Der Wald ist ein Kohlenstoffspeicher. In diesem Punkt sind sich Waldbesitzer, Forstbetriebe, Wissenschaftlerinnen und Naturschutzorganisationen einig. In einem anderen Punkt gibt es hingegen noch Klärungsbedarf: Aktuell diskutieren die Akteure der Schweizer Waldpolitik darüber, inwiefern die Klimaschutzleistung des Waldes in Wert gesetzt werden soll. Die Kernfrage: Wie kann der Wald am nachhaltigsten zur Verbesserung der Schweizer CO2-Bilanz beitragen? Zankapfel der aktuellen Diskussion bildet die Frage, ob und wie die Waldeigentümer für die CO2-Senkleistung entschädigt werden sollen.
Ursache für diese Forderung seitens einiger Waldeigentümer liegt in den Klimaschutzleistungen, die der Wald erfüllt. Dazu zählen drei Effekte: Erstens wandeln Pflanzen im Wald durch die Fotosynthese CO2 in Kohlenstoff um und speichern diesen in der Biomasse (Sequestrierung). Zweitens bleibt der Kohlenstoff nach der Holzernte für lange Zeit in den Holzprodukten wie Möbeln oder Gebäuden gebunden (Speicherung). Und drittens kann Holz am Ende seiner Lebensdauer als Energieträger anstelle fossiler Rohstoffe verwendet werden (Substitution).
Für Clémence Dirac, Co-Leiterin der Sektion Waldleistungen und Waldpflege beim Bundesamt für Umwelt (BAFU), ist klar:
Eine Möglichkeit sei, die Inwertsetzung der Waldleistungen, also die finanzielle Entschädigung von Waldeigentümern beispielsweise über den Verkauf von CO2-Zertifikaten. Es sei aber nicht das Hauptziel der Schweizer Waldpolitik, den Wald einzig auf «die Förderung von Senkenwäldern» auszurichten. Also auf Wälder, die allein zum Ziel haben, möglichst viel CO2 zu speichern.
Als Vorreiter im Bereich der Anrechnung von Klimaschutzleistungen gilt die Oberallmeindkorporation Schwyz (OAK). Die Korporation hat sich bereits von 2003 bis 2005 im Rahmen einer Studie des BAFU mit der CO2-Senkenleistung des Waldes befasst. In Folge hat die OAK ein eigenes Projekt lanciert, das wie folgt funktioniert: Die OAK erhöht den Holzvorrat in ihren Wäldern durch eine «optimierte Bewirtschaftung» innert 30 Jahren von 280 auf 300 Kubikmeter pro Hektare.
Der zusätzliche Vorrat bindet während der Projektdauer rund 245'000 Tonnen CO2. Und ebendiese Senkenleistung wird in Form von CO2-Zertifikaten an Private und Firmen verkauft, die damit freiwillig ihre Emissionen kompensieren. Pro Jahr nimmt die OAK mit dem Verkauf der Zertifikate «einen tiefen sechsstelligen Betrag» ein, sagt Thomas Hediger, Bereichsleiter Wald bei der OAK. «Diese Einnahmen ermöglichen es uns, auch defizitäre Waldbauprojekte durchzuführen, womit wir einen langfristigen Nutzen für Wald und Klima erzeugen», so Hediger. Klar ist für ihn:
Die OAK Schwyz ist Mitglied beim Verein Wald-Klimaschutz Schweiz, der Waldeigentümer seit 2019 dabei unterstützt, sich die CO2-Senkenleistung des Waldes im freiwilligen Markt für Klimaschutzmassnahmen anrechnen lassen zu können. Der Verein arbeitet mit CO2-Zertifikaten. Für Projektentwickler Hubertus Schmidtke eine notwendige Tätigkeit: «Es braucht unseren Verein, weil die Klimaschutzleistung des Waldes zwar in der nationalen Klimabilanz eingerechnet wird, aber die Waldeigentümer, die dafür sorgen, dass es dem Wald gut geht, nichts davon haben.» Obwohl die Bewirtschaftung des Waldes klimawirksam sei, werde diese nicht vom Staat honoriert. «Das ist völlig falsch», so Schmidtke, «genau deshalb sind die Waldeigentümer im freiwilligen Markt aktiv geworden.»
Ähnlich sieht das Ständerat Daniel Fässler (Mitte/AI), Präsident von Wald Schweiz, dem Waldeigentümer-Verband: «Waldeigentümer sollten insbesondere dann entschädigt werden, wenn sie durch pflegerische Einflüsse dafür sorgen, die Klimaschutzleistungen zu optimieren.» Aktuell ist die Inwertsetzung ebendieser Leistungen erst im freiwilligen Markt möglich. Wäre das CO2-Gesetz angenommen worden, hätten Waldeigentümer auch im verbindlichen Markt mitmischen können. Um das Thema voranzutreiben, hat Fässler nun in der Umweltkommission des Ständerats beantragt, die Kompensationsmöglichkeit für Waldeigentümer zu erlauben.
Auch der 2014 von der Holzindustrie gegründete Verein Senke Schweizer Holz setzt sich für die verstärkte Nutzung von Schweizer Holz ein. Dem Verein gehören grösstenteils Sägewerke an. Ziel sei es, «den Kohlenstoffspeicher in Schweizer Holzprodukten zusätzlich zu vergrössern», so Geschäftsführerin Jacqueline Oggier. Und zwar erhält der Verein vom BAFU für die zusätzliche Menge von verarbeitetem Schweizer Holz CO2-Bescheinigungen. Diese verkauft er an die Stiftung Klimaschutz und CO2-Kompensation Klik. Diese wiederum erfüllt damit im Auftrag von Firmen, die fossile Treibstoffe importieren, deren gesetzliche Pflicht, einen Teil der ausgestossenen CO2-Emissionen zu kompensieren.
Mit den zusätzlichen Erlösen können die Projektteilnehmer ihre nachweislich zusätzlichen und unwirtschaftlichen Massnahmen sowie Investitionen vom Vorjahr rückfinanzieren. Dazu zählen beispielsweise Kosten für Holztransporte via Bahn oder Holzschläge in schwer zugänglichen Gebieten. Auch Massnahmen zur Produktionssteigerung bei den Sägewerken tragen zu einer nachhaltigen Waldnutzung bei. Antrieb für die Vereinstätigkeit bildet die Überzeugung, dass «wir Holz nutzen müssen, wenn wir dem Klimawandel entgegenwirken wollen. Bleibt das Holz im Wald und zersetzt sich, bleibt das riesige Potenzial, Holz zu verbauen und damit den Kohlenstoffspeicher zu verlängern, ungenutzt», so Oggier.
Diese Ansicht unterstützen auch Experten aus Forstkreisen. Viele von ihnen empfehlen, im Optimalfall genau jene Menge an Holz zu ernten, die jährlich nachwächst. Von diesem Holz soll möglichst viel zum Bauen oder für Möbel verwendet werden, damit das CO2 langfristig gespeichert wird und andere Baumaterialien wie Stahl oder Beton ersetzt werden können. Am Ende der Lebensdauer kann das Holz zur Energiegewinnung verbrannt werden und damit fossile Rohstoffe ersetzen. In Fachkreisen spricht man in diesem Zusammenhang von der Kaskadennutzung (siehe Grafik). Sie leistet einen wichtigen Beitrag fürs Klima: So vermeidet beispielsweise ein Kubikmeter verbranntes Holz die Emission von 600 Kilogramm CO2 aus fossiler Energie.
Laut Fässler wird das Prinzip der Kaskadennutzung in der Schweiz aber nur mangelhaft umgesetzt:
Damit gehe viel Potenzial im Inland verloren. «Oft wird Holz auch einfach verbrannt, obwohl es vorher noch verbaut werden könnte», so Fässler. Er plädiert für eine konsequente Umsetzung der Wertschöpfungskette in der Schweiz. «Nur wenn wir den Wald nutzen und pflegen, kann er eine optimale Klimaleistung erbringen», so Fässler.
Wenn man von den Klimaschutzleistungen des Waldes spricht, gilt stets zu beachten: Sämtliches CO2, das die Bäume während ihrer Lebensdauer aufnehmen, entweicht nach dem Absterben oder Verbrennen wieder in die Atmosphäre oder den Boden.
Das ist für Pro Natura einer der Gründe, weshalb sie den Handel mit CO2-Zertifikaten im Schweizer Wald nicht unterstützt. Für die Umweltschutzorganisation steht eine «Reduktion der fossilen Brennstoffe» und die «Bewahrung der Wälder» im Zentrum, wie Elena Strozzi sagt. Sie ist bei Pro Natura für die Waldpolitik zuständig. Der Handel mit CO2-Zertifikaten sei der falsche Weg im Kampf gegen den Klimawandel: «Unsere Wälder dürfen nicht dafür herhalten, dass im Gegenzug fossile Treibstoffe weiter in die Atmosphäre entlassen werden.» (saw/ch media)
Bei Abholzung wird natürlich dann was in Rechnung gestellt, weil wieder co2 freigegeben wird…
traurig traurig