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Das Hotel California steht in Griechenland

Cover des Eagles-Song.
Cover des Eagles-Song.
Deutschland und der Euro

Das Hotel California steht in Griechenland

Das legendäre Hotel im weltberühmten Song der Eagles kann man bekanntlich nicht verlassen – genau wie Euroland. 
19.01.2015, 07:5419.01.2015, 18:12
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«Hotel California» von den Eagles ist so ziemlich der klassischste aller Rock-Klassiker. Der Song handelt von einem imaginären Hotel. Dabei weiss man nicht so recht, ob man sich im Himmel oder in der Hölle befindet. Im Schlussrefrain erfährt man, dass wer einmal eingecheckt hat, zwar jederzeit wieder auschecken, aber das Hotel niemals wieder verlassen kann. («You can check out any time you like but you can never leave.») 

Besser könnte man die Situation vor den griechischen Wahlen nicht beschreiben. Euroland ist ein Club, dem man beitreten, aus dem man aber nicht mehr austreten kann. Bewusst haben die Väter des Euro darauf verzichtet, einen Exit-Plan zu erstellen. Sie wollten so verhindern, dass man sich nur probeweise an die Einheitswährung bindet. Deshalb sind nun beide, die Griechen und die anderen Eurolandstaaten gefangen in einem Dilemma, in das sie sich freiwillig begeben haben, und aus dem es keinen Ausweg zu geben scheint. 

Der Bluff der Angela Merkel

In Deutschland beginnt man trotzdem sich mit einem Austritt Griechenlands aus der Zone der Einheitswährung anzufreunden. Gezielte Indiskretionen aus «höchsten Regierungskreisen» sind dem «Spiegel» zugespielt worden. Ein Grexit sei nun möglicherweise doch denkbar geworden, wird gemunkelt. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Bluff, mit dem Angela Merkel für Ruhe an der Heimatfront sorgen wollte. Vor allem im konservativen Lager Deutschlands ist die Vorstellung, die Griechen wieder los zu werden, sehr populär geworden.

Versuchen Sie, daraus wieder die Original-Eier herzustellen.
Versuchen Sie, daraus wieder die Original-Eier herzustellen.

Der Euroraum wird gelegentlich mit einem Rührei verglichen. Es ist sehr schwierig, die Original-Eier, aus denen es gemacht wurde, wieder herzustellen. Der Vergleich hat nach wie vor seine Gültigkeit. Schwindelerregend sind die juristischen Streitereien, die ein Grexit nach sich ziehen würde, und kaum einzuschätzen sind die wirtschaftlichen Kollateralschäden, die er verursachen würde, obwohl sich die Lage im Vergleich zu 2012 dank dem Rettungsfond EMS und der Bankenunion verbessert hat. 

Der Grexit als Auftakt zu einem kollektiven Austritt?

Am verheerendsten könnten jedoch die politischen Folgen sein: Ein Grexit könnte möglicherweise ein Fanal zu einem kollektiven Austritt aus Euroland werden. Portugal, Spanien und vor allem Italien sind die am meisten genannten Verdächtigen. Das wäre dann nicht nur das Ende von Euroland, sondern auch das Ende der EU. Europa stünde vor einem politischen Scherbenhaufen. 

Hoffnung für die Griechen: Alexis Tsipras.
Hoffnung für die Griechen: Alexis Tsipras.Bild: EPA/ANA-MPA

Die Griechen selbst wollen Euroland gar nicht verlassen. In Meinungsumfragen sprechen sich regelmässig rund 70 Prozent der Befragten für einen Verbleib aus. Selbst die linke Syriza-Partei und ihr Anführer Alexis Tsipras betonen, dass sie keinen Grexit wünschen, sondern einen «New Deal» mit Brüssel. Die Syriza hat gute Chancen, die Wahlen vom 25. Januar zu gewinnen. 

Das Bail-out Abkommen läuft Ende Februar aus

Wie auch immer diese Wahlen ausgehen werden, ein neuer Vertrag muss auf jeden Fall ausgehandelt werden. Das noch gültige Bail-out-Abkommen mit der Troika (Europäische Kommission, EZB und IWF) läuft Ende Februar aus. Ohne ein solches Abkommen droht in Hellas ebenfalls Chaos. 

«Die Regierung Samaras hatte entweder den Willen oder die Macht nicht, sich mit einflussreichen Kräften innerhalb und ausserhalb seiner Partei anzulegen.»
Werner van Gent, Griechenlandkorrespondent

Anstatt mit einem Grexit zu drohen, würde die deutsche Bundeskanzlerin besser das Terrain für einen solchen New Deal vorbereiten, und anstatt permanent die Syriza und Tsipras zu verteufeln, würde sie besser Gesprächsbereitschaft signalisieren. Mit den alten, korrupten Parteien kommt Griechenland nicht vom Fleck. So schreibt Werner van Gent, langjähriger SRF-Korrespondent in Athen, im Onlineportal «Infosperber«: «Die Regierung Samaras hatte entweder den Willen oder die Macht nicht, sich mit einflussreichen Kräften innerhalb und ausserhalb seiner Partei anzulegen. Genauso wenig hat Samaras den Willen gezeigt, wirksam gegen das zweite Übel der griechischen Gesellschaft vorzugehen, die Vetternwirtschaft.» 

Für einen Neuanfang braucht es frische Kräfte 

«Wir sind die Gefangenen unserer eigenen Pläne», heisst es ebenfalls in «Hotel California». Auch Griechenland und die übrigen Staaten der Einheitszone sind Gefangene ihres eigenen Tuns. Aus dem Schlammassel finden werden sie nicht mit unsinnigen Grexit-Drohungen, sondern mit einem gemeinsamen Neuanfang. Dafür braucht es in Griechenland frische Kräfte, die nicht mit der alten Vetternwirtschaft verbandelt sind. Deshalb haben die Syriza und Tsipras eine Chance verdient.  

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