Sie sassen am Game-Festival Ludicious in der Jury für das beste internationale Spiel. Daneben konnten Sie auch einen Blick auf die Schweizer Vertreter werfen. Wie ist Ihr Eindruck?
Das Interessanteste, was ich über die lokale Indie-Szene gelernt habe, ist, dass sie völlig unabhängig entstanden ist. Bisher kamen die meisten Indie-Entwickler aus bekannten, grossen Studios. In der Schweiz gibt es das nicht. Kaum jemand hier kommt aus einem AAA-Studio (Bezeichnung für Studios, die Blockbuster-Games produzieren, Anm. d. Red.). Dadurch habt ihr eine sehr fruchtbare und künstlerische Indie-Szene, die frei von der Erwartungshaltung der Industrie und der Gamer existiert. Es sieht so aus, als ob die Leute ihre Arbeit wirklich als Kunst betrachten.
Das ist eine sehr gute Meldung für die Schweiz, immerhin haben Sie in einem Artikel auf dem Gameblog Gamasutra geschrieben, dass sich die traditionelle Game-Industrie auf dem absteigenden Ast befindet und der Indie-Branche die Zukunft gehöre.
Die Industrie ist nicht mehr der Ort, an dem der männliche Weisse zwischen 18 und 25 Jahren der König ist. Natürlich wird es immer kommerzielle Games für diesen Typ geben, aber das Zielpublikum ist nicht mehr nur der Gamer, es sind alle. Entwickler haben heute die Möglichkeit, sehr viele neue Leute zu erreichen. Das bisherige Publikum war wie ein Klotz am Bein, weil es immer nur das Gleiche will und eine oft ziemlich giftige Community besitzt.
Aber die kommerziellen Spiele bringen immer noch einen Haufen Geld ein.
Wissen Sie, welches das populärste Spiel ist?
Vermutlich «Minecraft».
Genau. Und das ist kein Spiel für Gamer, es ist ein Spiel für alle. Möglicherweise macht auch «League of Legends» das meiste Geld oder «Angry Birds» oder «Flappy Birds». Wir haben nicht mehr die gleiche Gamer-Kultur. Leute, die die Skandale rund um Gamergate im letzten Monat zu verschulden haben, sind nicht hier und haben keine Ahnung, dass ein Festival wie Ludicious überhaupt existiert.
Werden Games vielfältiger?
Absolut. Games sind nicht mehr auf eine einzige Zielgruppe beschränkt. Das heisst nicht, dass die bestehenden Zielgruppen schlecht sind oder verschwinden werden, es wird einfach mehr Variationen geben.
Dennoch setzen die grossen Publisher weiterhin auf Bewährtes.
Aber ihr Geschäft schrumpft entscheidend. Die grössten Möglichkeiten liegen nicht mehr bei ihnen. Es findet ein Generationen-Wechsel statt. Das grosse Geld wird nicht mehr von bekannten Publishern gemacht.
Im Moment wohl schon noch.
Naja «Destiny» kostet ja auch 500 Millionen Dollar und nur Activision kann sich so etwas leisten.
Das Geld sei für die Entwicklung der Marke über die nächsten zehn Jahre geplant.
Genau. So viel braucht es, um überhaupt mithalten zu können. Nicht mal Irrational, die mit «Bioshock Infinite» eines der besten Spiele der letzten Jahre produzierten, haben überlebt. Der Markt ist nicht mehr der gleiche. Die Budgets sind zu gross und viele Talente wollen nicht mehr in der klassischen Industrie arbeiten. Da es mittlerweile genug Alternativen gibt, machen sie ihre Games lieber selbst.
Wie lange wird es dauern, bis Indie-Games Mainstream werden?
Ich glaube, das wird nicht passieren. Es ist ein Fehler, grosse Publisher als die kreativen Vorreiter zu betrachten. Deren Job ist es, das Publikum mit dem immer Gleichen zu bedienen. Wie Hollywood-Blockbuster: Es wird immer Roboter und Explosionen geben und daran ist auch nichts verkehrt. Giganten wie Activision und EA sind die Michael Bays der Game-Industrie, das bedeutet aber nicht, dass wir nicht auch Arthouse-Filme haben können.
In Ihrem Artikel haben auch Sie geschrieben, dass der Begriff Gamer der Vergangenheit angehöre. Wie sollen wir uns stattdessen bezeichnen?
Menschen, die auf Videogames stehen zum Beispiel? Wenn ich Filme mag, bin ich auch kein «Filmer» oder ein «Bücher», nur weil ich gern lese. Ich bin eine Person, der verschiedene Sachen gefallen. Ich mag es nicht, mich über meine Konsumgewohnheiten zu definieren.
Auch wenn Indie-Games die Zukunft gehören sollte, so sind zumindest Schweizer Games international wohl kaum jemandem ein Begriff?
Nicht wirklich. Ich wusste überhaupt nicht, was mich erwartet, als ich angekommen bin. Aber ich bin positiv überrascht wie kreativ und gut aufgestellt ihr seid. Durch das ganze Gamekultur-Phänomen kopiert jeder jeden. Das kann zu einem sehr eingeschränkten Entwicklungs-Stil führen. Schweizer sind dagegen sehr ausgeglichen und gut ausgebildet im Vergleich, wo ich herkomme. Das wirkt sich auf ihre Arbeit aus. Sie beziehen Inspiration nicht nur von anderen Games. Das ist zumindest meine Hypothese auf Grund dessen, was ich bisher beobachtet habe.
Was empfehlen Sie Schweizer Entwicklern, um Erfolg zu haben?
Man muss lernen, sein Game richtig zu vermarkten. Ich habe gehört, dass es die Schweizer Kultur der Bescheidenheit schwierig macht, das eigene Produkt an den Mann zu bringen. Niemand ist gut in solchen Dingen. Leute, die auf Games stehen, sind häufig introvertiert. Für den Erfolg muss man sich aber präsentieren können und mit den Medien kommunizieren. Es gibt keinen Grund, Angst zu haben. Ein wichtiger Schritt ist es, Schweizer Games international zu präsentieren, Gesicht zu zeigen und Teil der internationalen Community zu werden.