Die Anträge wurden vom rechtsnationalen Rassemblement National (RN) und der kleinen Zentrumspartei Liot gestellt. Es gilt jedoch als wenig wahrscheinlich, dass einer der Anträge bei der Abstimmung eine Mehrheit erhält und die Regierung von Premierministerin Élisabeth Borne gestürzt wird.
Es werde keine Mehrheit geben, um die Regierung zu Fall zu bringen, sagte etwa Wirtschaftsminister Bruno Le Maire der Zeitung «Le Parisien». Während keine der übrigen Oppositionsparteien die Initiative des rechten RN unterstützt, will das Linksbündnis Nupes nach eigenen Aussagen gemeinsame Sache mit Liot machen. Bedrohlich könnte deren Antrag allerdings nur werden, falls auch einige Abgeordnete der konservativen Républicains zustimmen würden. Die Partei hatte die Reform grundsätzlich unterstützt.
Nicht auszuschliessen wären auch Stimmen von rechtsnationalen Abgeordneten. Seit den Parlamentswahlen im vergangenen Sommer verfügt das Mitte-Bündnis des Präsidenten Emmanuel Macron über keine eigene Mehrheit mehr. Die Regierung hatte die Reform am Donnerstag deshalb auch unter Rückgriff auf einen Sonderartikel der Verfassung durchgeboxt. Damit verhinderte sie in letzter Minute eine Abstimmung in der Nationalversammlung, um einer möglichen Niederlage zuvorzukommen.
Wut machte sich am Wochenende auch auf der Strasse breit. In ganz Frankreich kam es zu Protesten und Krawallen. Dabei wurden Mülltonnen in Brand gesetzt, Barrikaden versucht aufzubauen und Wahlkreisbüros von Abgeordneten verwüstet.
Viele befürchten, dass sich nun die Proteste verschärfen werden. Zweifellos habe die Verwendung des Artikels 49.3 grosse Wut ausgelöst, sagte Laurent Frajerman, Spezialist für radikale Bewegungen, bei BFMTV. Aber noch blieben die Proteste im Wesentlichen pazifistisch.
Die französischen Gewerkschaften hatten die Regierung schon vor Tagen gewarnt, dass sich der Protest radikalisieren werde. Seit Freitag liegt die grösste Raffinerie Frankreichs in der Nähe von Le Havre still. Die TotalEnergies-Raffinerie in Donges bei Nantes ist bereits seit dem 7. März ausser Betrieb. Weitere Stilllegungen könnten nach Informationen der Regionalzeitung «Ouest-France» bis Montag folgen, wie in Lavéra in Südfrankreich.
Seit Anfang des Jahres wird das öffentliche Leben in Frankreich durch die Proteste gegen die Rentenreform eingeschränkt. Dabei kommt es zu Ausfällen im Zug- und Flugverkehr, Streiks bei der Müllabfuhr und an Schulen. Die Proteste sollen weiter gehen. Für den Donnerstag (23. März) haben die Gewerkschaften wieder zu einem grossen Streiktag aufgerufen. (sda/dpa)