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Job finden: Was beim Bewerbungsprozess wirklich zählt

Irina Stucki, Co-Gründerin von ciivii
Was kommt wohin, wie lang und wie am besten? Irina Stucki hilft dir, deinen Lebenslauf auf Vordermann zu bringen.Bild: FH SCHWEIZ
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«Recruiter entscheiden nach fünf bis zehn Sekunden»

Du möchtest dich bewerben, musst einfach noch rasch dein CV durch ein KI-Programm laufen lassen? Keine so schlechte Idee. Aber reichen wird es nicht. Oder du gibst deinen Lebenslauf direkt einem Profi wie Irina Stucki. Sie verrät, worauf es heute in einem modernen CV ankommt.
30.12.2024, 14:00
guy studer
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Es ist Jahresende, und wir alle fassen uns natürlich gute Vorsätze für das neue Jahr. Gesünder essen, weniger trinken, mehr Sport, ganz sicher ein neues Fitness-Abo.

Und warum nicht gleich ein neuer Job? Rund um den Jahreswechsel lohnt sich ein Blick in die Stellenportale, in dieser Zeit werden eher mehr Stellen ausgeschrieben als üblich.

Wo sich aber viele bewerben, wird effizient gesiebt. Recruitern bleibt kaum Zeit, eine erste Entscheidung zu treffen. Immer öfter läuft dein Dossier durch ein KI-unterstütztes Software-Programm. Höchste Zeit also, dein Curriculum Vitae, kurz CV, wieder einmal auf Vordermann zu bringen. Schafft es dieses nicht über die erste Hürde, wird auch dein Bewerbungsschreiben nicht gelesen.

Irina Stucki, Co-Gründerin ciivii
Irina Stucki.Bild: zvg

Durch «schlimme» Lebensläufe zur Geschäftsidee

«Das Recruiting verändert sich schnell», sagt auch Irina Stucki. Sie kennt die Branche aus ihrer Berufskarriere im HR und der Stellenvermittlung sowie als Selbstständige. «Ich habe dabei Lebensläufe gesehen, die teilweise wirklich schlimm verfasst waren.» Dieselbe Erfahrung machte auch Rebecca Greter, ihre Kollegin aus dem Studium in angewandter Psychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz. So entstand eine Geschäftsidee, und 2016 gründeten die beiden «ciivii». Die Firma hat sich darauf spezialisiert, für Kunden massgeschneiderte und zeitgemässe Lebensläufe und Bewerbungsschreiben zu erstellen.

Und auch in Zeiten von KI-Hilfsmitteln geht ihnen die Arbeit nicht aus, wie Irina im Interview erzählt.

KI-unterstützte Programme sortieren Bewerbungen aus. Mit KI-Programmen kann ich mein CV auch selber optimieren. Sind wir nun im Zeitalter angelangt, in dem sich Maschinen bei Maschinen auf Jobs für Menschen bewerben?
Irina Stucki: Unsere Kunden bringen immer häufiger von KI erstellte CV, die wir optimieren sollen. In der Schweiz sind wir aber sicher noch nicht so weit wie in anderen Ländern. Viele Firmen, gerade KMU, rekrutieren noch traditionell. Von «Maschine gegen Maschine» würde ich also nicht sprechen. Eine KI-Optimierung macht aber sicher für die meisten Sinn; insbesondere für jene Menschen, die über heutige Bewerbungsprozesse wenig wissen und sich schon lange nicht mehr beworben haben. Gleichzeitig gilt es, KI-generierte Inhalte stets kritisch auf ihren Inhalt hin zu hinterfragen.

Es wird teilweise behauptet, mit einer von ChatGPT erstellten Bewerbung sei man erfolgreicher als mit einer von Hand geschriebenen.
Das kommt drauf an! Mein Eindruck ist, dass ich noch immer erkenne, wenn jemand etwas mit KI geschrieben und kaum angepasst hat. Ich denke, so geht es auch HR-Leuten. Wenn Recruiter nun auf eine Stelle mehrere Bewerbungen mit immer denselben Floskeln bekommen, wird dies eher ein Nachteil sein. Das kommt aber auch auf den Recruiter an und darauf, wie viel Zeit man in die Verfeinerung der KI-Ergebnisse investiert.

«Wenn Recruiter auf eine Stelle mehrere Bewerbungen mit immer denselben Floskeln bekommen, wird dies eher ein Nachteil sein.»
Irina Stucki

Damit ich auf eine Stelle «matche», muss ich meine Tätigkeiten und Skills mit Worten beschreiben, die im Stelleninserat gefordert werden. Diese Keywords sollen der Schlüssel sein. Richtig?
Die Tätigkeiten in den bisherigen Funktionen sollten im CV unbedingt beschrieben werden. Hier sind die richtigen Keywords sehr wichtig. Für KI-Systeme wie auch für Recruiter. Letztere sind nicht immer vom Fach. Gerade in stark spezialisierten Bereichen suchen sie im ersten Durchgang ebenfalls nach den relevanten Keywords, um die fachliche Qualifikation für die Stelle abzuschätzen. Werden nur Stellenbezeichnungen aufgezählt, so fehlen die Keywords. Insgesamt muss ein CV aber stimmig und authentisch sein. Daher gilt es auch, diesen nicht mit Keywords zu überladen.

Wie betone ich im CV meine Soft Skills?
Zu einem modernen CV gehört in der Regel das Kurzprofil zum Einstieg, in dem man sich vorstellt. Dort beschreibt man auch seine Soft Skills. Wichtig ist, dass man keine stichwortartige Aufzählung macht, sondern die allerwichtigsten Punkte in prägnanten, aussagekräftigen Formulierungen darstellt. Prinzipiell aber ist ein Lebenslauf nach wie vor ein Factsheet, ein Recruiter wird in der ersten Runde auf die berufliche Qualifikation achten.

Eine kürzlich publizierte Studie kam zum Schluss: Soft Skills sind schön und gut, entscheidend für HR-Leute sind aber praktisch nur die Hard Facts.
Im Arbeitsalltag sind Soft Skills auf jeden Fall sehr wichtig. Aber was den Entscheidungsprozess in einer Bewerbung betrifft, gerade in der ersten Runde, zählen die Fakten. Daher würde ich der Studie recht geben. Wer ich bin und wie ich bin, wird mein potenzieller Arbeitgeber frühestens in einem Bewerbungsgespräch sehen, eigentlich gar erst, wenn ich dort arbeite. Nichtsdestotrotz ist das Kurzprofil Teil eines modernen CV. Es zeigt auch: Ich kann mich selber in wenigen Worten persönlich beschreiben.

«Beim Entscheidungsprozess in einer Bewerbung zählen die Fakten.»
Irina Stucki

Was sind die wichtigsten Merkmale eines zeitgemässen Lebenslaufs?
Recruiter treffen die erste Entscheidung nach fünf bis zehn Sekunden. Eine gute Leserführung ist sehr wichtig. Standesgemäss hat ein moderner CV deshalb zwei Spalten. So sieht man auf etwa derselben Höhe die wichtigsten Infos zur aktuellen Berufserfahrung und Ausbildung. Das Wesentliche muss praktisch auf einen Blick zu erfassen sein. Und ein CV sollte nie mehr als zwei Seiten enthalten. Ich habe Kunden, die mir bis zu achtseitige Lebensläufe senden.

Wie bringe ich das so kurz hin?
Kompetenzen wie etwa Sprachen stellen wir mit Icons dar, beispielsweise mit Punkten oder Sternen. So kann sie das Auge schneller erfassen. Und keine ausschweifenden Beschreibungen, sondern wie erwähnt an richtiger Stelle die Keywords platzieren. Wichtig ist zudem, dass das Format stimmt. Meistens wird nach einem PDF verlangt.

Was hältst du von Bewerbungsclips?
Ich finde das durchaus cool für bestimmte Zwecke, bin aber auch skeptisch. Damit können auch potenziell gute Kandidaten von einer Bewerbung abgeschreckt werden – beispielsweise introvertierte Menschen. Für gewisse Jobs aber, etwa im kreativen Bereich oder im Verkauf, in denen man sich präsentieren muss, kann es Sinn machen. Eher Potenzial sehe ich in den Video-Assessments, wie sie gewisse Firmen durchführen. Dort werden Stimme und Mimik von einer KI gemessen, um eine Person einzuschätzen, auch hinsichtlich der Soft Skills. Das kann spannend sein, wenn sich damit versteckte Stärken entdecken lassen.

Contentpartnerschaft mit fhnews.ch

Die Beiträge dieses Blogs werden nicht von watson verfasst, sondern stammen von der Plattform fhnews.ch (betrieben vom DachverbandFH Schweiz).

Darin geht es um Themen rund um die Arbeitswelt sowie Aus- und Weiterbildung.
Hier gibt Irina Stucki zudem kurz und bündig die wichtigsten Tipps, wie du dein CV erstellen musst.

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86 Kommentare
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Rethinking
30.12.2024 14:56registriert Oktober 2018
Meiner Erfahrung nach sind HR Leute in den meisten Unternehmen Sachbearbeiter die nix anderes tun als Briefe zu schreiben und die Lohnadministration durchzuführen…

Eine Ahnung zu den ausgeschrieben Jobs haben sie nicht und beurteilen können sie die Kandidaten genauso nicht…
1996
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Graf von Rüdesheim
30.12.2024 17:04registriert Februar 2022
Ok, ich fasse mal zusammen. Viele abgehobene z.T. blutjunge HR Fuzzies haben das Gefühl, trotz Fachkräftemangel hätten Bewerber immer noch devot anzukriechen. Dass sich eine Firma ebenfalls selber zu bewerben hat, scheint bei vielen noch nicht angekommen zu sein.
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El_Chorche
30.12.2024 16:03registriert März 2021
Die Qualität der HR-Abteilungen in der Schweiz hat in den letzten Jahren extrem nachgelassen.

Sie kümmern sich nicht mehr um die Angestellten, sondern sind nur noch Erfüllungsgehilfen der Geschäftsleitung.
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    Haben Grosseltern das Recht, ihre Enkel zu sehen?
    Das Gesetz hilft Grosseltern, die auf den Kontakt zu ihren Enkeln pochen, kaum weiter. Nur in aussergewöhnlichen Fällen gibt es einen Anspruch auf Kontakt. Dies ist dann allerdings ein Anspruch des Kindes, nicht seiner Grosseltern.

    Ohne Grosseltern geht oft wenig. Wie das Bundesamt für Statistik schreibt, haben 2023 gut 40 Prozent der Grosseltern ihre Enkel unter 13 Jahren mindestens einmal pro Woche betreut, bei den Grossmüttern allein waren es gar knapp 50 Prozent. Verpflichtet dazu sind sie jedoch nicht – und genauso wenig haben sie ein formales Recht, ihre Enkel zu sehen.

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