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Naher Osten

Was hat der Westen mit den Flüchtlingen zu tun? Diese 10 Punkte zeigen es

Was hat der Westen mit den Flüchtlingen zu tun? Diese 10 Punkte zeigen es

14.09.2015, 10:2615.09.2015, 17:13
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Warum ist buchstäblich halb Syrien auf der Flucht? Warum kommt der Irak nicht zur Ruhe und woher kommt eigentlich der Islamische Staat? Nebst der oft unsäglichen Rolle, welche die regionalen Herrscher und Despoten gespielt haben, lässt sich bezüglich der militärischen und politischen Einmischungsversuche des Westens eine einzige Chronologie des Versagens aufzeigen. Wer im nahöstlichen Chaos nicht mehr durchblickt, kann sich eine Stunde Zeit nehmen und sich im Video alles vom deutschen Nahostexperten Michael Lüders erklären lassen, oder die folgenden 10 Ereignisse im Zusammenhang verstehen.

«Wer den Wind sät… Was westliche Politik im Orient anrichtet»: Vortrag von Michael Lüders im Rahmen der SWR Tele-Akademie. 
YouTube/ARD
«Wer den Wind sät»
Das neue Buch von Michael Lüders beschreibt die westlichen Interventionen im Nahen und Mittleren Osten seit der Kolonialzeit und erklärt, was sie mit der aktuellen politischen Situation zu tun haben. Der ehemalige Nahost-Korrespondent der «Zeit» kennt alle Länder der Region aus eigener Anschauung. Als Nahostexperte ist er häufiger Gast in Radio und Fernsehen.
«Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet»
I​SBN:978-3-406-67749-6
Beck C.H.
173 Seiten​
14.65 Fr.​

Lüders zeichnet in einem grossen Bogen die Geschichte dieser strategisch wichtigen Region und beleuchtet die fatalen Folgen der westlichen Interventionen. Seit der «Ursünde», dem Putsch gegen den iranischen Ministerpräsidenten Mossadegh 1953, erfolgten sie in immer kürzeren Abständen und mit immer verheerenderen Konsequenzen: 

1953

Putsch im Iran

Vom Westen orchestrierter Putsch: Pro-Schah-Demonstranten in Teheran, 1953.
Vom Westen orchestrierter Putsch: Pro-Schah-Demonstranten in Teheran, 1953.
Bild: AP

Die CIA und der MI6, die Auslandsgeheimdienste der USA und Grossbritanniens, inszenieren einen Militärputsch gegen die demokratisch gewählte iranische Regierung unter Mossadegh. Der Iran hatte die mehrheitlich in britischem Besitz befindliche Ölindustrie verstaatlicht. Nach dem Sturz Mossadeghs wird der Schah, dessen Politik uneingeschränkt westlichen Interessen entspricht, zum starken Mann im Iran.

1979

Mullahs an die Macht

Islamische Revolution 1979: Ayatollah Chomeini kommt an die Macht im Iran. 
Islamische Revolution 1979: Ayatollah Chomeini kommt an die Macht im Iran. 
Bild: AP

Die Islamische Revolution im Iran, die Ayatollah Chomeini an die Macht bringt, ist die verspätete Antwort auf diesen Putsch, ohne den es diese Revolution nie gegeben hätte. Die Islamische Revolution wird zum «Big Bang» des politischen Islam und findet auch bei den Sunniten enormen Widerhall. 

1979

Dollars für Dschihadisten

Kampf gegen die sowjetische Invasion: Mudschahedin in Afghanistan.
Kampf gegen die sowjetische Invasion: Mudschahedin in Afghanistan.
Bild: AP NY

Im gleichen Jahr findet ein weiteres Ereignis von historischer Bedeutung statt: Die Sowjetunion marschiert in Afghanistan ein. Um die sowjetischen Invasoren zu besiegen, gehen die USA ein Bündnis mit Saudi-Arabien und Pakistan ein. Zudem finanzieren sie die Mudschahedin, die islamistischen Kämpfer gegen die Sowjets, und rüsten sie mit Waffen aus.

1980

Blutbad am Golf

Angreifer Irak in der Defensive: Iranische Truppen erobern 1986 die irakische Hafenstadt Fao. 
Angreifer Irak in der Defensive: Iranische Truppen erobern 1986 die irakische Hafenstadt Fao. 
Bild: AP

Der irakische Diktator Saddam Hussein überfällt den durch die Revolution geschwächten Iran, doch nach zweieinhalb Jahren stehen die irakischen Truppen im Ersten Golfkrieg vor der Niederlage. Nur US-Hilfe verhindert den iranischen Einmarsch in Bagdad – und verlängert den äusserst grausam geführten Krieg um weitere sechs Jahre. Schon damals ist bekannt, dass Hussein Giftgas einsetzen liess.

1988

«Feste Basis» für den Terror

Gründer der al-Kaida: Osama Bin Laden 1988 in einer Höhle in Afghanistan. 
Gründer der al-Kaida: Osama Bin Laden 1988 in einer Höhle in Afghanistan. 
Bild: EPA

Die Sowjets beginnen mit dem Abzug aus Afghanistan. Osama Bin Laden stellt in Pakistan eine Liste der Mudschahedin zusammen, die nach dem Einsatz in Afghanistan den Dschihad fortsetzen wollen – die «feste Basis», arabisch «al-Kaida».

1991

Rückeroberung der «Tankstelle»

«Operation Wüstensturm»: US-Flugzeuge 1991 über brennenden kuwaitischen Öl-Quellen. 
«Operation Wüstensturm»: US-Flugzeuge 1991 über brennenden kuwaitischen Öl-Quellen. 
Bild: AP NY

Nach dem Überfall Saddam Husseins auf Kuwait – «die wichtigste amerikanische Tankstelle» in der Region – kommen US-Truppen als Teil einer internationalen Koalition nach Saudi-Arabien, um das Emirat in der «Operation Desert Storm» zu befreien. Die Anwesenheit von Truppen der «Ungläubigen» im Ursprungsland des Islam ist für viele Fundamentalisten eine Blasphemie. Für die al-Kaida werden nun die USA und ihre engen Verbündeten wie Saudi-Arabien zum wichtigsten Feind.

2001

Einmarsch in Afghanistan

Krieg gegen das Taliban-Regime: Eine F/A-18 hebt 2001 vom US-Flugzeugträger Carl Vinson ab. 
Krieg gegen das Taliban-Regime: Eine F/A-18 hebt 2001 vom US-Flugzeugträger Carl Vinson ab. 
Bild: AP

Nach den Anschlägen vom 11. September erklärt US-Präsident George W. Bush den «Krieg gegen den Terror». Amerikanische Truppen stürzen das mit der al-Kaida verbündete Taliban-Regime in Afghanistan. Damit beginnt der bisher längste amerikanische Krieg

2003

Invasion im Irak

Völkerrechtswidrige Invasion: Amerikanischer Panzer 2003 im Vormarsch auf Bagdad. 
Völkerrechtswidrige Invasion: Amerikanischer Panzer 2003 im Vormarsch auf Bagdad. 
Bild: AP, THE DALLAS MORNING NEWS

Die USA führen an der Spitze einer «Koalition der Willigen» eine völkerrechtswidrige Invasion im Irak durch und stürzen Saddam Hussein. Das Verbot der Baath-Partei und die Auflösung der Geheimdienste und der Armee machen hunderttausende arbeitslos, von denen die meisten mit Waffen umgehen können. Die bisher dominierenden Sunniten werden nun von der schiitischen Mehrheit unterdrückt; das Heer dieser sunnitischen Unzufriedenen alimentiert die al-Kaida und dann den aus dieser hervorgegangenen Islamischen Staat

2011

Syrischer Alptraum

Trümmerwüste: Damaskus 2013 nach zwei Jahren Bürgerkrieg. 
Trümmerwüste: Damaskus 2013 nach zwei Jahren Bürgerkrieg. 
Bild: AP

In Syrien, wo eine alawitische Minderheit die sunnitische Mehrheit beherrscht, bricht im Zuge des «Arabischen Frühlings» ein Aufstand gegen den Diktator Baschar al-Assad los, aus dem sich innert Jahresfrist ein grausamer Bürgerkrieg entwickelt. Die von armen sunnitischen Schichten ausgehende Erhebung kann den vom Iran unterstützten Assad nicht stürzen, doch das Regime zieht sich aus grossen Gebieten zurück. Dort fasst der Islamische Staat Fuss.

2011

Chaos in Libyen

Intervention mit Folgen: Französische Kampfhelikopter 2011. 
Intervention mit Folgen: Französische Kampfhelikopter 2011. 
Bild: AP

Auch in Libyen führt der «Arabische Frühling» zu einem Aufstand. Das Regime von Muammar al-Gaddafi wird von den Rebellen mit Hilfe einer westlichen Militärintervention gestürzt. Die Folgen sind auch hier fatal: In Libyen selber herrscht Chaos; die ehemaligen Söldnertruppen Gaddafis sind nach Süden abgezogen und verstärken die al-Kaida im Maghreb und die nigerianische Terrorgruppe Boko Haram. (dhr)

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mr.CoJones aka Philodog
14.09.2015 11:11registriert September 2015
Die Büchse der Pandora öffnete sich mit der mit der europäischen Sucht nach Rohstoffen aus dem nahen Osten zu saugen. Es ist wie in Afrika: Auch heute noch werden lokale Despoten gefördert und deren Bevölkerung durch Verhinderung an Bildung/Aufklärung "Dumm" gehalten damit der Rohstofffluss weiterhin gewährleistet ist. Quell des Übels müssen wir nicht suchen. Wir sind es nämlich.
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TheRabbit
14.09.2015 12:58registriert Mai 2014
Zusammenfassung derselben Geschichte auf humoristische art.
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Sapere Aude
14.09.2015 12:57registriert April 2015
Danke für den Bericht, welcher zumindest einen Teil der Problematik beleuchtet. Kommt noch die Dekolonialisierung dazu, bei welcher man es verpasst, Strukturen zu hinterlassen die eine Entwicklung gewährleistet. Die ganzen Waffen die man in die Dritte Welt verkauft hat und Dikatoren die man unterstützt hat. Diese Krise ist auch auf unsere Geiz ist Geil Mentalität zurückzuführen und unser Konsumwah. Der Süden finanziert den Wohlstand des Nordens.
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