Am Freitagnachmittag will der Bundesrat über die Lancierung des Schweizer Covid-Zertifikats informieren. An der Medienkonferenz mit Vertretern des Bundesamtes für Informatik und Telekommunikation (BIT) müssen die Verantwortlichen vor allem auch die Frage beantworten können, wie die vielen bereits geimpften Personen im Land möglichst rasch an ihr Zertifikat kommen. Recherchen von watson zeigen, dass der Bund ein konkretes Angebot der Post zur logistischen Unterstützung in den Wind geschlagen hat.
Es ist ein technisches und logistisches Mammutprojekt, bei dessen Umsetzung Bund und Kantone eine zentrale Rolle spielen werden: In den kommenden Wochen sollen geimpfte, getestete und genesene Menschen in der Schweiz eine offizielle Bestätigung für ihren Corona-Status erhalten. Vom Staat ausgestellt. Und angeblich manipulationssicher.
Das Covid-Zertifikat soll Geimpften, von Covid-19 Genesenen und Negativ-Getesteten diesen Sommer den Zugang zu Grossveranstaltungen ermöglichen und ihnen das Reisen in Länder der Europäischen Union (EU) massiv erleichtern.
Interessenten dürfte es viele geben. Gestern Donnerstag galten 1’741’670 Menschen in der Schweiz als «vollständig geimpft». Unklar ist zur Stunde, wie all diese Leute zeitnah zum Zertifikat kommen.
Vereinfacht gesagt muss eine autorisierte Person aus der bestehenden «Impf-Bestätigung» ein fälschungssicheres Covid-Zertifikat generieren. Angesichts der grossen Anzahl Betroffener ist dies eine logistische Herausforderung.
Bei der Bewältigung der Nachfrage mithelfen wollte die Schweizer Post: Die Post-Konzernleitung schlug dem Bund vor, dass alle Interessierten ihre Impfbestätigung, die sie von ihrem Hausarzt oder dem Impfzentrum erhielten, am Post-Schalter hätten «digitalisieren» können. Auch das Einscannen von negativen Testresultaten war so angedacht.
Dabei hätte man auf eine Infrastruktur von landesweit rund 1000 Post-Filialen setzen können. Doch der Bund wollte davon nichts wissen. «Unser Angebot wurde abgelehnt», sagt Post-Sprecherin Léa Wertheimer und bestätigte am Donnerstag entsprechende Recherchen von watson.
Es sei ein deutliches «Nein» gewesen, heisst es aus informierten Kreisen, die Hintergründe sind nicht bekannt. Sicher ist: Der Bund lehnte ab, ohne über die Kosten zu sprechen.
Der «Sonntagsblick» hatte am 22. Mai berichtet, dass der Post-Verwaltungsratspräsident Urs Schwaller mit dem Bund Kontakt aufnehmen werde. Schon damals signalisierte das zuständige Bundesamt Ablehnung. Eine Zusammenarbeit mit der Post komme nicht infrage. Begründung? Fehlanzeige.
Zur Erinnerung: Der Post-Konzern hatte sich zuvor wie viele andere Unternehmen um den Auftrag beworben, das Schweizer Covid-Zertifikat technisch umzusetzen. 50 Bewerber reichten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) einen Vorschlag für eine technische Lösung ein. Den Zuschlag erhielt das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT).
Die rasche Bereitstellung solcher Covid-Zertifikate noch vor den Sommerferien stelle vor allem grosse Kantone vor ebenso grosse Herausforderungen, konstatierte SRF am vergangenen Dienstag. Und es wurde ein Zürcher Hausarzt zitiert, der stellvertretend für die Ärzteschaft die Bedenken formulierte, es könnte zu Verzögerungen kommen.
Die Kantone müssten ein horrendes Tempo anschlagen, um die technischen Vorgaben des Bundes zu erfüllen, heisst es weiter im SRF-Bericht. Es gehe darum, sogenannte «Aussteller» zu benennen. Im besten Fall seien das Fachleute in den Impf- und Testzentern, den Spitälern, Arztpraxen und Apotheken. Wer ein Zertifikat wolle, gehe zu ihnen.
Wenn alle Daten sauber erfasst seien, erhalte der «Aussteller» im Kanton grünes Licht und könne das Zertifikat übergeben. Doch stelle sich die Frage nach dem Zeitaufwand, schreibt SRF: «Falls diese Vorgänge digital nicht effizient eingerichtet sind und pro Antragstellerin oder Antragsteller mehr als drei, vier Minuten dauern, werden vor den Sommerferien längst nicht alle ein Zertifikat in den Händen halten.»
Wird es auch möglich sein, das Zertifikat auf der Gemeindeverwaltung am Wohnort abzuholen? Darauf deuten technische Dokumentationen zum geplanten Covid-Zertifikat, die über mögliche Login-Verfahren Auskunft geben.
In einem vom BIT veröffentlichten Dokument zum Covid-Zertifikat ist unter «Zukünftige Funktionen» eine Schnittstelle erwähnt, die es über das Web ermöglichen soll, Covid-Zertifikate ausdrucken und per Post zustellen zu lassen. Die Logistik dazu komme vom Bundesamt für Bauten und Logistik. Sprich: Die Post kommt nur als Pöstler zum Zug.
Das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) wollte auf wiederholte Nachfrage hin vor der Medienkonferenz am Freitagnachmittag keine Details verraten.
Sicher ist: Mit hunderten Filialen hätte die Post das Verfahren zusätzlich vereinfachen können – angesichts eingeschränkter Öffnungszeiten von Gemeinden, Apotheken oder Praxen.
Die Post-Sprecherin erwähnte gegenüber watson auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: «Gerade die Erfahrung mit älteren Personen zeigen, dass nicht alle digital unterwegs sein wollen. Sie hätten mit ihrem Impfbüchlein an einem Post-Schalter ein Covid-Zertifikat in Papierform beziehen können.»
Auf der Software-Entwicklungsplattform Github.com, die das BIT für das Covid-Zertifikat nutzt, sind neue Informationen verfügbar, was den Zeitrahmen betrifft. Bei der Roadmap handelt es sich gemäss Beschrieb um einen «Entwurf als Diskussionsgrundlage» für die Projektbeteiligten.
Demnach sollen:
Die EU setzt auf die gleiche Technik, mit manipulationssicheren Zertifikaten in Form von QR-Codes, wobei die öffentlichen Kryptografie-Schlüssel für die Überprüfung über einen Server aus den Mitgliedsländern bezogen werden.
Der EU-Gateway-Server, mit dem nationale Covid-Zertifikate grenzüberschreitend überprüft werden können, ging diese Woche in Betrieb. Die dafür benötigte europäische Schnittstelle laufe bereits, hiess es seitens EU-Kommission. Das sei «einen Monat früher als geplant».
Mit Deutschland, Bulgarien, Tschechien, Dänemark, Griechenland, Kroatien und Polen haben sieben Mitgliedsstaaten angekündigt, sich umgehend mit dem System zu verbinden. Diese Länder könnten also bereits entsprechende Covid-Zertifikate ausgeben und gegenseitig anerkennen.
Persönlich habe ich allerdings meine allergrössten Zweifel...