Griechen wenden sich vom Reformkurs der Geldgeber ab

Griechen wenden sich vom Reformkurs der Geldgeber ab

05.07.2015, 22:21

Die Griechen kehren dem Reformkurs ihrer Geldgeber den Rücken: In einer Volksabstimmung sagten über 61 Prozent Nein zu den Sparforderungen der Gläubiger. Damit stärkten sie der Regierung zwar den Rücken. Wohin das führen wird ist aber ungewiss.

Die von Rezession und Rekordarbeitslosigkeit geplagten Griechinnen und Griechen sagten deutlicher als in den Umfragen angenommen Nein zu den Sparforderungen. Nach Auszählung von zwei Drittel der Stimmen lag der Nein-Anteil bei gut 61 Prozent. Das Resultat wurde am Abend in Griechenland von vielen Menschen gefeiert.

Griechenlands Finanzminister Giannis Varoufakis machte klar, dass nach dem Sieg der Reformgegner mit den internationalen Geldgebern neu verhandelt werden müsse. «Ab morgen fangen wir an, unsere Wunden zu heilen», kündigte er am Sonntagabend im griechischen Fernsehen an. Europa dürfe nicht mehr ein riesiger eiserner Käfig der Sparpolitik sein.

Wie der Reform-Streit Griechenlands mit der EU-Kommission, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) nach dieser Abstimmung noch gelöst werden kann, ist allerdings unklar.

Treffen Merkel-Hollande

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel will am Montag in Paris mit Frankreichs Präsident François Hollande über die neue Lage beraten. Der griechische Premier Alexis Tsipras telefonierte am Sonntagabend mit Hollande.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble schloss ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone nicht aus. Sein Kabinettskollege und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sah kaum noch Chancen auf einen Kompromiss mit Athen.

Luxemburgs Regierungschef und EU-Ratsvorsitzender Xavier Bettel sagte, nun sei es an der griechischen Regierung, Vorschläge zu unterbreiten, wie es weitergehen solle. Mehrere Euro-Ländern signalisierten Verhandlungsbereitschaft.

Italiens Regierung sprach sich am Sonntagabend für neue Verhandlungen aus. Auch der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron forderte, schnell wieder mit den Griechen zu sprechen. Und Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy äusserte die Hoffnung, dass Griechenland auch nach dem Referendum im Euroraum bleiben werde.

Athen will rasch wieder verhandeln

Für die Regierung des radikal-linken Ministerpräsidenten Tsipras bedeutet das Votum einen Sieg. Formell hat die Abstimmung keine Bedeutung, weil die Bürger über ein Kompromissangebot der Gläubiger abgestimmt haben, das seit dem Auslaufen des zweiten Hilfsprogramms Ende Juni gar nicht mehr auf dem Tisch lag. Jedoch war die politische Bedeutung in dem Land enorm, wo mittlerweile jeder Vierte ohne Arbeit ist.

Die griechische Notenbank werde noch am Abend einen Antrag bei der EZB stellen, damit diese das Volumen der Notkredite für die angeschlagenen griechischen Banken anhebe, sagte Regierungssprecher Gavriil Sakellaridis gegenüber dem Sender ANT1. Ohne Anhebung des Limits drohen die schon seit einer Woche geschlossenen Banken des Landes rasch auszutrocknen.

Ohne schnelle Einigung ist eine umfassende Staatspleite aber kaum noch zu verhindern. Schon Ende Juni konnte die Regierung in Athen einen Milliardenkredit an den IWF nicht zurückzahlen. In zwei Paketen wurden seit 2010 fast 240 Milliarden Euro nach Athen überwiesen. (egg/sda/reu/afp/dpa)

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