Der Fall von Erwiana Sulistyaningsih könnte nicht nur für ihre Peinigerin ein böses Nachspiel haben. Diese steht seit einigen Tagen in Hongkong vor Gericht, weil sie ihre indonesische Haushälterin mehr als ein halbes Jahr gequält haben soll.
Die 23-Jährige wurde so übel zugerichtet, dass sie nach Aussage ihres Arztes nicht gehen kann, geschweige denn scharf sehen kann. Ursache dafür sind unter anderem Schwellungen des Gehirns, die sie bei Schlägen auf den Kopf erhalten hat.
Doch verhandelt wird in diesen Tagen nicht nur über das Strafmass für eine abscheuliche Tat. Die Konsequenzen, die Indonesien zu ziehen gedenkt, könnten unter Umständen ganz Hongkong empfindlich treffen.
Die Regierung in Jakarta möchte nach den jüngst publik gewordenen Misshandlungen künftig keine Hausangestellten mehr nach Übersee schicken. «Wir wollen das bis 2017 umsetzen», sagte der im indonesischen Aussenministerium zuständige Direktor, Tatang Budie Utama Razak, der Nachrichtenagentur dpa.
Etwa die Hälfte der 320'000 Haushaltshilfen im wohlhabenden Hongkong sind Frauen aus Indonesien. Geht es nach dem Willen Jakartas soll sich das bald ändern.
So berichtete die «South China Morning Post» kürzlich über Verhandlungen zwischen Vertretern Indonesiens und Hongkongs. Dabei sei es um die Möglichkeit gegangen, lieber qualifizierte Arbeitskräfte, etwa vom Bau, aus Indonesien zu entsenden.
Derweil ist Erwiana Sulistyaningsih vor drei Wochen nach Indonesien zurückgekehrt, wo sie in einem Spital behandelt wird. In einem Telefongespräch mit ihr und ihrem Vater berichtete der indonesische Präsident Susilo Bambang Yudhoyono über seinen «Ärger» sowie seine «Besorgnis» über die Angelegenheit.
Vor knapp einer Woche gingen rund 1000 Hausangestellte und ihre Unterstützer in Hongkong auf die Strasse. Es war bereits das dritte Mal, dass sie ihre Empörung über den Fall ihrer jungen Kollegin zum Ausdruck brachten.
Erst im vergangenen Jahr offenbarte eine Studie der Hongkonger Behörden das ganze Ausmass des Problems. Demnach haben 58 Prozent der Haushaltshilfen verbale Angriffe erdulden müssen, 18 Prozent wurden körperlich misshandelt und sechs Prozent berichteten von sexuellem Missbrauch.
Die Leiterin des Netzwerkes indonesischer Gastarbeiter, Eni Lestari, hält wenig davon, den Frauen aus ihrer Heimat die Arbeit im Ausland untersagen zu wollen. «Der Plan der Regierung ist eine Illusion. Die Regierung ist damit gescheitert, Arbeitsplätze bereitzustellen. Gleichzeitig war sie nicht in der Lage zu erkennen, dass die meisten Jobs im Ausland eben in Hausarbeit bestehen», sagt sie.
Ein Verbot könnte womöglich zu einer Zunahme des Menschenhandels führen, gibt Robert Godden von Amnesty International zu bedenken. «Die Erfahrung zeigt, dass Verbote oft von Vermittlern umgangen werden und dabei Frauen auswandern, ohne dass dies amtlich erfasst wird. Das erhöht aber ihre Anfälligkeit für sexuelle Ausbeutung, Zwangsarbeit und Misshandlung», sagt Godden.
Die Politik in Hongkong gibt sich angesichts der Diskussion betont gelassen und verkündet, ein Mangel an Haushälterinnen könne durch die Unterstützung Burmas ausgeglichen werden. Die aktuelle Berichterstattung würde die Arbeitskräfte dort jedenfalls nicht ängstigen, teilte der Abgeordnete Felix Chung Kwok-pan jüngst mit.
Ausländische Helferinnen arbeiten seit dem wirtschaftlichen Aufschwung Hongkongs in den 70er Jahren in der Stadt. Neben dem Haushalt kümmern sie sich um die Kinderbetreuung oder pflegen alte Menschen. Ihr Mindestlohn liegt derzeit bei umgerechnet rund 160 Franken im Monat. (pbl/sda)