Das griechische «Duo infernal» sucht die Konfrontation: Der linke Regierungschef Alexis Tsipras und sein Finanzminister Giannis Varoufakis wollen eine sechsmonatige Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms nicht akzeptieren. Varoufakis lehnte am Montag am Krisengipfel der Euro-Finanzminister einen entsprechenden Kompromissvorschlag ab.
Nun stellt man sich in Europa die bange Frage: Wollen die Griechen wirklich eine Staatspleite und den Euro-Austritt – den so genannten «Grexit» – riskieren? Die Eurogruppe gibt Griechenland bis Ende der Woche Zeit, um einzulenken. Ein weiteres Treffen könnte am Freitag stattfinden. Warum aber ist das Griechenland-Problem ungelöst? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Tsipras und Varoufakis halten hartnäckig am Ziel der Schuldenentlastung fest. Deshalb soll das Ende Februar auslaufende Rettungsprogramm der Europäer nicht verlängert, Teile der als Spardiktat kritisierten Auflagen sollen gekippt werden. Letztlich geht es dem Links-Rechts-Bündnis darum, seine Wahlversprechen finanzieren zu können. Die anderen 18 Euro-Länder wollen keinen Bruch mit Athen. Sie favorisieren eine Verlängerung des Programms als Rahmen für weitere Hilfen und Reformen, um eine Staatspleite Griechenlands abzuwenden.
Dem Land geht das Geld aus. Die Steuereinnahmen sind noch magerer als bisher. Vor allem aber: Die Griechen heben nach Angaben aus Bankenkreisen angesichts der Unsicherheiten täglich 200 bis 300 Millionen Euro von ihren Konten ab. Die Gesamtsumme wird auf rund 20 Milliarden Euro geschätzt. Die griechischen Banken geraten dadurch zunehmend in Schieflage.
Die Europäische Zentralbank akzeptiert seit Anfang Februar keine griechischen Staatsanleihen als Sicherheiten mehr. Die Banken müssen auf Notfallkredite der griechischen Notenbank zurückgreifen. Doch diese sind nur als kurzfristige Überbrückung gedacht. Eine längere Bewilligung durch die EZB setzt voraus, dass die Zahlungsfähigkeit des Landes grundsätzlich gesichert ist. Wie im Fall des Zypern-Debakels könnte die EZB hier ein Ultimatum setzen – eine Frist, bis zu der es eine Einigung geben muss, weil sie sonst die Nothilfen stoppen müsste.
«Griechenland von den Notfallkrediten abzuschneiden, käme einer nuklearen Option gleich», sagt Henrik Enderlein, Professor für politische Ökonomie an der Hertie School of Governance in Berlin, gegenüber der Zeitung «Die Welt». «Die EZB würde zu diesem Mittel nur in allerletzter Konsequenz greifen, weil es Griechenland de facto aus der Eurozone verbannen würde.»
Läuft das Hilfsprogramm des Euro-Rettungsfonds (EFSF) Ende Februar ohne Einigung aus, fehlen den Griechen auf einen Schlag rund 8 Milliarden Euro. Auch müssten Hilfen, die zur Bankenstabilisierung gedacht sind, wohl zurückgezahlt werden. Weniger pessimistische Stimmen gehen davon aus, dass der griechischen Regierung das Geld erst Ende März ausgeht.
Je länger eine Lösung jedoch auf sich warten lässt, desto grösser wird die Verunsicherung. Der Run auf griechische Banken und die Kapitalflucht würden grösser. Das Land wäre nicht nur von Hilfen staatlicher Geldgeber abgeschnitten, sondern auch von den Finanzmärkten, auf denen sich Griechenland schon seit langem kein Geld im grösseren Stil mehr borgen kann.
Um den Zusammenbruch des gesamten Bankensystems zu verhindern, bliebe der Regierung wohl nur noch der Ausstieg aus der Währungsunion, der «Grexit» (aus «Greece» und «Exit»), heisst es in einer Analyse der deutschen Commerzbank. Griechenland müsste einen Austritt jedoch selbst erklären, weil ein Ausscheiden in den EU-Verträgen nicht vorgesehen ist. Es wäre Neuland für alle. Die Banken bekämen wieder Geld, auch der Staat könnte neue Banknoten drucken lassen. Im Vergleich zum Euro wäre die neue Währung aber wohl weit weniger wert.
Nein. Die Lage würde sich mit der Wiedereinführung einer eigenen Währung zunächst sogar verschärfen, da die Schuldenlast in Euro noch schwerer wöge. Die Regierung würde in Verhandlungen versuchen, diese Last zu verringern und zeitlich zu strecken – oder einseitig den Zahlungsausfall erklären. Da etwa 80 Prozent der Schulden auf öffentliche Kreditgeber entfallen, müssten die Euro-Länder Milliarden in ihren Haushalten abschreiben.
Obwohl die Eurozone – anders als 2010 beim ersten Rettungspaket für Hellas – inzwischen besser gerüstet ist, wollen es die Europartner nicht zum Äussersten kommen lassen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel signalisierte Kompromissbereitschaft. So werden die Kontrolleure von IWF, EZB und EU nicht mehr Troika genannt, sondern «Institutionen».
Die meisten Beobachter erwarten, dass es bis Ende der Woche irgendeine Einigung geben wird, möglicherweise in Form eines neuen Hilfsprogramms. Einer solchen Lösung müssten aber noch die Parlamente in den Gläubigerstaaten wie Deutschland zustimmen.
Mit Material von sda
Die EU braucht dringendst einen "reboot" und Politikwechsel. Aber wie, wenn auch die meisten Sozialdemokraten schon neoliberale Stimmungmacher sind?