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Heftiges Erdbeben an afghanisch-pakistanischer Grenze

«Das Grauen ist gross» – Mehr als 1000 Tote nach verheerendem Beben in Afghanistan

Im Osten Afghanistan ist am Dienstagabend zu einem Erdbeben gekommen. Die Anzahl der Toten in der betroffenen afghanisch-pakistanischen Grenzregion ist mittlerweile bereits auf 1000 gestiegen.
22.06.2022, 07:3322.06.2022, 13:19
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Hunderte von Toten

Bei einem verheerenden Erdbeben in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion sind nach offiziellen Angaben mindestens 1000 Menschen ums Leben gekommen.

Mindestens 1500 Bewohner im Osten Afghanistans seien nach dem Beben am späten Dienstagabend verletzt worden, sagte der stellvertretende Taliban-Staatsminister für Katastrophenmanagement, Maulawi Scharafuddin Muslim, am Mittwoch. Es wird eine deutlich höhere Opferzahl befürchtet.

«Überall herrscht grosses Chaos»

Ein Augenzeuge berichtete der Deutschen Presse-Agentur von der Zerstörung in den betroffenen Gebieten. «Überall herrscht ein grosses Chaos. Ich habe in einer Stunde hundert Leichen gezählt», sagte der Journalist Rahim Chan Chushal.

«Das Grauen ist gross. Die Eltern können ihre Kinder nicht finden und die Kinder ihre Eltern nicht. Jeder fragt sich, wer tot ist und wer lebt. Die Häuser sind aus Lehm, und deshalb wurden sie alle durch die starke Erschütterung zerstört.»

In this photo released by a state-run news agency Bakhtar, Afghans evacuate wounded in an earthquake in the province of Paktika, eastern Afghanistan, Wednesday, June 22, 2022. (Bakhtar News Agency via ...
Verletzte Personen werden aus den Trümmern gerettet und Sicherheit gebracht.Bild: keystone

Die Taliban-Führung sprach den Opfern ihr Mitgefühl und Beileid aus. Nach Regierungsangaben wurden Dutzende Häuser in den Provinzen Paktika und Chost zerstört. Auch zahlreiche Tiere kamen ums Leben. Afghanische Medien berichteten, ein Dorf sei komplett zerstört worden.

Die Bauweise in der armen und wirtschaftlich schwachen Region ist aus Kostengründen nicht erdbebensicher, viele Familien leben dicht zusammen. Zudem dürfte das Beben die Bewohner in der Nacht überrascht haben.

Schwierige Rettungsarbeiten

Der Katastrophenschutz befürchtet unterdessen eine noch höhere Opferzahl. Erschwert wurden die Rettungsarbeiten durch den Zugang zur abgelegenen Bergregion. Die militant-islamistischen Taliban, die seit August 2021 wieder in Afghanistan herrschen, beriefen eine Notsitzung des Kabinetts ein.

Die Region hat kaum medizinische Einrichtungen und ist schwer erreichbar, was die Behandlung von Verletzten zu einer Herausforderung macht.

Mehrere Hubschrauber wurden in die Unglücksregion geschickt, um den Menschen vor Ort zu helfen. Ein Regierungssprecher rief Hilfsorganisationen zur Unterstützung auf. Bereits am Mittwoch trafen Helfer des Roten Halbmonds ein.

Unterschiedliche Angaben zur Stärke

Die US-Erdbebenwarte (USGS) vermeldete für das Beben kurz vor 23.00 Uhr am Dienstag (Ortszeit) die Stärke 5.9 sowie ein etwas schwächeres Nachbeben. Demnach befand sich das Zentrum des Bebens rund 50 Kilometer südwestlich der Stadt Chost nahe der Grenze zu Pakistan in rund zehn Kilometern Tiefe. Pakistanische Behörden hatten das Beben mit einer Stärke von 6.1 registriert.

Beben weitläufig zu spüren

Pakistanischen Angaben zufolge waren die Erschütterungen in weiten Teilen des angrenzenden Landes - so auch in der Hauptstadt Islamabad und selbst in Lahore im Osten des Landes - zu spüren. Mancherorts brach Panik aus, über Schäden oder Verletzte in Pakistan war nach ersten Angaben jedoch nichts bekannt. Pakistans Premierminister Shehbaz Sharif drückte im Internet seine Betroffenheit aus und stellte Hilfe für die Menschen im Nachbarland in Aussicht.

Immer wieder kommt es zu schweren Erdbeben in der Region am Hindukusch und den Nachbarländern, wo die Arabische, Indischen und die Eurasische Platte aufeinander treffen. 1998 erschütterte ein Beben den Norden Afghanistans, mehrere Tausend Menschen starben.

In Pakistan starben 2005 bei einem gewaltigen Erdbeben mehr als 75 000 Menschen, über 3,5 Millionen Menschen wurden obdachlos. Im Nachbarland Iran starben bei einem Beben 2003 mehr als 400000 Menschen, die historische Stadt Bam wurde grösstenteils zerstört.

Papst betet für Opfer

Papst Franziskus hat für die Opfer des verheerenden Bebens in Afghanistan gebetet. «Ich drücke den Verletzten und denen, die vom Erdbeben betroffen sind, meine Nähe aus», sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Mittwoch am Ende der Generalaudienz vor Gläubigen und Besuchern auf dem Petersplatz in Rom. Er bete besonders für diejenigen, die ihr Leben verloren hätten und für deren Familienangehörige, erklärte der 85-Jährige. (saw/sda/dpa)

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5 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Eul doch
22.06.2022 13:03registriert Oktober 2015
Wie sieht es mit humanitärer Hilfe aus? Ist das möglich von anderen Staaten, die die Taliban als Terroristen eigestuft haben?

Kann man dieses gedöns von dem Kasparli am Schluss nicht weglassen? Soll er doch beten wenns ihm hilft, den Betroffenen würde der Goldschatz unter seinem Hintern mehr helfen...
2012
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