Afghanistan und das benachbarte Pakistan sind die letzten Länder der Welt, in denen Polio noch endemisch grassiert.
Nun kündigten die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) an, dass die neue Taliban-Regierung eine Haus-zu-Haus-Impfkampagne gegen Polio unterstützen werde. Geimpft werden soll ab 8. November 2021 mittels einer Schluckimpfung. Eine zweite Kampagne soll im Dezember in Pakistan beginnen.
«Dank dieser Entscheidung kommen wir unserem Ziel – nämlich die Kinderlähmung weltweit auszurotten – ein grosses Stück näher», sagte Hervé Ludovic De Lys, UNICEF-Vertreter in Afghanistan. Und weiter: «Um die Kinderlähmung vollständig auszurotten, muss jedes Kind in jedem Haushalt in ganz Afghanistan geimpft werden.»
Durch eine weltweite, jahrzehntelange Impfkampagne ist Polio praktisch ausgerottet worden. Doch politische Unsicherheiten, unzugängliches Gelände, Massenvertreibungen, aber auch das Misstrauen der Regierungen haben die Polio-Impfungen in Afghanistan und einigen Gebieten Pakistans bis jetzt verhindert. Eine Besonderheit der geplanten Impfkampagne ist, dass etwa 3 Millionen Kinder in bisher unzugänglichen Gebieten geimpft werden sollen.
Die WHO und Unicef haben in ihren Mitteillungen darauf hingewiesen, dass in Afghanistan seit Jahresbeginn nur ein einziger Fall von Polio gemeldet worden sei – im Vorjahr waren es 56 gewesen. Dies sei eine gute Ausgangslage, um «ein signifikantes Wiederauftreten der Krankheit innerhalb des Landes zu verhindern und das Risiko einer grenzüberschreitenden und internationalen Übertragung zu mindern», schreibt Unicef.
Seit die Taliban vor zwei Monaten wieder an die Macht gekommen sind, haben die Vereinten Nationen mit der neuen Führung Gespräche geführt, «um die gewaltigen gesundheitlichen Probleme der afghanischen Bevölkerung anzugehen», wie es in der WHO-Mitteilung heisst.
Taliban leadership announces support for the resumption of house-to-house #polio vaccination across #Afghanistan. "A giant stride towards eradication of polio," says @UNICEFAfg Rep.
— UNICEF Afghanistan (@UNICEFAfg) October 18, 2021
UNICEF-WHO welcome this decision which will save children's lives. https://t.co/d7HcMpGGfX
Die neue Impfkampagne ist eine regelrechte Kehrtwende der Taliban-Führer. Denn bis vor kurzem haben sie in den von ihnen kontrollierten Gebieten proklamiert, dass Impfstoffe eine Verschwörung seien, die darauf abziele, muslimische Kinder zu sterilisieren. Zudem haben die Taliban immer behauptet, das Tür-zu-Tür-Vorgehen sei ein Mittel der US-Regierung, um ihre Aktivitäten auszuspionieren.
Nun haben die Taliban der WHO versichert, dass in der Impfkampagne an vorderster Front weibliche Mitarbeitende eingespannt werden sollen. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Impfungen u. a. in den Häusern und Wohnungen der Menschen verabreicht werden – und weiblichen Mitarbeitenden eher Zugang gewährt wird.
Im März 2021 wurden in Herat, Afghanistan, fünf Mitarbeitende des Polio-Programmes erschossen, darunter drei Frauen, und vier weitere schwer verletzt. Darum schreibt Unicef ausdrücklich, dass die Taliban-Führung bei der geplanten Impfkampagne «die Sicherheit für alle im Gesundheitswesen tätigen Personen – insbesondere auch der Frauen – im ganzen Land gewährleisten» werde.
Auch die Impfkampagnen gegen Masern und Covid-19 sollen wiederaufgenommen werden. (yam)