Bundesgericht: Autofahrer vom Vorwurf des Rechtsüberholens freigesprochen

Bundesgericht: Autofahrer vom Vorwurf des Rechtsüberholens freigesprochen

16.03.2016, 12:56

Das Bundesgericht hat einen Autofahrer freigesprochen, der auf der Autobahn A1 bei Bern von der Überhol- auf die Normalspur wechselte und am Verkehr vorbeifuhr. Das oberste Gericht kam zum Schluss, dass dies rechtens war.

Der Mann war auf der A1 von Bern Richtung Zürich unterwegs und befand sich auf einem dreispurigen Teilstück in der Nähe der Raststätte Grauholz. Weil sich auf den beiden Überholspuren der Kolonnenverkehr verlangsamte, wechselte der Autofahrer zunächst auf die mittlere Spur, dann auf die Normalspur.

Dabei hielt der Autofahrer stets sein Tempo von rund 90 Stundenkilometern. Weil sich der Verkehr auf den Überholspuren verlangsamt hatte, zog der Autofahrer mit seinen 90 km/h auf der Normalspur vorbei.

Das bernische Obergericht hatte den Autofahrer vor einem Jahr wegen schwerer Verkehrsregelverletzung zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 310 Franken und einer Busse von 1550 Franken verurteilt.

Der Autofahrer habe gegen das Verbot des Rechtsüberholens verstossen, war das Obergericht der Ansicht. Es habe keine Ausnahmesituation bestanden, wonach bei Kolonnenverkehr ein Rechtsvorbeifahren auf der Autobahn gestattet sei.

Kolonnenverkehr habe es nur auf den beiden Überholspuren gegeben, nicht aber auf der Normalfahrbahn, wo der Autolenker niemanden vor sich hatte und der Abstand zwischen den Fahrzeugen grösser war, befand das bernische Obergericht.

Handorgeleffekt auf den Überholspuren

Das Bundesgericht beurteilte den Fall nun aber anders. Gerade zu Stosszeiten herrsche auf linken Fahrspuren häufig dichterer Verkehr als auf der Normalspur. Auf den Überholspuren komme es zu einem sogenannten Handorgeleffekt, während der Verkehr auf der Normalspur flüssig und bei konstanter Geschwindigkeit schneller fliessen könne.

Paralleler Kolonnenverkehr sei also bereits dann anzunehmen, wenn es auf der linken und mittleren Überholspur zu einer Verkehrsverdichtung kommt, so dass Fahrzeuge auf der Überholspur faktisch nicht mehr schneller vorankommen als jene auf der Normalspur.

Das passive Rechtsvorbeifahren bei dichtem Verkehr sei mittlerweile eine alltäglich Situation, die sich kaum vermeiden lasse und nicht per se zu einer erhöhten Gefahrensituation führe, heisst es in dem am Mittwoch veröffentlichten Grundsatzentscheid des Bundesgerichts.

Im Gegensatz zum eigentlichen Rechtsüberholen tauche ein Fahrzeug beim Rechtsvorbeifahren nicht plötzlich und unvermittelt auf, sondern bewege sich mit konstanter Geschwindigkeit. Nach wie vor verboten bleibt das Rechtsüberholen. (Urteil 6B_3742015 vom 3. März 2016) (sda)

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