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Vollgeld-Initiative verlangt absolutes Geldmonopol für Nationalbank

Vollgeld-Initiative verlangt absolutes Geldmonopol für Nationalbank

22.03.2018, 16:2003.04.2018, 11:53
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Raffael Wuethrich, Reinhold Harringer, Sergio Morandi, Jean-Marc Heim und Katharina Serafimova, von links, vom Initiativkomitee sprechen beim Kampagnenstart zur Vollgeld Initiative, am Donnerstag, 22. ...
Vollgeld-PK in Bern.Bild: KEYSTONE

Am 10. Juni kommt die Vollgeld-Initiative an die Urne. Die Initianten haben also noch knapp drei Monate Zeit, dem Stimmvolk das Anliegen zu erklären. Dieses ist ihrer Ansicht nach weniger kompliziert, als es scheint.

«Geld regiert die Welt», stellte Raffael Wüthrich vom Kampagnen-Team am Donnerstag vor den Medien fest. Die Frage sei also, wer das Geld regiere. Nach Ansicht der Initianten sind das heute die Geschäftsbanken.

In Zukunft soll es die Nationalbank (SNB) und damit letztlich das Schweizer Volk sein. Die Herstellung von Geld sei klassischer Service public und gehöre nicht in die Hände von Privaten, sagte Jean-Marc Heim vom Kampagnen-Team. Geschäftsbanken seien nur ihren Aktionären verpflichtet und nicht dem Gesamtinteresse des Landes.

Fiktives Geld

Wie die Vollgeld-Initiative dieses System verändern würde, ist indes etwas komplizierter. Einen ersten Anhaltspunkt gibt der volle Titel der Initiative. Dieser lautet: Volksinitiative «für krisensicheres Geld: Geldschöpfung allein durch die Nationalbank!».

Die Nationalbank hat heute ein Monopol auf der Ausgabe von Banknoten. Diese machen aber nur rund einen Zehntel des vorhandenen Geldes aus. Die übrigen 90 Prozent werden nach Angaben der Initianten von den Geschäftsbanken erzeugt. Es handelt sich um virtuelle Werte, die in der Regel nur als Zahl auf einem Bildschirm oder einem Kontoauszug existieren.

Bei der Vergabe von Krediten beispielsweise verleihen Banken Geld, für das sie selber keinen oder nur einen geringen Gegenwert besitzen. Dieses Geld besteht aus einem Versprechen. Das geht so lange gut, wie die meisten Leute dem System vertrauen. Das Wort Kredit leitet sich vom lateinischen Wort credere ab - glauben.

Sichere Schweizer Franken

Das ist den Initianten der Vollgeld-Initiative zu unsicher. Weil Banken Profitinteressen verfolgten, würden sie regelmässig zu viel Geld schaffen, argumentieren sie. Das führe zu Blasen und Geldentwertung.

Daher soll Geld in Zukunft unabhängig von seiner Form - als Münzen, Noten oder elektronisches Buchgeld - immer aus «sicheren Schweizer Franken» bestehen. Diese sollen allein von der Nationalbank herausgegeben werden. Geschäftsbanken müssten bei der Nationalbank verzinsliche Darlehen aufnehmen.

Dieses Geld könnten die Geschäftsbanken auch verleihen. Das Geld auf Zahlungskonten hingegen würde den Kontoinhabern gehören und nicht verloren gehen, wenn eine Bank in Schieflage gerät. Damit würden die Banken allen anderen Unternehmen und Privatpersonen gleichgestellt, argumentieren die Initianten.

Jenen Teil des Geldes, den die Nationalbank nicht an Geschäftsbanken vergibt oder zum Kauf von Devisen verwendet, soll sie Bund, Kantonen und Bürgern gratis zur Verfügung stellen. Diese schuldenfreien Werte könnten mehr als nur den Geldkreislauf verändern.

Das heutige System sei von Konkurrenz geprägt, es verlange nach immer neuen Krediten, sagte Katharina Serafimova vom wissenschaftlichen Beirat der Vollgeld-Initiative. Sie verglich das Rennen nach Ressourcen mit einer Reise nach Jerusalem. Auch die Schuldenwirtschaft führe zu Unsicherheit. Dieser sei bisher nur mit immer neuen Regulierungen begegnet worden.

Mit-Initiant Reinhold Harringer erinnerte daran, dass Vollgeld nichts exotisches ist. Banken hätten elektronische Vollgeld-Guthaben bei der Nationalbank. Banken untereinander zahlten nur mit Vollgeld. Auch der Zahlungsverkehr mit dem Ausland werde mit Vollgeld abgewickelt, sagte Harringer.

Lukrative Umstellung

Die Initianten haben sich auch Gedanken über den Systemwechsel gemacht: Auf einen Stichtag hin würde alles Buchgeld in Vollgeld umgewandelt. Damit würden Verbindlichkeiten der Banken gegenüber der Nationalbank in gleicher Höhe begründet. Diese Schulden müssten in einem bestimmten Zeitraum abgetragen werden.

Die Kredittilgung würde der Nationalbank erlauben, entsprechend viel neues Geld schuldenfrei an Bund, Kantone und Bevölkerung auszuzahlen. Die Initianten gehen von Auszahlungen von 300 Milliarden Franken innerhalb von 15 Jahren aus.

Bundesrat und Parlament empfehlen die Initiative zur Ablehnung. Sie warnen vor einem gefährlichen und unnötigen Experiment. Auch die Nationalbank ist nicht begeistert. «If it’s not broken, don’t fix it», sagte Nationalbank-Präsident Thomas Jordan - «Wenn etwas nicht kaputt ist, repariere es nicht». (sda)

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58 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Neruda
22.03.2018 16:49registriert September 2016
«If it’s not broken, don’t fix it» Aha... Haben wir ja 2007 und 08 gesehen, wie "not broken" das derzeitige System ist...
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Oh Dae-su
22.03.2018 17:12registriert Mai 2017
Vollgeld ist doch eigentlich genau das, was sich ein normaler Mensch darunter vorstellt, wie das Bankenwesen funktioniert. Da es dies leider aber nicht tut, kann man durchaus damit argumentieren, es zu ändern. Ich persönlich finde die Idee auch sympathisch, finde aber, dass so etwas auf globaler Ebene gelöst werden müsste. Und wer die momentane Situation auf der Welt anschaut, weiss, dass dies wohl nie passieren wird...
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Dini_muetter
22.03.2018 16:48registriert Februar 2016
Unser verzinstes Geldsystem ist nicht broken? Dass ist es sehr wohl, genau das führt zu dem Leistungsdruck und dem unausweichlichem Wachstum.... Dass sind aber Zusammenhänge die werden 99,9% der Bevölkerung nicht verstehen....
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