05.12.2022, 19:1406.12.2022, 15:57
Am Samstag wurde in Columbus im US-Bundesstaat Ohio eine Drag-Show für Kinder in letzter Minute abgesagt. Grund dafür war der Aufmarsch von 50 bis 70 teils bewaffneten Akteuren, die die Show stören wollten.
Die «Holi-Drag»-Show war von einer lokalen Schule geplant worden und hätte in der First Unitarian Universalist Church of Columbus stattfinden sollen. Mit dem Aufmarsch der Störenfriede sagten die Organisatoren die Show «aus Sicherheitsgründen» ab. Die Polizei war vor Ort, hielt sich aber passiv im Hintergrund.
Doch wer sind die Männer hinter den Skimasken, den Uniformen und den Plakaten? Ein Einblick in die prominentesten Akteure und deren Ideologien.
Proud Boys
Aus der Menge stechen die Proud Boys mit ihrem gelb-schwarzen Apparel heraus. Sie sind zahlenmässig die grösste Gruppe vor Ort und wohl die treibende Kraft hinter der Aktion. Die Sektion Columbus hatte bereits Mitte November ihren «Besuch» der Show auf ihrem Telegram-Kanal angekündigt.
Die Proud Boys wurden 2016 von Gavin McInnes, einem Gründungsmitglied des Medienportals Vice, ins Leben gerufen. Es gibt keine nationale Organisation; die Gruppierung ist in viele kleine Untergruppen unterteilt, die mehr oder weniger dieselben Werte teilen. Laut dem Telegram-Kanal Proud Boys Chapters gibt es rund 200 solcher Sektionen in den USA sowie einige internationale, unter anderem auch in Deutschland, Australien und Norwegen. Frauen dürfen nicht beitreten.
Laut eigener Aussage setzen sich die Proud Boys für eine konservative Zukunft ein: weniger woke, weniger Staat, mehr Waffen und mehr Redefreiheit. Sie stehen politisch Ex-Präsident Donald J. Trump nahe, sind aber offiziell keine politische Organisation. Mehrere Mitglieder und Anführer der Proud Boys wurden im Rahmen des Kapitolsturms im Januar 2021 verurteilt.
Auf den Plakaten der Herren in Schwarz stehen Slogans wie «Lasst unsere Kinder in Ruhe» und «18+ und wir sind weg». Der Hintergrund dazu ist, dass die Proud Boys nicht wollen, dass Kinder mit Dragqueens in Kontakt kommen. Sie werfen den Veranstaltern vor, sogenanntes «Grooming» zu betreiben: das gezielte Ansprechen von Minderjährigen, um sexuelle Beziehungen zu diesen aufzubauen.
Auch wenn sich die Proud Boys selber LGBT-freundlich geben (es sind auch Vertreter der Gays Against Groomers vor Ort), so ist dieses Narrativ jedoch in rechtsextremen und homophoben Kreisen weitverbreitet. Die Groomer-Geschichte soll dazu dienen, dass Schwule, Transmenschen und eben auch Dragqueens mit Pädophilie in Verbindung gebracht werden.
Patriot Front
Auch auffällig sind die Mitglieder der Patriot Front. Sie sind an ihren beigen Schirmmützen und den weissen Masken zu erkennen. Normalerweise gehören zur Miliz-Uniform noch ein dunkelblaues Poloshirt und helle Khakis; vermutlich wurde hier jedoch aufgrund der Temperatur auf diese verzichtet.
Im Gegensatz zu den Proud Boys, die wenigstens so tun, als würden sie sich von Faschismus und Rassismus distanzieren, ist die Patriot Front offen nationalistisch-rassistisch. Sie propagiert ein reinrassiges (weisses) Amerika, das sich am traditionellen Familienbild orientiert. Die Rhetorik kennt man aus Nazideutschland:
«Die Zugehörigkeit zur amerikanischen Nation wird durch Blut vererbt, nicht durch Tinte [der Einbürgerung].»
patriotfront.us
Im Gegensatz zu den Herren in Schwarz-Gelb scheinen sich die Männer in Weiss-Beige weniger konkret auf den Event vorbereitet zu haben. Sie tragen keine Transparente und keine Schilder mit Anti-Drag-Slogans. Sie marschieren bloss in Reih und Glied und rufen «Leben, Freiheit, Sieg oder Tod».
Es ist möglich, dass die Männer der Patriot Front die Gunst der Stunde nutzen wollen, um sich selber einmal mehr in Szene zu setzen.
Unbekannte Bewaffnete
Über die dritte Gruppe ist nicht viel bekannt. Anders als die anderen sind die Männer bewaffnet und erscheinen in Kampfmontur. Sie gesellen sich zwar zu den Proud Boys, tragen aber keine Insignien und sagen gegenüber einem Polizisten, dass sie allein hier sind und mit keiner der anderen Gruppen verknüpft sind.
Der Polizist hat übrigens kein Problem mit der Anwesenheit der Bewaffneten; er ermahnt die Herren bloss, auf einen sicheren Umgang mit ihren Waffen zu achten. Währenddessen ruft eine Frau mit Pistole, die scheinbar zum Grüppchen gehört: «Gott hasst Pride.»
Und warum sind sie hier? Auch wenn ausser den Rufen der Dame, die wohl zu ihnen gehört, nichts über die Gruppe bekannt ist, so dürfte sie ideologisch den anderen nahe sein. Der Aufmarsch in Kampfmontur soll wahrscheinlich der Einschüchterung dienen, was schlussendlich auch geklappt hat.
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