Am Donnerstag hat der bernische Grosse Rat einen Zusatzkredit von 4,8 Millionen Franken genehmigt. Das war nötig, damit die laufenden Sanierungsarbeiten in der Justizvollzugsanstalt Witzwil nicht stecken bleiben. Denn der beauftragte Elektroinstallateur hat Konkurs gemacht, der Auftrag musste neu vergeben werden. Das Baumaterial haben die Behörden beschlagnahmt.
Am Tag nach dem Entscheid kritisiert nun der Berner Elektrobranchenverband EIT.Bern den Kanton hart und stellt den Beschaffungsprozess infrage. Der Auftrag sei an ein Tessiner Unternehmen gegangen, das offenbar weit unter den marktüblichen Preisen offeriert hatte.
Das Angebot soll bei rund 2,8 Millionen Franken gelegen haben. Beträge von 5 bis 5,8 Millionen Franken seien hierfür realistisch, sagt Manfred Ullmann, Präsident des EIT.Bern. «Die Unternehmen, die ebenfalls Offerten eingegeben hatten, machten eine Einsprache. Sie waren der Meinung, dass das fast nicht sein könne. Aus Erfahrung wussten sie, dass man alleine Materialkosten von 1,7 Millionen hat.» Es sei unmöglich, diese Arbeit zu dem Preis zu machen.
Das Brisante: Der Verband behauptet weiter, der Kanton habe die Augen vor Warnungen verschlossen. Es sei bereits im Vorfeld bekannt gewesen, dass die Tessiner Firma die Aufträge mehrfach nicht gesetzeskonform ausgeführt habe und sie in diverse Verfahren gewickelt gewesen sei. Die Branchenvertreter prangern in ihrem Schreiben an, dass die Überprüfung von Tiefpreisangeboten und das Kriterium der «Plausibilität des Angebots» ignoriert worden seien.
Bau- und Verkehrsdirektor Christoph Neuhaus widerspricht. Die Vergabe sei kein Fehlentscheid gewesen. «Wir haben ganz klare Vorschriften. Wir haben uns sauber an diese gehalten. Wir haben Belege erhalten von dem Unternehmen. Wir mussten das Unternehmen nehmen, auch wenn das der Konkurrenz nicht passt.» Es tue ihm leid, dass es so weit gekommen sei. «Aber ich erwarte auch von den Stromern, dass sie alles so montieren, wie das Gesetz es vorschreibt.»
Neben der JVA Witzwil sind auch das Spital Interlaken und weitere Projekte des Kantons vom Konkurs des Tessiner Elektroinstallateurs betroffen. In Interlaken musste ein lokales Unternehmen einspringen und den Auftrag übernehmen. Mit welchen Folgen ist noch unklar.
Der Unmut beim Elektroinstallateurverband ist jedenfalls gross. Das kantonale Beschaffungsrecht weicht vom Bundesrecht ab, denn dieses würde eine Preisniveau-Klausel beinhalten. Für den EIT.Bern ist klar: Das verursacht volkswirtschaftliche Schäden. Er verlangt, dass die ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit bei öffentlichen Aufträgen stärker berücksichtigt werden. Die Stärkung des Qualitätswettbewerbs sei gegenüber dem Preiswettbewerb nicht beachtet und die Elektrobranche in ein schlechtes Licht gerückt worden, heisst es.