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Spanien

Spanien Wahlen: Das Wichtigste in Kürze

Konservative gewinnen Spanien-Wahl – aber auch mit Vox keine Mehrheit

24.07.2023, 06:5824.07.2023, 09:03

Die konservative oppositionelle Volkspartei (PP) hat die Parlamentswahl in Spanien am Sonntag zwar gewonnen, aber die absolute Mehrheit auch in einer Allianz mit der rechtspopulistischen Vox verpasst. Der viertgrössten Volkswirtschaft der EU, die noch bis Jahresende die EU-Ratspräsidentschaft innehat, steht damit eine lange Hängepartie und womöglich eine weitere Wahl bevor.

Alberto Feijoo, center, leader of the mainstream conservative Popular Party, gestures to supporters outside the party headquarters following Spain's general election, in Madrid, Monday, July 24,  ...
Alberto Núñez Feijóo tritt vor seine jubelnden Anhänger.Bild: keystone

PP-Spitzenkandiat Alberto Núñez Feijóo reklamierte vor Tausenden jubelnden Anhängern in Madrid trotz fehlender Mehrheit das Amt des Regierungschefs für sich. «Ich übernehme die Aufgabe, Verhandlungen zur Bildung einer Regierung aufzunehmen», sagte der 51-Jährige. Obwohl sich die PP um 47 Sitze auf 136 Sitze verbessern konnte, reicht es auch mit den 33 Vox-Sitzen nicht zur absoluten Mehrheit von 176 Sitzen. Zugleich war kaum absehbar, dass andere Parteien ihm im Verbund mit Vox zu einer Regierungsmehrheit verhelfen würden.

Auch der sozialistische Amtsinhaber Pedro Sánchez dürfte grosse Probleme haben, eine Neuauflage seiner linken Minderheitsregierung in die Wege zu leiten. Seine Partei konnte sich zwar um zwei Sitze auf 122 Sitze verbessern. Sein linkerer Partner, das Wahlbündnis Sumar, kam auf 31 Sitze. Zusammen mit kleineren Regionalparteien, mit deren Hilfe er 2019 ins Amt gewählt worden war, käme der Sozialist auch nur auf 172 Stimmen.

Damit wäre er auf die unnachgiebige katalanische Separatistenpartei Junts des 2017 abgesetzten früheren Regionalregierungschefs Carles Puigdemont angewiesen, die auf sieben Sitze kam. Der im belgischen Exil lebende Puigdemont hatte aber zuvor schon eine Unterstützung sowohl der PP als auch der PSOE abgelehnt. Junts-Chefin Miriam Nogueras machte am Wahlabend klar, dass eine Unterstützung nicht umsonst sein werde. Junts setzt sich für ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum notfalls auch gegen den Willen des Zentralstaates ein.

Auch Vox, die 19 Sitze verlor, stellte gleich in der Wahlnacht klar, dass sie in eine Regierung Feijóo wolle oder zumindest Einfluss auf deren Programm. Man werde die eigenen Stimmen «nicht verschenken», sagte Vox-Generalsekretär Ignacio Garriga. Vox-Chef Santiago Abascal machte auch Feijóo für das schlechte Abschneiden des rechten Lagers verantwortlich. Der PP-Kandidat habe die PSOE aufgewertet, indem er ihr einen Pakt angeboten habe, dass jeder der beiden grossen Parteien den Kandidaten mit den meisten Stimmen unterstützen solle, kritisierte Abascal.

Eine lange Hängepartie nicht ausgeschlossen

Sollte es Feijóo nicht gelingen, eine Regierung zu bilden, könnte eine weitere Wahl notwendig werden. Damit könnte Spanien eine lange Hängepartie bevorstehen. Ein «Bloqueo», eine politische Blockade, wie es sie bereits nach den Wahlen von 2015 und 2019 zweimal in Folge gab und jeweils eine zweite Abstimmungsrunde nötig machte, erschien nicht ausgeschlossen.

Wie Partnerparteien in Ungarn und Polen hat Vox ein sehr eigenes Verständnis von Rechtsstaatlichkeit. Sie ist zudem euroskeptisch und trommelt dafür, linke Prestigeprojekte im Bereich Soziales, Minderheitenschutz und Umwelt einzukassieren und hart gegen Separatisten durchzugreifen. Eine sogenannte Brandmauer nach rechts wie in Deutschland gegenüber der AfD gibt es in Spanien nicht. In einigen Regionen regieren PP und Vox schon gemeinsam. Eine «grosse Koalition» ist in Spanien undenkbar. Sánchez wolle nicht einmal eine PP-Minderheitsregierung dulden und lasse ihm somit «keine andere Wahl» als mit Vox zu sprechen, betonte Feijóo mehrfach.

Am Sonntag wurden neben dem Unterhaus «Congreso de los Diputados» auch Teile des Senats neu gewählt. In Spanien spielt das Oberhaus bei der Regierungsbildung aber keine Rolle. Die Wahl des Parlaments war eigentlich erst für Ende des Jahres vorgesehen. Sánchez zog sie aber nach dem Debakel der linken Parteien bei den Regionalwahlen vom 28. Mai vor. Die linke Regierung warnte immer wieder, eine rechte Regierung werde die sozialen Errungenschaften der vergangenen Jahre zunichtemachen und das Land um Jahrzehnte zurückwerfen. Sie blieb ungehört. (saw/sda/dpa)

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28 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ChriLu14
24.07.2023 07:32registriert Mai 2022
Vox hat im Vergleich 19 Sitze verloren und noch 33 behalten also etwa 40 % Stimmen eingebüsst. Die Konservative Mitte hat gewonnen und sogar Sanchez Partei - Rechtsruck ist das keiner.
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Kei Luscht
24.07.2023 08:40registriert Dezember 2015
Lest mal die Kommentare im Blick zu diesem Thema. Da läuft es einem kalt den Rücken runter. Jubel, dass der "Sozialismus" verloren hat, und Hoffnung, dass Vox alles besser machen wird (ungeachtet der Tatsache, dass die fast 40% ihrer Wähler verloren haben). Es ist ein Graus.
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frank frei
24.07.2023 08:12registriert September 2018
Sie VOX hat 19 Sitze verloren. Die Spanier wissen warum. Zu schlecht waren die Erfahrungen mit dem Franco-Faschismus. Die Konservativen haben sich mit den falschen Leuten ins Bett gelegt. Sie sitzen in der Falle: wenn sie eine absolute Mehrheit bei den Neuwahlen wollen, wissen sie jetzt, dass dies mit den Rechtsradikalen als Koalitionspartner nicht gelingen wird. Aber wer käme sonst als Partner in Frage?

Sánchez's Strategie mit den vorgezogenen Wahlen ist aufgegangen. Die Sozialisten sind jetzt, falls es zu Neuwahlen kommt, im Vorteil. Europas Rechtspopulisten haben sich zu früh gefreut.
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