Als neuer Präsident des Irans ist Ebrahim Raisi am Donnerstag im Parlament vereidigt worden. Der 60 Jahre alte, erzkonservative Kleriker wird damit offiziell der Nachfolger von Hassan Ruhani, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten durfte. Als Spitzenkandidat der politischen Hardliner sowie Wunschkandidat und Protegé des obersten Führers Ajatollah Ali Chamenei hatte Raisi die Präsidentenwahl im Juni mit knapp 62 Prozent der Stimmen gewonnen.
Der 1960 in Maschad im Nordosten des Iran geborene Raisi gilt innerhalb des islamischen Systems als sehr einflussreich. Er pflegt auch ein enges Verhältnis zum obersten Führer Chamenei. Raisi war über drei Jahrzehnte in der Justizbehörde tätig, 2019 wurde er zum Justizchef ernannt. Ihm wird nachgesagt, dass er in seiner früheren Funktion als Staatsanwalt für zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen politischer Dissidenten verantwortlich gewesen sei.
Laut Verfassung ist Raisi nur die Nummer zwei im Land, weil Chamenei das eigentliche Staatsoberhaupt ist und auch das letzte Wort in allen strategischen Belangen hat.
«Ich will einen neuen Iran, den des 21. Jahrhunderts, und eine nationale Versöhnung», sagte Raisi nach seiner Vereidigung. Er wolle die Institutionalisierung einer islamischen Demokratie und dafür die Zusammenarbeit aller Experten, unabhängig von politischen und ideologischen Tendenzen. «Auf diesem Weg sollten wir weder Gelegenheit noch Zeit verschwenden», so der neue Präsident.
Im Bezug auf den Atomstreit mit dem Westen wiederholte Raisi, dass der Iran keine Atombombe wolle. «Unser Nuklearprogramm ist friedlich und der Bau von Atombomben ist bei uns aus religiösen Erwägungen verboten und auch nicht Teil unserer politischen und militärischen Doktrin.» Um den Atomstreit zu beenden, werde der Iran auch einer rationalen Diplomatie folgen, aber im Sinne nationaler Interessen und ohne jeglichen ausländischen Druck. «Im Vorfeld jedoch müssen die US-Sanktionen aufgehoben werden ... und das werden sie auch», so der Präsident. Ob er im Atomstreit auch mit Erzfeind USA verhandeln werde, sagte er nicht. Die USA machen die Aufhebung von Sanktionen davon abhängig, dass der Iran seinen Verpflichtungen nachkommt.
Die USA waren 2018 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen und haben nach und nach massive Sanktionen gegen das Land verhängt. Im Gegenzug hielt sich auch der Iran schrittweise nicht mehr an seine Verpflichtungen. Seit mehreren Wochen wird nun in Wien versucht, beide Seiten zu einer Rückkehr zum Atomdeal zu bringen.
Politisch ist Raisi noch ein unbeschriebenes Blatt. In einer Rede am Dienstag sprach er von Umbruch und Änderung des Status quo, womit er in erster Linie ein schnelles Ende der akuten Wirtschaftskrise herbeiführen will. Sein Kabinett soll schon am Wochenende dem Parlament vorgestellt werden. Die Auswahl der Vizepräsidenten und Minister wird dann einen genaueren Aufschluss über seinen politischen Kurs geben. Interessant wird auch sein, wen er in das neue Atomteam für die Verhandlungen berufen wird.
In den vergangenen Jahren hatte Raisi mehrmals den moderaten Kurs seines Vorgängers Ruhani scharf kritisiert - auch das Wiener Atomabkommen von 2015. Eine Einigung im Atomstreit ist auch die Voraussetzung für ein Ende der von ihm versprochenen Wirtschaftskrise. Diese Einigung wiederum wäre ohne Verhandlungen mit den USA nicht möglich. Genau diese hatte Raisi jedoch in den letzten Jahren stets kritisiert, und daher ist die Zukunft des Abkommens auch ungewiss.
Auch sonst ist der Zeitpunkt von Raisis Amtsantritt alles andere als optimal. Corona-Krise, Dürre, Wassermangel, ein umstrittenes Internet-Gesetz und Proteste in verschiedenen Teilen des Landes belasten die Anfangsphase seiner Präsidentschaft. Es droht sogar ein militärischer Konflikt mit dem Erzfeind Israel, nachdem der Iran für einen Angriff auf einen Öltanker eines israelischen Geschäftsmannes im Persischen Golf verantwortlich gemacht wurde.
An der Vereidigungszeremonie nahmen laut Staatsfernsehen Vertreter aus 80 Ländern teil, unter ihnen auch die Staatspräsidenten Afghanistans und Iraks. Die Europäische Union war durch Enrique Mora, den Vize des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell, vertreten. Der Iran hatte hochrangigeren Gäste erwartet. Raisi steht wegen Menschenrechtsverletzungen auf der Sanktionsliste der USA und deswegen auch in Europa in der Kritik. (aeg/sda/dpa)