Als Meret Schneider vor ein paar Wochen kritisierte, dass der Algorithmus von X, Facebook und Co. die AfD begünstige und so den deutschen Wahlkampf beeinflusse, geriet sie in ein Kreuzfeuer der Kritik: Rechte und rechtsextreme Kritiker teilten nicht nur inhaltlich gegen die Grünen-Nationalrätin aus. Sie griffen sie auch persönlich an.
Der Vorfall ist exemplarisch dafür, wie ungehemmt Hass, Morddrohungen und persönlichkeitsverletzende Inhalte verbreitet werden. Letztlich ging es Schneider jedoch schon damals darum, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist. «Was offline illegal ist, muss auch online illegal sein», erklärt sie auf Anfrage.
In einem neuen Vorstoss verlangt Schneider darum «Fairness und Transparenz im digitalen Raum». Anstatt die sozialen Plattformen zu verteufeln, will sie deren Wirken transparenter machen: Welche Kriterien werden für die Rankings von Einträgen angewandt?
Schneider rechnet den Plattformen ein «grosses demokratisches Potenzial» zu. Allerdings bestehe die Gefahr der einseitigen Information bei einer starken Marktkonzentration. Mächtige Akteure sowie von ihnen erstellte Algorithmen entscheiden, welche Inhalte oben stehen und was unterdrückt wird. Paradebeispiel ist Elon Musk, der über seine Plattform X die öffentliche Meinung beeinflusst.
Nebst der Transparenz will Schneider auch Nutzenden eine Möglichkeit geben, illegale Inhalte unkompliziert zu melden. Sie weiss aus eigener Erfahrung, dass das Beschwerdemanagement nur bedingt funktioniert. «Auf Beschwerden kommen Mails retour, die erklären, dass Inhalte nicht gegen die Richtlinien der Plattform verstossen – auch wenn gravierende Vergehen wie Identitätsdiebstahl vorliegen», sagt Schneider.
Weiter müsse im Falle justiziabler Inhalte der Plattformbetreiber mit Behörden und Rechtsvertretern kooperieren. Das heisst, beispielsweise die IP-Adresse herausgeben, um die Person zu finden, die strafbare Inhalte verbreitet.
Meret Schneider ist überzeugt, dass sich dadurch auch die Tonalität auf sozialen Medien verbessert. Und sie sagt: «Das sind alles Massnahmen, die Plattformbetreiber relativ einfach umsetzen können.» Dass die Schweiz den mächtigen Tech-Konzernen solche Regeln nicht im Alleingang diktieren kann, ist ihr durchaus bewusst. Doch es gebe einen einfachen Weg: «Wir können uns den Bestrebungen der EU anschliessen.» Diese hat vor einem Jahr den Digital Services Act umgesetzt, der genau darauf abzielt, Nutzerrechte auf digitalen Plattformen zu stärken.
Unterstützt wird Schneider von Parlamentsmitgliedern aus allen Parteien. GLP-Nationalrat Patrick Hässig hat zudem einen Vorstoss eingereicht, der Plattformbetreiber verpflichten will, Behörden «umgehend und vollumfänglich» bei der Identifikation von Straftätern auf digitalen Plattformen zu unterstützen.
Und schliesslich hat auch das Bundesamt für Kommunikation 2021 festgestellt, dass soziale Medien intransparent agieren und zu wenig gegen Hassrede und Fake News unternehmen. Vorschläge zu neuen Regeln hat der Bundesrat auf März 2024 versprochen. Bis jetzt ist dazu noch nichts erschienen. Trotzdem könnten sich Schneiders Wünsche schneller verwirklichen als im Schweizer Politsystem üblich. (aargauerzeitung.ch)