Google hat in der Nacht auf Dienstag angekündigt, die ganze Unternehmensstruktur umzukrempeln: Einzelne Google-Unternehmen werden aus Google ausgegliedert und operieren, neben Google, unter der neu gegründeten Mutterfirma Alphabet. Alles google klar?
In one press release Larry Page just created a company that is so big it actually owns Google.
— issie lapowsky (@issielapowsky) 10. August 2015
In Kürze
Das bleibt Teil von Google:
Diese Unternehmen werden ausgegliedert und gehören neu (neben Google) zu Alphabet:
Meet #Alphabet structure: @google is now ONE more company in an empiere pic.twitter.com/1MhSaL955t
— Amichai Stein (@AmichaiStein1) 11. August 2015
CEO von Google wird der Inder Sundar Pichai. Die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin wechseln als CEO bzw. Präsident zu Alphabet.
Google ist über die Jahre rasant gewachsen. Es sei deshalb nötig gewesen, einzelne Unternehmen (die sowieso nicht viel miteinander zu tun hätten) zu trennen, sodass diese sich selbständig entwickeln können, schreiben die Google- Alphabet-Gründer.
Mit dem Schritt soll auch mehr Transparenz geschaffen werden. «Es wurde immer schwieriger, die Kosten einiger Projekte unter Verschluss zu halten», sagte ein früherer Google-Manager dem «Wall Street Journal». Wenn künftig die Zahlen des Kerngeschäfts getrennt vom Rest aufgeführt werden, sollte das die Geldströme ein Stück weit offenlegen.
Doch diese Transparenz hat auch Grenzen. Zum einen sollen die Finanzen der Alphabet-Töchter ausser Google weiter in einem grossen Klumpen präsentiert werden. Auffällig ist auch, dass YouTube mit mehr als einer Milliarde Nutzer kein eigenständiger Teil von Alphabet wird, sondern der neuen Tochter Google beigemischt bleibt – «ohne Zweifel, damit es nicht seine Umsätze enthüllen muss, die lange hinter den Analysten-Erwartungen zurückblieben», zeigte sich der gut vernetzte Branchendienst «The Information» überzeugt.
Und was ist mit den Firmengrundsätzen? Skeptiker sind überzeugt, dass sich Alphabet von den Versprechen und der Philosophie von Google lossagen könnte.
Eric Schmidt: "Remember your 'don't be evil' promise, guys"
Larry & Sergey: "Huh? That was the old company. Bring in the robot soldiers!"
— dan barker (@danbarker) 10. August 2015
Google: “Don’t be evil”
Alphabet: “Evil is just one of our businesses”
— Tim Carmody (@tcarmody) 10. August 2015
Das Nachrichtenportal Slate erklärt den Schritt hingegen damit, dass es Brin und Page wohl leid waren, sich für Projekte und Investitionen bei den Aktionären rechtfertigen zu müssen, die es lieber sahen, wenn das Unternehmen sich auf sein Kerngeschäft konzentrierte. Die erste Reaktion der Aktionäre war auf jeden Fall wohlwollend.
Google announces massive overhaul, stock jumps 6% http://t.co/LYI7vbgBqL pic.twitter.com/mjLuTzVXCW
— Business Insider (@businessinsider) 10. August 2015
Laut Informationen von SRF3 stieg der Wert von Google über Nacht um ganze 28 Milliarden Dollar.
Der Wert von #Google stieg über Nacht um 28 Milliarden $ #Alphabet (@srf3 Wirtschaft)
— Martin Oswald (@oswaldmartin) August 11, 2015
«Wir mochten den Namen Alphabet weil es eine Sammlung von Buchstaben ist, also Sprache repräsentiert – eine der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit und der Kern von Google Search», erklärt Page in der Ankündigung.
Sergey: Google's so much more than search. We need a new name!
Larry: *stares into his soup* I know EXACTLY what to call it
— David Pierce (@pierce) 10. August 2015
Alphabet ist auch ein Wortspiel_ «Alpha-bet» (etwa: «Alpha-Wette»). Die Webadresse der Holding lautet http://abc.xyz – und im Blogeintrag versteckt sich (hinter dem Satz mit den Drohnen) der Link zur Website einer Firma mit dem Namen «Hooli». So heisst ein fiktives Startup aus der Fernsehserie «Silicon Valley». Hooli bestehe aus einem Team aus XYZeniuses aus der ganzen Welt, inklusive Entwicklern von Facebook und «Imagineers» von Disney. Man arbeite an selbstfahrenden Autos, fliegenden Autos und selbstfliegenden Autos, scherzt Google auf der Webseite der fiktiven Firma.
Step one: go to http://t.co/mK7lm118Ee Step two: click the period after "drone delivery effort. Step three: enjoy. pic.twitter.com/2y0HguSVSM
— Alex Weprin (@alexweprin) 10. August 2015
Fun fact: In Deutschland sitzt Google in Hamburg übrigens schon seit langem in der ABC-Strasse.
Doch damit sind viele Fragen noch nicht geklärt: Was passiert mit all den anderen Unternehmen, die Alphabet heissen? Zum Beispiel Campbell's Alphabet Soup (unsere Buchstaben-Suppe)? Und was wird Twitter-Nutzer @alphabet mit seinem Account machen?
@alphabet well, I'd ask for nothing less than 1 mil $$ for the handle! 😂
— Hsteroid (@Hsteroid) 10. August 2015
@alphabet What is it like to become an incorporeal being?
— Glenn Fleishman (@GlennF) 10. August 2015
Aber Andrikanich wird wohl doch nicht reich. Alphabet hat einen eigenen Nutzernamen.
Hello, world!
— Alphabet Inc. (@aIphabetinc) 10. August 2015
Brin und Page versprechen, dass sich Google nun stärker auf sein Kerngeschäft konzentrieren könne, und den einzelnen Anwendungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden könne. Grundsätzlich ändert sich für den gemeinen Internet-Nutzer aber nichts.
Auf der anderen (also Alphabet-) Seite könnte die Loslösung von Calico (Googles Biotechnologiefirma) und Co. auch die Entwicklung dieser Unternehmen vorantreiben – Projekte, die uns alle irgendwann, irgendwie, betreffen könnten.
The Next Web zählt alle diese Bereiche auf – zum Beispiel «Sidewalk Labs»: Initiiert von Google-Gründer Larry Page will das Spin-Off die Lebensqualität von Städten erhöhen. So sind Investitionen in nachhaltige Projekte und Technologie, Transport, bezahlbaren Wohnraum und die Entwicklung von Grünräumen vorgesehen.
Aus dem Software-Maschinenraum an die Google-Spitze: Pichai trägt nun, mit 43 Jahren, die Verantwortung für das Web-Geschäft von Google, das den gesamten Konzern finanziert. Der Aufstieg von Sundar Pichai an die Google-Spitze schien schon lange nur ein Frage der Zeit. Erst bekam er vor knapp zweieinhalb Jahren die Verantwortung für das dominierende Smartphone-System Android übertragen und dann im vergangenen Herbst jene für fast das gesamte Online-Geschäft.
Page vertraut dem stets bedächtig auftretenden Top-Manager damit Googles Geldmaschine an, auf die das ganze Unternehmen angewiesen ist.
Pichai stammt aus dem südindischen Staat Tamil Nadu. In die USA kam er 1993 mit einem Stipendium für die kalifornische Elite-Uni Stanford, um Halbleiter-Physik zu studieren. Seine Eltern mussten in die Ersparnisse greifen, um für das Flugticket 1000 Dollar zusammenzukratzen. Es war mehr als ihr jährliches Einkommen, wie Pichai dem Magazin «Bloomberg Businessweek» erzählte. Zu Google kam Pichai vor gut einem Jahrzehnt. Er trat am 1. April 2004 an – dem Tag, an dem der E-Mail-Dienst des Internet-Konzerns gestartet wurde.
Seine erste Aufgabe war die Arbeit am Google-Suchfenster in Browsern wie Firefox oder Microsofts Internet Explorer. Pichais Vorschlag, Google sollte einen eigenen Browser entwickeln, überzeugte die Gründer – und der Erfolg von Chrome war seine Eintrittskarte in die Chefetage des Konzerns.
(dwi/sda/dpa/afp)