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Saminigginäggi ...

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Saminigginäggi ...

06.12.2015, 13:1406.12.2015, 14:08
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Ich weiss ja nicht, wie’s euch geht, aber für mich war der Samichlaustag als Kind immer eins der absoluten Highlights des Jahres. Ich weiss nun leider nicht genau, was das über mich aussagt, denn der Tag war damals eine Mischung aus überwältigender Euphorie und totalem Terror. 50 Shades of Samichlaus, wenn man so will.  

Meine Eltern erhielten den Mythos sehr lange aufrecht, also bis zu meinem 25. Geburtstag. Nein, im Ernst: Die Samichlaustradition war bei uns ein grosses Spektakel. Schon Wochen vorher wurden Versli einstudiert. «Saminigginäggi», «Samichlaus, du guete Maa», «Eseli Eseli», trallalla... 24/7. Keine Ahnung, wie meine Eltern das aushielten.  

In den Abendstunden des 6. Dezember herrschte dann angespannte Stille und Klein-Yonni hing ihrer Mutter gebannt am Rockzipfel, die Augen immer wieder suchend in den Garten gerichtet. Manchmal bekam ich mit, wie eine rot-bemantelte Figur durch den Schnee stapfte, manchmal wurde ich gänzlich vom Poltern an der Tür überrascht. Heute schlägt mir nur schon beim Gedanken daran das Herz wieder etwas schneller – ein bisschen, wie wenn der Kontrolleur im Tram kommt: Selbst wenn man ein Ticket hat, wird man kurz etwas nervös.  

Auf jeden Fall wurde der Samichlaus von meinen Eltern standesgemäss begrüsst: «Hoi, du liebe Samichlaus, chum nur ine an Schärme» und es dröhnte ihnen alsbald sonor entgegen: «Danke, liebi Katrin und liebe Thomas (ja, der Samichlaus kennt dänk auch die Namen der Erwachsenen, die waren ja auch mal Kinder, duh), chalt isches gsi ufem Wäg usem Tannewald, ich chume gern ine cho mini Chlüppli wärme», und er schritt mit seinen schweren Stiefeln und seinem langen Mantel an mir vorbei, während ich mich an die Beine meines Vaters klammerte.

Vor dem Cheminée stand bereits der Sessel bereit, der einst meinem Grossvater gehört hatte und der grosse, schwere Mann liess sich ächzend darin nieder. «S’Eseli hät ebe de Pfnüsel, drum bini jetzt z’Fuess cho.» In all den Jahren fiel mir nie auf, dass dieses verfluchte Grautier wohl ein Mega-Hypochonder gewesen sein musste. Schmutzli war dann halt auch nie dabei, weil er ja zum Eseli schauen musste. Machte natürlich Sinn.  

Die Familie setzte sich rund um den Samichlaus, der nun ein grosses Buch aus seinem Jutesack zog, es aufschlug und sehr ernst in die Runde schaute. Im Buch klebte jeweils eine Liste, die meine Mutter aufwändig in ganz krakeliger Schrift geschrieben hatte, sodass es aussah, als hätte tatsächlich ein uralter Mann sie verfasst.    

Pädagogisch wertvoll, wie meine Erziehung war, kamen natürlich meine Eltern zuerst an die Reihe. Als Nesthäkchen der Familie kam ich immer zuletzt dran und ich wurde, je näher der Moment rückte, in dem der Samichlaus fragte «Und wo isch s’Yonni?», desto kleiner. Es folgte dann ein kleiner Vortrag darüber, dass ich mein Zimmer nie richtig aufräumen (ich war halt kreativ, gäll?) und noch immer regelmässig bei meinen Eltern schlafen würde. Heute kann ich mir vorstellen, wie anstrengend das für meine Mutter und meinen Vater gewesen sein musste, aber einem kleinen Blondschopf im Einteiler-Pischi mit Füessli kann man halt auch mitten in der Nacht nichts ausschlagen.  

Zum Schluss sagte der Samichlaus mahnend: «Tuesch jetz amigs i dim Bett schlafe, gäll? Du bisch ja scho e Grossi!» und ich nickte eifrig. Die Einschüchterung hielt dann auch ein paar Nächte an und ich schlief in meinem Bett in meinem aufgeräumten Zimmer.  

Nach dem hochpädagogischen Mini-Zusammenschiss kam meine grosse Stunde und ich stellte mich im Röckli und in Lackschüehli vor den Samichlaus und sagte stotternd und holpernd mein Versli auf. Der alte Mann sass in seinem Sessel und hörte mir geduldig und aufmerksam zu, lachte dabei ein zufriedenes Lächeln und klatschte laut und euphorisch in die Hände, wenn ich mein Werk beendet hatte. Zur Belohnung gab’s dann Mandarinli und Nüssli und Schoggitaler.  

Alsbald machte sich der Samichlaus wieder auf den Weg – er müsse ja auch noch zu allen anderen Kindern. Das verstand ich natürlich.  

Ich erinnere mich heute noch, wie ich an der Terrassentür stand und zuschaute, wie er stapfend unseren verschneiten Garten durchschritt und in der Dunkelheit verschwand.  

Spannenderweise kam mein Götti, der eigentlich auch ein Versli hätte aufsagen sollen, immer ein kleines bisschen zu spät. Ich weiss noch, wie schlimm ich es fand, dass er den Samichlaus immer so knapp verpasste und ich erzählte ihm, sobald er da war, den ganzen Abend bis ins kleinste Detail.  

Und dann war’s ein bisschen, als wäre er dabei gewesen.  

Euch allen einen schönen Samichlaustag!  

P.S. Hier noch mein allerliebstes Samichlausversli, das mir noch heute das Herz zum Schmelzen bringt:  

S’Christchindli und de Samichlaus  

Es dunklet scho im Tannewald
Und schneielet ganz lisli.
Was isch das für es liechtli det
I säbem chline Hüsli?

Det isch de Samichlaus deheim
Mit sine guete Sache!
Er hät scho s’Lämpli azündt
Und tuet grad Kafi mache.

Da pöpperlets am Lädeli,
und s’Glöggli ghört er lüte!
Jetzt weiss er scho, wer dusse isch
Und was das söll bedüte:

S’Christchindli chunt na zabig spat,
Es wird en welle stupfe,
Er mües de Sack bald füreneh
Und sini Finke lupfe!

S’Christchindli seit: „Herr Samichlaus,
E schöni Ornig händer!
De Christtag staht ja vor de Tür
Händ Ihr dänn kein Kaländer?

S brucht Wiehnachtsbäum i jedes Hus,
Für vili hundert Chinde,
Ihr müends im Wald na haue hüt,
De Vollmond sell Eu zünde!“

De Samichlaus stellt d’Tasse ab:
„Nu nid so gsprängt, Christchindli.
Die Bäumli müend gwüss bsorget si,
Das hät na Ziit es Stündli.

Ich möcht jetz ämel na in Rueh
Min z Abig fertig chäue
Und wänn es Tässli gfellig wär,
So würds mi herzli freue!“

S’Christchindli lachet:
„Ja nu so dänn, da hani nüt degäge;
Es bitzli öppis Warms tuet guet
Uf mine wite Wäge!
Me cha ja dänn na allerlei
Abrede und usmache,
Was jedes Chind sell übercho
Vo dene schöne Sache.“

Sie sitzed gmüetli binenand
Im chline Stübli hine
De Vollmond zündt d’Laterne a
Und lueget heimli ine;

Er loset lang am Feischterli
Und uf der Hustürschwelle ...
Wänn er nu besser rede chönnt,
Er würd’s mer gwüss verzelle.

von Rudolf Ziegler

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Yonni Meyer
Yonni Meyer (33) schreibt als Pony M. über ihre Alltagsbeobachtungen – direkt und scharfzüngig. Tausende Fans lesen mittlerweile jeden ihrer Beiträge. Bei watson schreibt die Reiterin ohne Pony – aber nicht weniger unverblümt. 

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