Bund zahlt mehr für die Integration von Personen mit Bleiberecht

Bund zahlt mehr für die Integration von Personen mit Bleiberecht

30.04.2018, 17:00

Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene sollen rascher in den Arbeitsmarkt integriert werden. Der Bund und die Kantone haben sich auf Massnahmen dazu geeinigt. Der Bund zahlt künftig pro Person dreimal mehr als heute.

«Diese Investition zahlt sich aus», sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga am Montag vor den Medien in Bern. Gemeinsam mit Vertretern der Kantone präsentierte sie die Integrationsagenda, die der Bundesrat letzten Mittwoch verabschiedet hat. Die Konferenz der Kantonsregierungen genehmigte die Agenda bereits im März.

Die Kantone hatten seit geraumer Zeit mehr Geld gefordert. Heute zahlt der Bund ihnen für jede Person mit Bleiberecht eine einmalige Integrationspauschale von 6000 Franken. Künftig sind es 18'000 Franken. Verankert wird der Betrag in einer Verordnung, über die der Bundesrat in eigener Kompetenz entscheiden kann.

Langfristig Einsparungen

Die Erhöhung führt beim Bund kurzfristig zu jährlichen Mehrausgaben von 132 Millionen Franken. Längerfristig rechnen Bund und Kantone aber mit Einsparungen, weil Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene rascher in der Berufswelt Fuss fassen. Berechnungen zeigten, dass die öffentliche Hand pro eingesetzten Franken auf lange Sicht bis zu vier Franken einspare, sagte Sommaruga.

Entlastet werden soll vor allem die Sozialhilfe, bei der sich wegen der Asylzahlen vergangener Jahre ein Kostenanstieg abzeichnet. Für die Sozialhilfe sind grundsätzlich die Kantone zuständig. Der Bund vergütet ihnen aber im Asylbereich die Kosten - für vorläufig Aufgenommene während höchstens sieben Jahren und für Flüchtlinge während höchstens fünf Jahren. Künftig soll mehr Geld in die Integration und weniger in die Sozialhilfe fliessen.

70 Prozent mit Potenzial

Die Berechnungen gehen auf, wenn die Integration mehrheitlich gelingt. Bund und Kantone gehen davon aus, dass rund 70 Prozent aller Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen im erwerbsfähigen Alter das Potenzial haben, sich nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren und für sich und ihre Familien aufzukommen. 60 Prozent seien unter 26 Jahre alt, gab Sommaruga zu bedenken.

Jene, die nicht in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können, sollen möglichst gesellschaftlich integriert werden. Es gehe nicht nur darum, die Sozialhilfekosten zu senken, stellte Sommaruga fest. Wenn sich Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene in der Gesellschaft zurecht fänden, wirke das auch Konflikten, kriminellem Verhalten und gesellschaftlichen Spannungen entgegen.

Rasch die Sprache lernen

Heute gibt es grosse Unterschiede zwischen den Kantonen. Die Integrationsagenda legt nun verbindliche Ziele fest, die durch einen für alle Kantone geltenden Prozess erreicht werden sollen. Dazu gehört, dass Personen mit Bleiberecht nach drei Jahren Grundkenntnisse einer Landessprache haben.

Zwei Drittel der 16- bis 25 Jährigen sollen sich nach fünf Jahren in einer beruflichen Grundbildung befinden; die Hälfte der Erwachsenen soll nach sieben Jahren im Arbeitsmarkt integriert sein.

Durchgängige Beratung

Der Integrationsprozess soll schon kurz nach der Einreise einsetzen. Bei allen Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen im erwerbsfähigen Alter wird das Potenzial abgeklärt. Eine Fachperson soll sie während des ganzen Prozesses begleiten und beraten.

Dass das auch für vorläufig Aufgenommene gilt, erklärte Sommaruga damit, dass diese oft längerfristig in der Schweiz bleiben. Vorläufig aufgenommen werden Personen, die kein Asyl erhalten, aber nicht ins Herkunftsland zurückgeschickt werden können, zum Beispiel wegen eines Krieges.

Kantone zufrieden

Die Kantonsvertreter zeigten sich vom Nutzen überzeugt - und zufrieden mit den höheren Bundesbeiträgen. Eine Erhebung habe gezeigt, dass die aktuelle Pauschale nicht einmal für die heutigen Integrationsmassnahmen reiche, sagte der Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), Regierungsrat Benedikt Würth (SG). Kantone und Gemeinden investierten 12'500 Franken pro Person.

Allein die Sprachförderung koste 8000 Franken pro Person, ergänzte der Aargauer Regierungsrat und KdK-Vertreter Urs Hofmann. Der Präsident der Sozialdirektorenkonferenz, Regierungsrat Martin Klöti (SG), stellte fest, ein politisches Projekt müsse sich in der Schweiz immer rechnen. Und dieses rechne sich. Der Nutzen sei evident. «Wir können es uns nicht leisten, die Agenda nicht umzusetzen.»

Unbegleitete Minderjährige

Bund und Kantone haben sich auch auf ein System zur Abgeltung der Kosten für unbegleitete Minderjährige geeinigt. Sie kamen zum Schluss, dass die Kosten für Betreuung und Sozialhilfe pro Person und Tag 100 Franken betragen. Davon übernimmt der Bund künftig 86 Franken. Der Bundesrat will die Subventionen für die Kantone entsprechend erhöhen. Für das Jahr 2018 betragen die Zusatzkosten rund 30 Millionen Franken.

In einem nächsten Schritt wollen Bund und Kantone die Finanzierung der Unterbringung, Betreuung und Integration im Flüchtlings- und Asylbereich insgesamt überprüfen. Das soll in den nächsten zwei Jahren geschehen. Das Ziel ist es, das Finanzierungssystem zu vereinfachen, Bund und Kantone administrativ zu entlasten und verstärkt Integrationsanreize zu setzen. (sda)

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