Die Südkaukasusrepubliken Aserbaidschan und Armenien haben sich gegenseitig die Schuld an einer militärischen Eskalation mit 30 Toten im Gebiet Bergkarabach gegeben. Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium berichtete am Samstag von zwölf Getöteten in den eigenen Reihen.
Auf armenischer Seite kamen nach vorläufigen Angaben mehr als zehn Militärangehörige ums Leben, wie die Nachrichtenagentur DPA aus Behördenkreisen in der Hauptstadt Eriwan erfuhr. Beide Seiten schätzten die Verluste des Gegners weitaus höher ein.
Das überwiegend von christlichen Armeniern bewohnte Gebiet Bergkarabach gehört völkerrechtlich zum muslimisch geprägten Aserbaidschan, hat sich aber Anfang der 1990er Jahre in einem Krieg mit fast 30'000 Toten von Baku losgesagt. Eine seit 1994 geltende Waffenruhe ist extrem brüchig. Die Führung in Baku hat mehrfach gedroht, das abtrünnige Gebiet zurückzuerobern.
Aserbaidschanische Truppen hätten eine Offensive mit Panzern und Artillerie gestartet, teilte das armenische Verteidigungsministerium mit. Die Armee habe dabei einen aserbaidschanischen Kampfhelikopter vom Typ Mi-24 abgeschossen und mehrere Panzer und Drohnen zerstört.
Aserbaidschan wies die Vorwürfe zurück. Die Streitkräfte hätten auf massive Angriffe von armenischer Seite reagiert, teilte das Verteidigungsministerium mit. Auch Wohngebiete seien beschossen worden. Die Armee habe einige strategisch wichtige Punkte besetzt.
Die sogenannte Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die in dem Konflikt vermittelt, verurteilte die Eskalation. Für Dienstag sei ein Treffen geplant, teilte US-Botschafter James Warlick von der Minsk-Gruppe mit. Zu dem OSZE-Gremium gehören unter anderem Russland, die USA, Deutschland, Frankreich und die Türkei.
Der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier rief beide Seiten auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. «In diesem Konflikt kann es keine militärische Lösung geben», teilte der Minister mit.
Auch der russische Präsident Wladimir Putin mahnte Armenien und Aserbaidschan zur Zurückhaltung. Russland sieht sich als Schutzmacht Armeniens und hat Tausende Soldaten in dem Land mit rund drei Millionen Einwohnern stationiert. Die russische Armee sichert die Aussengrenzen der GUS-Staaten.
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu sowie Aussenminister Sergej Lawrow führten mit ihren Amtskollegen in den Hauptstätten Eriwan und Baku Krisentelefonate.
Nach Darstellung beider Seiten dauerten die Kämpfe am Samstag an. Die Behörden in Bergkarabach berichteten von zwei getöteten Kindern. Erstmals seit Beginn des Waffenstillstands habe Aserbaidschan eine derart umfassende Offensive gestartet, an der auch die Luftwaffe beteiligt gewesen sei, hiess es aus der Gebietshauptstadt Stepanakert. (wst/sda/dpa)