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Schaden Klimaaktivisten den Grünen im Wahlkampf?

Am Montagabend kam es beim Bahnhof Bern zu einer Protestaktion der Organisation «Renovate Switzerland»
Am Montagabend kam es beim Bahnhof Bern zu einer Protestaktion der Organisation «Renovate Switzerland»

Schaden Klimaaktivisten den Grünen im Wahlkampf?

In Bern haben am Montagabend ein Dutzend Aktivistinnen und Aktivisten von Renovate Switzerland den Verkehr vor dem Hauptbahnhof behindert. Gerade jene Leute, die sich lautstark über die Störaktionen ärgern, lachen sich gleichzeitig ins Fäustchen. Denn ihre These lautet: Diese Aktionen schaden ausgerechnet der Grünen Partei. Doch ist das tatsächlich der Fall?
03.10.2023, 15:0903.10.2023, 15:09
Matthias Fuchser / ch media
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Die Grünen sind rund 20 Tage vor den Wahlen im Umfragetief. Die letzte Tamedia-Prognose spricht der Partei nach dem 22. Oktober 2023 noch einen Wähleranteil von 10,5 Prozent zu, was einem Minus von 2,7 Prozentpunkte entspricht. Nach der historischen Wahl 2019, mit so vielen Sitzgewinnen wie noch nie, droht nun also ein Dämpfer.

Viele selbsternannte Expertinnen und Experten im Internet haben eine einfache Antwort parat, weshalb dem so ist: Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten, die mit der Grünen Partei in Verbindung gebracht werden, schaden dieser mit ihren Klebe- und Störaktionen. Oder im Internetjargon ausgedrückt: «Renovate Switzerland macht Wahlkampf für die SVP», wie ein Social-Media-User am Montagabend zum Protest von Renovate Switzerland beim Berner Bahnhof schrieb. Doch ist das tatsächlich so?

Co-Präsidentin der Grünen Kanton Bern Brigitte Hilty Haller antwortet äusserst diplomatisch auf die konkrete Frage: «Wir verstehen, dass man sich im Kampf gegen den Klimawandel, ohnmächtig fühlen kann und zu aussergewöhnlichen Mitteln greifen will. Wir Grünen haben einen anderen Weg gewählt und wollen über die Politik etwas bewegen. Dazu brauchen wir möglichst viele Stimmen.»

Abschreiben lassen will sich Brigitte Hilty Haller im aktuellen Wahlkampf nicht: «2019 haben uns die Prognosen deutlich weniger Stimmen zugetraut, als wir schliesslich geholt haben.»

«Von den Grünen wechselt fast niemand zur SVP»

Wie steht die Wissenschaft zur These aus dem Internet? Klar könne man sagen, dass die Klimabewegung mit ihrem zivilen Ungehorsam ein Ärgernis für viele ist, meint Lukas Golder, Politologe vom Forschungsinstitut GfS Bern dazu.

Dass Wählerinnen und Wähler der Grünen aber plötzlich zur SVP wechseln, beobachte man äussert selten, so Golder weiter: «Leute mit grossem Umweltbewusstsein lassen sich gewöhnlich nicht von grünen Ideen wegbringen, auch wenn sie sich an extremen Aktionen oder Bewegungen stören.»

Golder sieht verschiedene Gründe, weshalb die Grünen in den Prognosen aktuell schlechter abschneiden, als vor vier Jahren bei den Wahlen. «2019 hat die Stimmungslage extrem zugunsten der Grünen Parteien mobilisiert. Das Thema ‹Klima› war omnipräsent und es gab eine geeinte Bewegung. Jetzt sind auch andere Themen präsent und das Pendel schlägt etwas zurück», so Golder. Auf die Klimawahl folge eine Stabilisierungswahl, erklärt der Experte.

Wer kann die Nicht-Wähler mobilisieren?

Das grosse Fragezeichen, auch bei den jetzigen Prognosen, bleibt die Wahlbeteiligung.

Bezüglich der Mobilisierung von Nicht-Wählerinnen und Wählern schafft aus Sicht von Lukas Golder noch keine Partei ein Wunder: «Auch der mutmasslichen Wahlsiegerin, der SVP, gelingt es nicht, eine offensive Stimmungslage zu kreieren. Deshalb gehe ich aktuell von einer Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent aus», erklärt er.

Mit anderen Worten: Die SVP punktet zwar bei ihren Wählerinnen und Wählern und liegt laut den Prognosen auf Kurs. Eine Massenmobilisierung ist aber auch ihr bisher nicht gelungen – auch nicht mit ihrer Kritik an Störaktionen der Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten.

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