Als man versucht hat, Recep Tayyip Erdogan das volkswirtschaftliche ABC beizubringen, muss etwas fürchterlich dumm gelaufen sein. Der türkische Präsident ist überzeugt, dass man die Inflation dadurch bekämpft, dass die Zentralbank die Leitzinsen senkt. Das ist ungefähr so, wie wenn man behaupten würde, 2 plus 2 würde die Summe 5 ergeben.
Inflation wird mit steigenden Leitzinsen bekämpft, das weiss mittlerweile jedes Kind. Doch Erdogan ist nicht zu belehren. Anstatt die grundlegendsten Regeln der Volkswirtschaft zu befolgen, wechselt er das Personal aus. Mal feuert er den Notenbankchef, mal setzt er seinen Schwiegersohn als Finanzminister ein.
Und weil dies selbstredend nicht zum Erfolg führt, wettert der Präsident gegen vermeintliche Verschwörer: «So wie wir in der Vergangenheit gegen Bevormundung, Umstürzler, terroristische Organisationen und Geldbarone gekämpft haben, so kämpfen wir heute in gleicher Weise gegen die Leitzins-Lobby und die Feinde von Vollbeschäftigung», erklärte er jüngst gegenüber Parteifreunden.
Die Folgen von Erdogans ökonomischer Ignoranz und Sturheit für die türkische Wirtschaft sind verheerend. Die Inflation beträgt mittlerweile rund 20 Prozent, die türkische Lira wurde im laufenden Jahre gegenüber dem Dollar um rund 40 Prozent abgewertet. Gegenüber dem Schweizer Franken ist eine Lira aktuell gerade mal noch 7 Rappen wert.
Sahap Kavcioglu, der amtierende türkische Zentralbankchef, erweist sich als williger Diener seines Herrn. Er hat soeben die Leitzinsen auf 15 Prozent gesenkt. Das ist für unsere Verhältnisse ein immer noch Schwindel erregender Wert. Angesichts der türkischen Verhältnisse jedoch bedeutet dies, dass wegen einer Inflation von 20 Prozent die realen Zinsen bei minus 5 Prozent liegen; mit anderen Worten, viel zu tief sind.
Statt die Leitzinsen zu erhöhen, versucht die türkische Notenbank die Lira mit dem Verkauf von Devisen zu stützen. In den letzten Tagen intervenierte sie auf den Finanzmärkten mit einem Betrag von rund 400 Millionen Dollar. Das hat den Kurs der Lira tatsächlich um rund drei Prozent in die Höhe getrieben, doch der Erfolg dürfte kurzfristiger Natur sein.
Mit Devisenverkäufen eine Währung stützen zu wollen, endet in Tränen. Das mussten schon die Briten im Herbst 1992 erfahren. Damals sprengte der Financier George Soros mit umfangreichen Spekulationen gegen das Pfund die Bank of England. Die türkische Notenbank dürfte sich in einer noch viel schwächeren Position befinden.
Paul McNamara, ein Spezialist für Schwellenländer beim Zürcher Assetmanager GAM, erklärt denn auch gegenüber dem «Wall Street Journal»: «Wir haben das alles schon erlebt, und weder in Industrie-, noch in Schwellenländer haben diese Interventionen je Wirkung gezeigt. Es geht vielmehr darum, eine Situation zu schaffen, die nachhaltig erscheint. Nur so kann es gelingen, wieder Dollar in den Markt zu locken. Fehlt dieses Vertrauen, werden bloss sinnlos Devisen verbrannt.»
Die Türkei müsste dies eigentlich wissen. Schon 2014 hat die Notenbank auf Geheiss des damaligen Finanzministers Berat Albayrak, einem Schwiegersohn von Erdogan, im grossen Stil Devisen verkauft, ohne den gewünschten Effekt zu erzielen.
Die Türkei verbrennt nicht nur sinnlos Devisen, sie begeht auch einen weiteren Kardinalfehler bei der Bekämpfung der Inflation: Erdogan will den Mindestlohn automatisch der Teuerung anpassen. Damit bettelt er geradezu um sogenannte Zweitrunden-Effekte, will heissen: Er setzt damit eine desaströse Teuerungsspirale von steigenden Preisen, steigenden Löhnen, steigenden Preisen, etc. in Gang, die im schlimmsten Fall in einer Hyperinflation endet.
Dabei wäre dies alles gar nicht nötig. Dank einem wieder belebten Tourismus und angestauter Konsumnachfrage boomt die Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt ist im dritten Quartal 7,4 Prozentpunkte gewachsen. Für das gesamte Jahr werden gar 9 Prozentpunkte erwartet, international gesehen ein Spitzenwert.
Eine nachhaltige Erholung der türkischen Wirtschaft ist jedoch wegen Corona und Erdogans Dummheit im höchsten Masse gefährdet. Der Tourismus-Boom wird von der neuen Omikron-Variante bedroht, die grassierende Inflation untergräbt das Vertrauen der Menschen in die Wirtschaft. Wer noch Geld hat, flüchtet in den Dollar, wer keines mehr hat, geht auf die Strasse. In verschieden Städten haben in den letzten Tagen Menschen demonstriert und den Rücktritt von Erdogan gefordert.
Der rasante Kursverlust der Lira macht die Vorteile im Export im Binnenmarkt zunichte. Unter dem Strich sieht die Bilanz negativ aus. Jason Tuvey von Capital Economics drückt dies in der «Financial Times» wie folgt aus: «Die schwache Lira wird wahrscheinlich den Handel fördern, doch sie lastet auf der Binnennachfrage. Solange die Inflation zunimmt, leiden die Einkommen der privaten Haushalte und der Konsum wird abgewürgt.»
Daron Acemoglu ist ein türkisch-US-amerikanischer Ökonom von Weltruf. Er ist Co-Autor des einflussreichen Buches «Warum Nationen scheitern» und lehrt am MIT in Cambridge (Massachusetts). Kürzlich hat er ein Paper veröffentlicht, in dem er auf das Grundproblem der Türkei aufmerksam macht: das allmähliche Abgleiten in einen autoritären Staat. Langfristig werde dies dazu führen, dass das Bruttoinlandsprodukt gegen 20 Prozent schrumpfen werde, so Acemoglu.
Erdogan hat die türkische Demokratie bereits weitgehend untergraben. Zusammen mit seiner ökonomischen Ignoranz könnte dies dazu führen, dass er die Wirtschaft schon kurzfristig gegen die Wand fährt.
Tja, wer nicht hört, muss fühlen.
Währungsreserven :
Schweiz: 1'022 Mrd
Türkei: 46 Mrd
Das das mit der CH ein weeenig übertrieben ist (nur noch China und Japan haben mehr): ja.
Das man mit herzigen 46 Mrd keine Währung stützen kann: ja
Lassen Sie diesen Wahnsinnigen machen, dann wird er durch die Türken schon selbst entsorgt.
Nur so kann die Türkei längerfristig profitieren und die AKP in bodenlose Bedeutungslosigkeit stürzen lassen..