Warum ist buchstäblich halb Syrien auf der Flucht? Warum kommt der Irak nicht zur Ruhe und woher kommt eigentlich der Islamische Staat? Nebst der oft unsäglichen Rolle, welche die regionalen Herrscher und Despoten gespielt haben, lässt sich bezüglich der militärischen und politischen Einmischungsversuche des Westens eine einzige Chronologie des Versagens aufzeigen. Wer im nahöstlichen Chaos nicht mehr durchblickt, kann sich eine Stunde Zeit nehmen und sich im Video alles vom deutschen Nahostexperten Michael Lüders erklären lassen, oder die folgenden 10 Ereignisse im Zusammenhang verstehen.
Lüders zeichnet in einem grossen Bogen die Geschichte dieser strategisch wichtigen Region und beleuchtet die fatalen Folgen der westlichen Interventionen. Seit der «Ursünde», dem Putsch gegen den iranischen Ministerpräsidenten Mossadegh 1953, erfolgten sie in immer kürzeren Abständen und mit immer verheerenderen Konsequenzen:
Die CIA und der MI6, die Auslandsgeheimdienste der USA und Grossbritanniens, inszenieren einen Militärputsch gegen die demokratisch gewählte iranische Regierung unter Mossadegh. Der Iran hatte die mehrheitlich in britischem Besitz befindliche Ölindustrie verstaatlicht. Nach dem Sturz Mossadeghs wird der Schah, dessen Politik uneingeschränkt westlichen Interessen entspricht, zum starken Mann im Iran.
Die Islamische Revolution im Iran, die Ayatollah Chomeini an die Macht bringt, ist die verspätete Antwort auf diesen Putsch, ohne den es diese Revolution nie gegeben hätte. Die Islamische Revolution wird zum «Big Bang» des politischen Islam und findet auch bei den Sunniten enormen Widerhall.
Im gleichen Jahr findet ein weiteres Ereignis von historischer Bedeutung statt: Die Sowjetunion marschiert in Afghanistan ein. Um die sowjetischen Invasoren zu besiegen, gehen die USA ein Bündnis mit Saudi-Arabien und Pakistan ein. Zudem finanzieren sie die Mudschahedin, die islamistischen Kämpfer gegen die Sowjets, und rüsten sie mit Waffen aus.
Der irakische Diktator Saddam Hussein überfällt den durch die Revolution geschwächten Iran, doch nach zweieinhalb Jahren stehen die irakischen Truppen im Ersten Golfkrieg vor der Niederlage. Nur US-Hilfe verhindert den iranischen Einmarsch in Bagdad – und verlängert den äusserst grausam geführten Krieg um weitere sechs Jahre. Schon damals ist bekannt, dass Hussein Giftgas einsetzen liess.
Die Sowjets beginnen mit dem Abzug aus Afghanistan. Osama Bin Laden stellt in Pakistan eine Liste der Mudschahedin zusammen, die nach dem Einsatz in Afghanistan den Dschihad fortsetzen wollen – die «feste Basis», arabisch «al-Kaida».
Nach dem Überfall Saddam Husseins auf Kuwait – «die wichtigste amerikanische Tankstelle» in der Region – kommen US-Truppen als Teil einer internationalen Koalition nach Saudi-Arabien, um das Emirat in der «Operation Desert Storm» zu befreien. Die Anwesenheit von Truppen der «Ungläubigen» im Ursprungsland des Islam ist für viele Fundamentalisten eine Blasphemie. Für die al-Kaida werden nun die USA und ihre engen Verbündeten wie Saudi-Arabien zum wichtigsten Feind.
Nach den Anschlägen vom 11. September erklärt US-Präsident George W. Bush den «Krieg gegen den Terror». Amerikanische Truppen stürzen das mit der al-Kaida verbündete Taliban-Regime in Afghanistan. Damit beginnt der bisher längste amerikanische Krieg.
Die USA führen an der Spitze einer «Koalition der Willigen» eine völkerrechtswidrige Invasion im Irak durch und stürzen Saddam Hussein. Das Verbot der Baath-Partei und die Auflösung der Geheimdienste und der Armee machen hunderttausende arbeitslos, von denen die meisten mit Waffen umgehen können. Die bisher dominierenden Sunniten werden nun von der schiitischen Mehrheit unterdrückt; das Heer dieser sunnitischen Unzufriedenen alimentiert die al-Kaida und dann den aus dieser hervorgegangenen Islamischen Staat.
In Syrien, wo eine alawitische Minderheit die sunnitische Mehrheit beherrscht, bricht im Zuge des «Arabischen Frühlings» ein Aufstand gegen den Diktator Baschar al-Assad los, aus dem sich innert Jahresfrist ein grausamer B entwickelt. Die von armen sunnitischen Schichten ausgehende Erhebung kann den vom Iran unterstützten Assad nicht stürzen, doch das Regime zieht sich aus grossen Gebieten zurück. Dort fasst der Islamische Staat Fuss. ürgerkr ieg
Auch in Libyen führt der «Arabische Frühling» zu einem Aufstand. Das Regime von Muammar al-Gaddafi wird von den Rebellen mit Hilfe einer westlichen Militärintervention gestürzt. Die Folgen sind auch hier fatal: In Libyen selber herrscht Chaos; die ehemaligen Söldnertruppen Gaddafis sind nach Süden abgezogen und verstärken die al-Kaida im Maghreb und die nigerianische Terrorgruppe Boko Haram. (dhr)
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