Die Stadt Bern hatte sich als möglicher Austragungsort für die nächste Ausgabe des Eurovision Song Contest ESC im Frühling 2025 bereits geäussert. Eine mögliche Austragung werde geprüft, der Terminkalender sei im Frühjahr 2025 aber bereits sehr voll, teilte Stadtpräsident Alec von Graffenried mit.
Begeistert vom Contest sind aber bei weitem nicht alle – eine prominente Figur aus der Berner Politik will den Anlass explizit nicht in der Bundesstadt sehen. Der streitbare Berner Regierungsrat und Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) schoss am Montagmorgen auf X besonders scharf gegen den Musikwettbewerb. Die «Berner Zeitung» berichtete am Montag zuerst darüber.
Im Post kritisiert der FDP-Politiker den Wettbewerb und die Berichterstattung darüber mit auffällig scharfen Worten. Der «korrupte ESC» sei dieses Jahr «antisemitisch geprägt» und von «schlimmen Gewaltereignissen geprägt». «ESC, bleib fern von Bern», urteilt Müller. Auch die Tamedia-Zeitungen kriegen ihr Fett weg – Müller ist den Berner Blättern BZ und Bund in herzlicher Abneigung verbunden.
Dass die Stimmung in der Halle tatsächlich extrem schwierig war, ist eine Tatsache. Die israelische Sängerin Eden Golan wurde gnadenlos ausgebuht, rund um die Halle in Malmö kam es zu antisemitischen Parolen und Demonstrationen pro-palästinensischer Aktivisten.
In den Kommentaren hagelt es Kritik an den Aussagen des Regierungspräsidenten. Viele spielen dabei auch auf die mutmassliche Spesenaffäre des FDP-Politikers an, einige fordern gar den Rücktritt Müllers.
Deutliche Worte findet der Bieler Stadtpräsident Erich Fehr, der Nemo bereits zum Sieg gratuliert hatte und auf X an die Übergabe der «Best Talent»-Auszeichnung der Swiss Music Awards an Nemo erinnerte.
«Ich schäme mich, Berner zu sein. Ich schäme mich für diesen Regierungspräsidenten», sagt Erich Fehr im Interview mit «Canal 3» und «Ajour». «Ganz Europa freut sich über Nemos Sieg; der Berner Regierungspräsident gratuliert nicht und lanciert einen verbalen Rundumschlag. Ich finde, das geht nicht.»
Der Bieler SP-Politiker kritisiert aber nicht nur Müller, sondern die ganze Berner Regierung. «Ich finde es ein schwaches Zeichen der Gesamtregierung, dass bis jetzt keine Gratulation gekommen ist.» Während Bundesrätinnen bereits gratuliert hätten, gebe es von der Berner Regierung bisher «bedenkliches Schweigen».
Der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried sagt auf Anfrage, er kommentiere keine Tweets von Regierungsrat Müller. Man darf annehmen, dass auch er nicht einverstanden ist mit dem Tweet.
Andere zeigen sich begeisterter vom Sieg des Bieler Gesangtalentes in Schweden. In der Stadt Bern gibt es Forderungen zur lokalen ESC-Austragung – und das ausgerechnet von Parteikollegen von Philippe Müller.
Auch andere Schweizer Städte sind an einer Austragung interessiert. Zürich und Genf haben bereits angegeben, eine Bewerbung für den ESC prüfen zu wollen. Welche Stadt den Zuschlag erhält, entscheiden die SRG, das SRF und die European Broadcasting Union (EBU) voraussichtlich im September.