In einer einzigartigen Studie hat ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der ETH Zürich untersucht, wie sich die Beziehung zur Lehrperson auf das Sozialverhalten von Kindern auswirkt. Demnach reduziert ein gutes Verhältnis deutlich die Aggressivität.
Dass sich eine positive Beziehung zur Lehrerin oder zum Lehrer auch positiv auf das Sozialverhalten von Kindern auswirkt, scheint auf den ersten Blick nicht überraschend. Bei all den Einflüssen, denen Kinder sonst noch ausgesetzt sind, ist der Effekt dieser Beziehung aber alles andere als einfach nachzuweisen und zu erforschen.
Ein Team aus Wissenschaftlern unter Leitung der Cambridge University und mit Beteiligung der ETH Zürich hat sich dieser schwierigen Aufgabe gestellt, wie die Hochschule am Dienstag mitteilte. Dafür verwendeten sie Daten von über 1400 Zürcher Kinder aus der Langzeitstudie «z-proso», die ab ihrem Eintritt in die Primarschule im Jahr 2004 regelmässig befragt wurden.
In den Fragebögen sollten die Kinder unter anderem ihr eigenes Sozialverhalten bewerten und beispielsweise angeben, wie oft sie andere geschlagen, gebissen oder getreten hatten, oder wie oft sie andere zu trösten versuchten, die traurig waren oder sich verletzt hatten. Ausserdem befragten die Forscher die Eltern und Lehrpersonen zum Verhalten der Kinder.
Lehrerwechsel ausgenutzt
Um allein den Effekt der Beziehung zur Lehrperson auf das Sozialverhalten zu ermitteln, machten sich die Wissenschaftler den Lehrerwechsel zunutze, der im Schweizer Schulsystem beim Übertritt in die vierte Primarstufe ansteht. Sie bildeten 600 Zweierpärchen von Kindern, die sich vor dem Lehrerwechsel in möglichst vielen der über 100 Parameter ihres Profils sehr ähnlich waren.
Allein in ihrem Verhältnis zur Lehrperson nach dem Lehrerwechsel unterschieden sich die beiden jeweiligen Kinder. Anschliessend verglichen die Forscher die Daten der beiden aus den folgenden Jahren. Wie sozial oder aggressiv verhielten sie sich und wie entwickelte sich ihr Verhältnis zur Lehrperson weiter?
Der Vergleich zeigte einen deutlichen Effekt: Im Durchschnitt verhielten sich die Kinder mit einem guten Verhältnis zur Lehrerin oder zum Lehrer um 38 Prozent weniger aggressiv als ihre jeweiligen Gegenstücke mit einem schlechten Lehrer-Schüler-Verhältnis. Die gute Beziehung stärkte ausserdem das prosoziale Verhalten um 18 Prozent, wie die Wissenschaftler im «Journal of Youth and Adolscence» berichten.
Andere Faktoren ausschliessen
Dank des Studiendesigns konnten die Forschenden andere Einflüsse weitgehend ausschliessen, die ansonsten ebenfalls die Ursache des unterschiedlichen Verhaltens hätten sein können, wie Ingrid Obsuth von der Cambridge University auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda erklärte.
Diese starke Wirkung einer positiven Beziehung zur Lehrperson überraschte die Forschenden nach eigener Aussage. Ein gutes Schüler-Lehrer-Verhältnis trage mindestens so stark, wenn nicht sogar stärker, zu einem positiven Verhalten bei wie gängige Gewaltpräventionsprogramme, schrieb die ETH.
Ersetzen sollte man letztere aber auf keinen Fall, so die Forscher. «Diese Programme sind sehr gut und aus unserer Sicht unverzichtbar», liess sich Studienleiter Manuel Eisner von der Cambridge University in der Mitteilung zitieren. «Unsere Resultate sollten aber in die Lehrer-Aus- und Weiterbildung einfliessen, damit macht man effektive Gewaltprävention.»
«Wir haben zwar Zürcher Schüler untersucht, aber aufgrund unseres Verfahrens und der Tatsache, dass andere Studien bei jüngeren Kindern zu ähnlichen Resultaten kamen, glauben wir, dass sich unsere Ergebnisse breit verallgemeinern lassen», schloss Studienautor Denis Ribaud von der ETH Zürich. (sda)