Die Gegner des revidierten Überwachungsgesetzes BÜPF haben mit der Unterschriftensammlung für das Referendum begonnen. Am Dienstag haben sie ihre Argumente dargelegt. Nein sagen die Gegner insbesondere zu Staatstrojanern.
Das Parlament hatte das revidierte Gesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) in der Frühjahrssession gutgeheissen. Damit soll die Überwachung Verdächtiger in Strafverfahren an die technologische Entwicklung angepasst werden. Neu dürften die Strafverfolgungsbehörden Trojaner in Computer einschleusen, um beispielsweise Skype-Gespräche mithören zu können.
Dagegen stellt sich ein Aktionsbündnis, dem Jungparteien von rechts und links angehören: die Junge SVP, die Jungfreisinnigen, die Jungen Grünliberalen und die JUSO. Hinzu kommen die Grünen, die Piratenpartei, Organisationen wie der Verein Grundrechte, die digitale Gesellschaft Schweiz oder die Operation Libero und die IT-Branche.
«Im Zweifel für die Freiheit»
An vorderster Front dabei ist der Luzerner SVP-Nationalrat und IT-Unternehmer Franz Grüter. Das Gesetz enthalte eine ganze Reihe von Bestimmungen, welche die Grund- und Freiheitsrechte einschränkten, sagte er am Dienstag vor den Medien in Bern. Es sei unverhältnismässig.
Den Vorwurf des «Täterschutzes» weisen die Gegner zurück: Es sei klar, dass die Strafverfolgung nicht vor Entwicklungen wie der Internettelefonie kapitulieren könne, stellte der jungfreisinnige Matthias Müller fest. Sie müsse raffinierter werden. Man müsse sich aber stets fragen, zu welchem Preis. «Und es soll der ewige Grundsatz gelten: Im Zweifel für die Freiheit.»
Schwerwiegende Eingriffe in die Rechte der Bürger seien nicht damit zu rechtfertigen, dass sie «nur» gegen Kriminelle gerichtet seien, befand auch Pascal Vuichard von den Jungen Grünliberalen. Der Präsident der JUSO, Fabian Molina, warnte vor dem Schnüffelstaat. Und Christian Tscharner von der Jungen SVP stellte fest: «Wir zerstören das Paradies, um es zu schützen.»
Gefährliche Staatstrojaner
Konkret kritisieren die Gegner, dass die Strafverfolgungsbehörden zur Verfolgung von Straftaten künftig Überwachungssoftware auf Computern oder Smartphones installieren dürften - und zwar nicht nur bei Mord oder Terrorismus, sondern schon bei relativ geringen Delikten wie Diebstahl.
Aus Sicht der Gegner ist das nicht nur unverhältnismässig, sondern auch gefährlich: Zur Installation müssten Sicherheitslücken ausgenützt werden, gab Norbert Bollow von der Digitalen Gesellschaft zu bedenken. Dadurch entstehe ein legaler Schwarzmarkt für Sicherheitslücken, die auch Kriminelle nutzen könnten.
Problematisch sind die Staatstrojaner aber laut den Gegnern auch deshalb, weil das System damit nicht nur überwacht, sondern beeinflusst wird. So könnten Beweise manipuliert werden, sagte Tscharner. Der Staat könne nicht garantieren, dass das nicht geschehe.
Gruppen infiltrieren als Alternative
Darüber hinaus seien Staatstrojaner unnötig, argumentiert das Aktionsbündnis. Auch auf anderem Weg sei es nämlich möglich, verschlüsselte Kommunikation abzuhören. So arbeite etwa Skype auf Gerichtsbeschluss hin mit den Behörden zusammen.
Zudem könnten die Behörden Gruppen im Internet - etwa einen Kinderporno-Ring - infiltrieren, um an Informationen zu gelangen. Dass der Rechtshilfeweg viel Zeit in Anspruch nimmt und die Infiltration aufwändig ist, spricht aus Sicht der BÜPF-Gegner nicht gegen solche Methoden: Vielleicht sei das gar nicht schlecht, denn so sei das Risiko kleiner, dass die Behörden zu oft überwachten.
Vorratsdatenspeicherung abschaffen
Kritik übt das Aktionsbündnis auch daran, dass Telefonranddaten gespeichert werden, damit die Strafverfolgungsbehörden bei Bedarf darauf zugreifen können. Solche Daten geben Auskunft darüber, wer wann mit wem wie lange telefoniert hat.
Hier bleib zwar alles beim Alten: Die Daten würden - anders als zunächst geplant - mit dem revidierten Gesetz nicht länger aufbewahrt als heute. In den Augen der Gegner sollte die Vorratsdatenspeicherung indes generell abgeschafft werden. Zumindest aber sollten die Daten in der Schweiz gelagert werden müssen.
Hersteller von Computerspielen betroffen
Die IT-Branche wiederum lehnt die Gesetzesrevision vor allem deshalb ab, weil mehr Firmen mitwirkungspflichtig wären. Betroffen seien nicht nur Telekom-Firmen und Internetprovider, sondern alle, die Software mit Kommunikationsmöglichkeiten anböten - etwa ein Spiel mit Chat, kritisierte Jean-Marc Hensch, der Geschäftsführer des Branchenverbandes Swico.
ITC-Anbieter hätten keine echte Kontrolle mehr, was auf ihren Systemen passiere und könnten ihren Kunden damit auch keine Garantien mehr abgeben. Zudem würde der Aufwand für viele Unternehmen stark zunehmen. Die Gegner haben bis zum 7. Juli Zeit, 50'000 Unterschriften zu sammeln. (sda)