Algerien hat am Donnerstag die Anklage gegen seinen ehemaligen Verteidigungsminister Khaled Nezzar durch die Schweizer Justiz wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegeisselt. Algier behauptet, dass dieser Fall die «Grenzen des Unzulässigen und Unerträglichen» erreicht habe.
Der heute 85-jährige Ex-Minister wird verdächtigt, Folterungen während des algerischen Bürgerkriegs in den 1990er Jahren gebilligt und koordiniert zu haben.
Am Dienstag hatte die Bundesanwaltschaft in Bern angekündigt, Nezzar an das Bundesstrafgericht zu verweisen, mit der Begründung, er habe Vertrauenspersonen in Schlüsselpositionen platziert und wissentlich und willentlich Strukturen geschaffen, die auf die Vernichtung der islamistischen Opposition abzielten.
In einem Telefongespräch mit seinem Amtskollegen Ignazio Cassis vertrat der algerische Aussenminister Ahmed Attaf die Ansicht, dass «die Unabhängigkeit der Justiz keine Verantwortungslosigkeit rechtfertigt und dass ein wie auch immer geartetes Justizsystem sich das absolute Recht anmasst, über die Politik eines souveränen und unabhängigen Staates zu urteilen», wie es in einer Erklärung von dessen Ministerium heisst.
Der algerische Aussenminister hoffe, dass «alles unternommen wird, um zu verhindern, dass dieser Fall die Beziehungen zwischen Algerien und der Schweiz auf den Weg des Unerwünschten und Irreparablen führt».
Algerien erlebte in den 1990er Jahren einen Bürgerkrieg, nachdem das Militär die Parlamentswahlen unterbrochen hatte, die den Islamisten der verbotenen Islamischen Heilsfront (FIS) einen Sieg versprachen. Dieser Konflikt forderte nach offiziellen Schätzungen etwa 200'000 Todesopfer.
Nezzar wurde im Oktober 2011, als er in der Schweiz wohnte, aufgrund einer Anzeige einer Schweizer Nichtregierungsorganisation (NGO) in Genf festgenommen und später wieder freigelassen. Er hatte die Schweiz seitdem verlassen.
2017 stellte die Bundesanwaltschaft das Verfahren mit der Begründung ein, dass Anfang der 1990er-Jahre in Algerien kein bewaffneter Konflikt bestanden habe, woraufhin die klagenden Parteien beim Bundesstrafgericht Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung einreichten.
Das Bundesstrafgericht gab schliesslich 2018 seine Entscheidung bekannt, die Einstellung des Verfahrens durch die Bundesanwaltschaft aufzuheben, so dass diese die Untersuchung wieder aufnehmen musste. (sda/afp)