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Klarer Wahlsieg von liberaler Regierungspartei in Estland

Putin-Kritikerin Kaja Kallas räumt bei Parlamentswahlen in Estland ab

06.03.2023, 03:3606.03.2023, 11:57
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Die Menschen in Estland setzen angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine auf politische Kontinuität:

Bei der Parlamentswahl in dem baltischen EU- und Nato-Land haben sie die wirtschaftsliberale Partei von Regierungschefin Kaja Kallas erneut zur stärksten Kraft gemacht. Damit dürfte die 45-Jährige ihren klaren und harten Kurs gegen den Nachbarn Russland und dessen Angriffskrieg weiterführen können. Kallas steht seit 2021 als erste Frau in Estlands Geschichte an der Regierungsspitze - und gilt als eine der resolutesten Unterstützerinnen von Kiew in Europa.

Members of the Reform Party and supporters of Prime Minister Kaja Kallas, centre, pose for photo in Tallinn, Estonia, Sunday, March 5, 2023. Voters in Estonia cast ballots Sunday in a parliamentary el ...
Daumen nach oben: Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas.Bild: keystone

Estland teilt eine fast 300 Kilometer lange Grenze mit Russland und betrachtet den Angriffskrieg gegen die Ukraine als direkte Gefahr für seine Sicherheit. Seit Kriegsbeginn profiliert sich Kallas als entschiedene Befürworterin von EU-Sanktionen gegen Moskau und Waffenlieferungen an die Ukraine. Unter ihrer Führung gab Estland mehr als ein Prozent seiner Wirtschaftsleistung als Militärhilfe an die Ukraine und nahm mehr als 60 000 Kriegsflüchtlinge auf. Entschieden forderte sie eine Stärkung der Nato-Ostflanke.

Kallas stellt Stimmenrekord auf

Kallas Reformpartei holte 37 von 101 Sitzen im Parlament in Tallinn - drei mehr als bei der vorherigen Wahl 2019. Damit bleibt sie laut Wahlkommission die mit Abstand stärkste Kraft in der Volksvertretung Riigikogu. Mit über 31'000 Stimmen in ihrem Wahlkreis stellte Kallas selbst einen Rekord auf - mehr bekam seit der wiedererlangten Unabhängigkeit Estlands von der Sowjetunion 1991 noch niemand.

Die Juristin und Tochter des früheren EU-Kommissars Siim Kallas führt gegenwärtig ein Dreierbündnis mit den Sozialdemokraten (neun Sitze) und der konservativen Partei Isamaa (acht Sitze) an, die beide Mandate verloren. Ob sie die Koalition fortführen oder sich neue Partner suchen wird, liess Kallas zunächst offen. Vorher sollten parteiintern alle Optionen besprochen werden.

Zweit- und drittstärkste Kraft wurden zwei Oppositionsparteien: die rechtspopulistische Partei EKRE (17 Sitze) und die linksgerichtete Zentrumspartei (16 Sitze), die jeweils Mandate einbüssten. Grösster Stimmengewinner der Wahl war die liberale Partei Eesti 200, die mit 14 Sitzen erstmals im Parlament vertreten sein wird. Experten halten sogar eine Beteiligung an der Regierung für denkbar.

Die Regierungsbildung eilt

Staatschef Alar Karis, der den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen muss, rief zu zügigen Koalitionsgesprächen auf. «Die gegenwärtige Situation ist nicht günstig für eine lange Zeit der Ungewissheit», teilte er am Montag mit und kündigte Treffen mit Vertretern aller ins Parlament gewählten Parteien an. «Die Menschen erwarten eine schnelle Lösung oder Linderung verschiedener wirtschaftlicher, sozialer und sicherheitsbezogener Probleme.»

Grosse Sorgen bereitet vielen Bürgern die rasant gestiegene Inflation, wegen der sich die Lebenshaltungskosten stark erhöhten - die Teuerungsrate lag zuletzt bei fast 18 Prozent. Dies machte besonders EKRE zu Kernthema im Wahlkampf, der neben dem Ukraine-Krieg von sozialpolitischen Fragen bestimmt war.

Eine Besonderheit bei der Wahl war wieder die Möglichkeit der Stimmabgabe über das Internet, die Estland 2005 als erstes Land in Europa eingeführt hatte. Insgesamt wurde über die Hälfte aller Stimmen digital abgegeben - ein Rekord beim «E-Voting».

Zu den ersten ausländischen Gratulanten gehörten die Regierungschefs der Nachbarstaaten Lettland, Litauen und Finnland. (saw/sda/dpa)

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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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MORGLUM
06.03.2023 07:57registriert Februar 2020
Das gefällt dem Putin bestimmt nicht. Nen Nachbar mit ner liberalen Frau als Präsidentin. Das ist sicher ne bedrohung für die russ, äh putinische Sicherheit.
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