-Tanz vom «Team Klaus». Damit inspirieren sich die beiden Männer, die in der Freizeit gerne Tiere ausstopfen. Bild: watson
«Du hocksch uf fremdi Stüehl?»

Beim Speed-Dating treffen sich zwei Neurotiker, die beide unter einer ausgeprägten Form von Berührungsangst leiden. Sie will ihm lieber nicht die Hand geben, er will sich lieber nicht hinsetzen: «Du hocksch uf fremdi Stüehl?» Hach. Diese Gemeinsamkeiten. Das muss Liebe sein. Als die beiden dann auch noch herausfinden, dass sie sich bei derselben Therapeutin behandeln lassen, gibt es kein Halten mehr: «Gömmer zu ihre?» 

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Das Team «Bonnie & Clyde» beim Speed-Dating. Sie wandert gern (unschwer erkennbar an der unheimlich lässig-sportlichen Körperhaltung).
Das Team «Bonnie & Clyde» beim Speed-Dating. Sie wandert gern (unschwer erkennbar an der unheimlich lässig-sportlichen Körperhaltung).Bild: watson

Endrunde im Kampf zwischen Team «Bonnie & Clyde» und «Trutwahn»: Die Geschichte soll im Horror-Genre angesiedelt sein, wobei ausschliesslich gereimt werden muss. Ausgangspunkt: Der Kindergarten. Noch ein letztes Mal wird der totalen Sinnfreiheit gehuldigt: Das Mami von Fritz und der Papi von Franziska zoffen sich. Wer ist schuld an der stark angeknickten Freundschaft der beiden Kinder? 

Links: Team «Bonnie & Clyde» (Fritz und sein Mami) und rechts Team «Trutwahn» (Franziska mit ihrem Papi) in der gemeinsamen Horror-Szene. 
Links: Team «Bonnie & Clyde» (Fritz und sein Mami) und rechts Team «Trutwahn» (Franziska mit ihrem Papi) in der gemeinsamen Horror-Szene. Bild: watson
«Äxgüsi Frau Büsi.»

Szenenwechsel in die Vergangenheit: Fritz und Franziska im Kuhstall. Die Kühe sind von bösen Dämonen besessen und beissen der wehrlos am Boden liegenden Franziska ins Bein. Fritz kriegt es mit der Angst zu tun und verzieht sich mit den Worten: «Du, i muess, pass uf uf din Fuess!» 

Er hat sie dort in diesem Horror-Stall allein gelassen. Aber wenigstens entschuldigt er sich dafür: «Äxgüsi Frau Büsi.» Dann herrscht Friede – und ein sehr freudiger Eierkuchen-Abend neigt sich seinem amüsanten Ende entgegen. 

Das Zürcher Theatersport-Turnier geht noch bis zum 12. Oktober, die nächste Vorstellung ist am Samstag, dem 13. September. Mehr erfahren Sie hier.

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