Der Ex-Präsident hat am vergangenen Sonntag erklärt: «Dieses Land hat Steve Bannon etwas angetan, was es zuvor noch niemandem angetan hat. Und man will es noch vielen anderen ebenfalls antun.»
Bannon hat sich bekanntlich geweigert, einer Aufforderung des Ausschusses zur Aufklärung der Ereignisse vom 6. Januar Folge zu leisten. Deshalb wird er nun vom Justizministerium angeklagt. Sollte er verurteilt werden, drohen ihm im schlimmsten Fall zwei Jahre Gefängnis. Heute ist Bannon vor dem Haftrichter in Washington angetrabt.
Für Trump und die meisten Republikaner ist Bannon ein Märtyrer. Er gehört nun zum Club der neuen Helden der extremen Rechten. Andere Mitglieder dieses Clubs sind etwa Ashli Babbitt, die QAnon-Anhängerin, die beim Sturm aufs Kapitol getötet wurde. Oder Kyle Rittenhouse, der Teenager, der während einer Demonstration in der Stadt Kenosha in angeblicher Notwehr zwei Menschen erschossen hat.
Trumps ehemaliger Wahlkampfmanager und kurzzeitiger Chefstratege wird von den Republikanern als Opfer einer voreingenommenen Justiz dargestellt. So tweetete beispielsweise Elise Stefanik, die Nummer drei in der Grand Old Party (GOP): «Während Jahren haben die Demokraten Präsident Trump grundlos beschuldigt, das Justizministerium zu politischen Zwecken missbraucht zu haben – angefangen von der Falschmeldung bezüglich Russland bis hin zur Verfolgung im sowjetischen Stil von politischen Gegnern.»
Der Hitzkopf Jim Jordan, republikanischer Abgeordneter aus Ohio, droht bereits mit Vergeltung. Er tweetete: «Viele Republikaner warten nur darauf, Zeugenaussagen von Ron Klain (Bidens Stabschef) und Jake Sullivan (Bidens Sicherheitsberater) zu hören, wenn wir das Abgeordnetenhaus zurückerobert haben.»
Ob dies nach den Zwischenwahlen im nächsten November auch der Fall sein wird, ist allerdings unsicher, denn Trump und seine Hardliner haben einen heftigen innerparteilichen Streit vom Zaun gebrochen. Die «Verräter», die für Bidens Infrastrukturprogramm gestimmt haben, sollen nun abgestraft werden. Ebenfalls am Wochenende hat Trump daher verlauten lassen: «Amerika zu retten fängt damit an, die GOP vor RINOs (republicans in name only) zu retten, Weichlinge und Loosers.»
Einer dieser «Verlierer» ist der republikanische Abgeordnete Fred Upton aus Michigan. Er hat für das Infrastrukturprogramm gestimmt und auch dafür, dass Bannon angeklagt werden soll. Nun wird er nicht nur aufs Übelste beschimpft, er erhält auch regelmässig Morddrohungen.
Dass Trump sich so bedingungslos hinter Bannon stellt, ist überraschend. Er hatte seinen Chefstrategen einst mit Schimpf und Schande aus dem Weissen Haus gejagt und ihn als «sloppy Steve» (schlampiger Steve) verspottet. Ausschlag gebend für den Rausschmiss war der Umstand, dass Bannon sich nicht mit Ivanka Trump und ihrem Gatten Jared Kushner vertragen hat.
Nach der Wahlniederlage hat Trump sich jedoch mit seinem ehemaligen Wahlkampfmanager versöhnt. Bannon war ein wichtiger Teil des Teams, das versucht hat, die Machtübernahme von Joe Biden bis zum letzten Moment zu verhindern. Offenbar war er auch an der Organisation des Sturms aufs Kapitol beteiligt. Das ist auch der Grund, weshalb er vom Ausschuss vorgeladen wurde.
Bei Trumps Hardcore-Fans mag die Märtyrer-Masche mit Bannon ziehen. Ob die Rechnung auch bei den unabhängigen Wählerinnen und Wählern aufgehen ist, ist fraglich. Der «schlampige Steve» kommt bei den Frauen in den Vorstädten nicht wirklich gut an, und ohne deren Stimme wird es für die Republikaner eng.
Dasselbe gilt auch für den Rachefeldzug gegen die «Verlierer». Das zeigt etwa das Beispiel von Lisa Murkowski. Die republikanische Senatorin aus Alaska steht weit oben auf Trumps «Verräter»-Liste. Sie hat es unter anderem gewagt, im zweiten Impeachment-Prozess gegen den Ex-Präsidenten zu stimmen. Deshalb unterstützt Trump nun Kelly Tshibaka, eine Gegenkandidatin aus der GOP, die bedingungslos hinter der Big Lie steht.
Hinter diesem Streit geht es um mehr als das Schicksal von Murkowski, denn die amtierende Senatorin hat die Unterstützung von Mitch McConnell, dem Minderheitsführer der Republikaner im Senat und dem zweitmächtigsten Mann in der GOP. Im hohen Norden spielt sich somit eine Art Stellvertreterkrieg zwischen dem alten Parteiestablishment und dem neuen Populisten Trump ab.
Alaska ist nicht das einzige Beispiel. Trump-Loyalisten sind oft keine Vorzeige-Kandidaten. Einige von ihnen haben ein schwerwiegendes Frauen-Problem. In Pennsylvania beispielsweise will ein gewisser Sean Parnell Senator werden. Er hat sich die Unterstützung des Ex-Präsidenten gesichert. Das dürfte seine Chance bei den Vorwahlen steigern. Dummerweise soll er auch seine Ex-Frau beinahe zu Tode gewürgt haben. Das könnte ihn den Sieg in den eigentlichen Wahlen kosten.
In Missouri ist Trumps Favorit ein gewisser Eric Greitens. Er musste einst als Gouverneur zurücktreten, weil er seine Geliebte im Keller gefesselt und gefoltert hatte. In Georgia ist es ein gewisser Herschel Walker, der ebenfalls seine Ex-Frau mit einem Gewehr bedroht haben soll.
Seriöse Kandidaten hingegen winken ab. Prominentestes Beispiel ist Chris Sununu. Der Gouverneur von New Hamsphire hätte glänzende Chancen, den amtierenden Senator der Demokraten zu schlagen. Deshalb wollte ihn die GOP-Leitung mit allen Mitteln dazu überreden, ins Rennen einzusteigen. Sununu hat dankend abgelehnt. Aus seiner Verachtung für Trump macht er zudem kaum ein Hehl.
Vieles spricht dafür, dass die Republikaner in einem Jahr die Macht im Kongress zurückzuerobern werden. Das innerparteiliche Gezänk und die überraschend hohe Inflation haben die Demokraten und Präsident Biden massiv geschwächt. Das Beispiel der Gouverneurswahlen in Virginia hat zudem gezeigt, dass ein halbwegs zivilisierter Kandidat der GOP die Stimmen der Frauen in den Vorstädten wieder zurückgewinnen kann.
Trump interessiert dies nicht und setzt den greifbaren Sieg aufs Spiel. Die Wahlniederlage hat ihm so stark zugesetzt, dass er keine Grenzen mehr kennt. Neuerdings verteidigt er gar die Chaoten, die am 6. Januar seinen Vize Mike Pence hängen wollten. Diese hätten «mit gesundem Menschenverstand» gehandelt, erklärte er gegenüber Jonathan Karl, einem Journalisten von ABC News.
Trumps Schamlosigkeit und seine Verachtung für das Gesetz färben auf seine Anhänger ab. Der Sturm aufs Kapitol wird neuerdings nicht mehr verleugnet und der Antifa in die Schuhe geschoben, er wird verherrlicht. Sich gegen das Gesetz zu stellen wird zur Heldentat. So erklärte ein Trump-Fan, der in Arizona den Staatssekretär bedroht hatte, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: «Ich streite nichts ab, denn ich bin ein Patriot.»
Wiederliche Gestalten ohne jeglichen Anstand und Respekt!