Seit diesem Januar sehen die Propagandavideos von Boko Haram plötzlich anders aus. Die afrikanische Terrorgruppe verbreitet keine amateurhaften, wackeligen Aufnahmen mehr. Stattdessen setzt sie auf professionelle Inszenierungen, scharfe Bilder, gefilmt von mehreren Kameramännern. Der Look erinnert stark an die Videos des «Islamischen Staates» (IS). Ein Zufall ist das nicht, sondern vielmehr das Ergebnis einer Kooperation zwischen den Milizen.
Unterlegt werden die Bilder von islamistischen Kampfhymnen, am Bildrand prangt oft sogar die IS-Flagge als Medienlogo. Es zeigt sich: Zwar haben beide Dschihadistengruppen ein Kalifat ausgerufen, doch von Rivalität ist nichts zu spüren. Zumindest wenn es um die Propaganda geht, holt sich Boko Haram Hilfe beim «Islamischen Staat».
Auch bei der Verbreitung ist der IS behilflich: So werden die neuen Boko-Haram-Clips von IS-Anhängern in sozialen Netzwerken geteilt. Zudem sendete eine inzwischen stillgelegte arabische IS-Medienseite mit mehreren TV-Kanälen im Januar die Videos aus Afrika.
In die Quere kommen sich die Gruppen nicht: Der IS ist vor allem eine irakisch-syrische Organisation. Boko Haram terrorisiert Nigeria und zunehmend auch das Nachbarland Kamerun. Zwischen beiden Einflussgebieten liegen rund 4000 Kilometer Luftlinie.
Opportunistisch wechselt Boko Haram die Seiten
Wer genau die Zusammenarbeit zwischen Boko Haram und dem IS koordiniert, ist unklar. Beide Gruppen gelten als stark dezentralisiert. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die IS-Hilfe von ganz oben abgesegnet wurde. Offizielle IS-Propaganda-Seiten führen Nigeria als eines der Länder auf, in denen sich eine nicht näher genannte Gruppe dem «Islamischen Staat» angeschlossen habe. Dabei dürfte es sich um Boko Haram handeln.
Deren Anführer Abubakar Shekau hat bereits im Juli 2014 dem IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen. Bestehende Kooperationen interessierten dabei offenbar wenig: Schliesslich hatte Shekau 2012 noch der Zentralführung von al-Qaida seine Unterstützung erklärt. Diese hatte sich 2014 mit dem IS öffentlich überworfen. Seitdem konkurrieren die Gruppen.
Für Shekau bringt das Bekenntnis zum «Islamischen Staat» klare Vorteile: Boko Haram besteht aus mehreren Faktionen. Shekau ist eigentlich nur einer von zahlreichen Anführern der Terrorsekte - wenn auch der bekannteste: Immer wieder schockiert er mit Massenentführungen und Hinrichtungen. Im Machtkampf mit seinen Dschihad-Rivalen in Nigeria kann er die PR durch die Zusammenarbeit mit den irakisch-syrischen Terroristen gut brauchen.
Ständig neue Gruppen schwören dem IS-Chef ihre Treue
Auch in anderen Ländern, wo mehrere radikalislamistische Milizen untereinander um Unterstützer ringen, ist diese Tendenz zu beobachten: Immer mehr Gruppen erklären dem IS ihre Treue.
Häufig gehen die Kontakte zum IS nicht über den Treueschwur hinaus. Doch das Beispiel Nigeria zeigt, dass daraus mit der Zeit eine echte Kooperation werden kann.
Für beide Seiten ist eine solche Zusammenarbeit ein Gewinn: Die kleineren Milizen wirken eindrucksvoller, wenn sie sich mit dem IS verbünden. Sie profitieren vom Image des «Islamischen Staats» als machtvoller Organisation. Der IS wiederum kann sich brüsten, einem internationalen Netzwerk vorzustehen. Mehrere Länder, in denen eine Gruppe dem IS-Chef Baghdadi ihre Treue geschworen hat, wurden kurzerhand zu Provinzen erklärt.
Selbst, wenn der IS dort gar keinen echten Einfluss hat.