Vor genau fünf Jahren nahm sich Bundesliga-Goalie Robert Enke das Leben. Nachdem er jahrelang unter Depressionen gelitten hatte, beging er am 10. November 2009 bei einem Bahnübergang Schienensuizid.
Nach Enkes Tod begab sich sein Bundesliga-Kollege Andreas Biermann an die Öffentlichkeit und stand offen zu seiner depressiven Erkrankung und den damit verbundenen Suizidversuchen. Im Nachhinein äusserte sich Biermann jedoch kritisch zu seinem Outing, sprach davon, sich alleine gelassen gefühlt zu haben, und ging soweit, zu sagen, er würde keinem Profi empfehlen, zu einer psychischen Störung zu stehen.
Andreas Biermann nahm sich am 18. Juli 2014 das Leben. Er hinterliess eine Ehefrau und zwei Kinder.
Ich wehre mich eigentlich immer dagegen, wenn man einer ganzen Menschengruppe gewisse Eigenschaften zuweist. Ich bin überzeugt, dass es viele Fussballer und Fussballfans (jeweils Frauen und Männer) gibt, die sehr wohl darüber aufgeklärt sind, was eine Depression ist. Und trotzdem ist der Grundtenor – so schreibt es Andreas Biermann in seinem Buch, das er vor seinem Tod veröffentlichte – ein harscher. Ein von Machismo geprägter. Es gilt, Männlichkeit zu beweisen. Immer. Schwäche ist keine Option oder du bist raus.
Und das ist nicht nur im Fussball so. Auch in der Gesellschaft allgemein mangelt es nach wie vor an Verständnis. Als ich vor ein paar Monaten einen Text über Depression veröffentlichte, war ich schockiert über die Ignoranz, die mir da teilweise entgegenkam. «Wer sein Leben im Griff hat, wird nicht depressiv», «Alles Pussys!» und «Das sind doch alles faule Ausreden, um nicht arbeiten zu müssen» ist nur eine Auswahl an Aussagen, die da gemacht wurden.
Psychische Erkrankungen sind kein Voodoo oder Hypochonder-Hirngespinste, sondern wissenschaftlicher Fakt – und trotzdem verneinen gewisse Menschen noch immer ihre Existenz. Wie das kommt, weiss ich nicht, denn ich habe noch niemanden gefunden, der mir erklären konnte, wie ein eigentlich gesunder Mensch, der lediglich eine «Pussy» ist und sich einfach mal «ein bisschen zusammenreissen sollte», darauf kommt, freiwillig von einer Brücke in den Tod zu springen.
Diese Menschen waren über Jahre immer wieder in der Finsternis, erlebten keine Freude mehr, kamen morgens nicht mehr aus dem Bett. Und sie hassten sich selber dafür, machten sich Vorwürfe und fanden sich undankbar. Das Leben wurde für sie so unerträglich, dass sie es lieber aufgaben als einen weiteren Moment darin zu verbringen.
Und das ist dann also eine «Pussy»?
Ich bin mir bewusst, dass nicht jeder das gleiche Selbstverständnis für psychische Störungen hat wie eine Psychologin. Und ich verstehe auch, dass eine Krankheit, die man nicht sieht, schwer zu begreifen ist, wenn man selbst nicht davon betroffen ist. Aber rund 20% der Bevölkerung erkranken im Laufe ihres Lebens einmal an einer affektiven Störung (simpel gefasst: Depression, manische Episoden und bipolare Störung). Das ist jede(r) Fünfte!
Bevor man also wieder Aussagen wie «Du Pussy» macht (nebst der Tatsache, dass der Ausdruck frauenfeindlich und doof ist), sollte man sich eventuell in Erinnerung rufen, dass die Chancen 1:5 stehen, dass man selber einst eine dieser Pussys werden könnte.
Es ist nicht nur Ignoranz, es ist Arroganz.